Formel E

Heute vor 10 Jahren: Lucas di Grassi gewinnt 1. Formel-E-Rennen in Peking, Nick Heidfeld übersteht Horrorcrash

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Exakt zehn Jahre ist es her, dass Lucas di Grassi am 13. September 2014 zum ersten Rennsieger der FIA-Formel-E-Meisterschaft wurde. Der Brasilianer in Diensten von Audi Sport ABT gewann ein letztlich dramatisches Rennen in Peking vor Franck Montagny (Andretti) und Sam Bird (Virgin Racing). Für die beiden deutschen Fahrer Nick Heidfeld und Daniel Abt verlief der erste E-Prix nicht erfolgreich: Heidfeld schied nach einem spektakulären Crash in der letzten Runde aus, Abt verlor durch eine nachträglich ausgesprochene Strafe ein Podium.

Nicolas Prost vom Team e.dams Renault hatte sich im Qualifying die erste Pole-Position der Formel-E-Geschichte gesichert. Rund eine Zehntelsekunde war der Franzose schneller als Lucas di Grassi vom deutschen ABT-Team. Dahinter startete mit di Grassis Teamkollege Daniel Abt der jüngste Fahrer des Feldes vor Karun Chandhok (Mahindra Racing) und Nick Heidfeld (Venturi).

Mehrere Grid-Strafen sorgten dafür, dass einige Fahrer:innen nach hinten mussten. So wurden bei Sebastien Buemi, Michela Cerruti, Ho-Pin Tung, Stephane Sarrazin und Jarno Trulli die Getriebe gewechselt, was jeweils eine Rückversetzung um zehn Positionen bedeutete. Franck Montagny verlor seinen fünften Platz, da er sowohl im Freien Training als auch im Qualifying die durchgezogene Linie am Boxenausgang überfahren hatte und daher drei Plätze zurück musste.

Nach einer Einführungsrunde, die die Pilot:innen gefühlt nur in Schrittgeschwindigkeit absolvierten, um Energie zu sparen, sprangen die Ampeln auf zunächst Rot, um dann wieder zu erlöschen. Wenige Sekunden später startete das erste Formel-E-Rennen der Geschichte. Prost behielt die Führung vor dem ABT-Duo, dahinter schob sich Heidfeld auf der Außenseite an Chandhok vorbei. Für Trulli war das Rennen bereits beendet: Der Italiener - Fahrer und Teamchef in Personalunion - kam am Start vom letzten Platz aus gar nicht erst weg.

Trulli & Senna schon nach einer halben Runde nicht mehr dabei

In Kurve 2 kam es zur ersten Kollision der Formel E: Montagny schob sich auf der Innenseite mit einem harten Manöver an seinem Andretti-Teamkollegen Charles Pic vorbei, der dabei die TecPro-Barriere am Kurvenausgang touchierte. Dahinter fuhr Bruno Senna hart über die Randsteine auf der Kurveninnenseite, woraufhin die linke Vorderradaufhängung seines Mahindra brach. Der Brasilianer war somit früh aus dem Rennen. Da Senna den Mahindra am Fahrbahnrand abstellen musste, schickte die Rennleitung das Safety-Car auf die Strecke. Prost führte vor di Grassi, Abt, Heidfeld, Chandhok, Jaime Alguersuari, Montagny, Bird, Pic und Nelson Piquet jr.

Das Rennen wurde am Ende der vierten Runde wieder freigegeben. Montagny setzte Alguersuari unter Druck, der Spanier verteidigte sich jedoch hart. Mit der Brechstange schob sich der Franzose im Andretti kurz darauf vorbei, gleichzeitig schlüpfte auch Alguersuaris Teamkollege Bird mit durch. Im Kampf um Platz 10 gab es einen harten Dreikampf zwischen Piquet, Oriol Servia und Takuma Sato, bei dem Servia die Oberhand behielt.

Buemi verlor in einer Schikane die hintere Radabdeckung, nachdem er hart über die Randsteine gefahren war. Da daran der Heckflügel der Fahrzeuge befestigt war, hing dieser in der Folge schief. Buemi fuhr kurz darauf an die Box und wechselte in sein zweites Fahrzeug. Sein Teamkollege Prost baute derweil seine Führung auf mehr als eine Sekunde aus, hatte aber nach fünf Runden bereits vier Prozent mehr Energie verbraucht als seine unmittelbaren Verfolger.

Montagny auf dem Vormarsch

Montagny holte weiter auf und griff Chandhok an. Der Inder wehrte sich nicht gegen das Manöver, sodass Montagny nun Fünfter war. Sato musste sein Fahrzeug kurz darauf am Streckenrand abstellen. An der Spitze schoben sich die Abstände wieder zusammen, die beiden ABT-Piloten verkürzten den Rückstand auf Prost. Die Energieanzeige offenbarte jedoch, dass di Grassi und Abt sieben Prozent mehr im Akku hatten als der Franzose, was auf eine unterschiedliche Boxenstopp-Strategie hindeutete.

Alguersuari war am Ende von Runde 12 jedoch der erste Fahrer, der zum damals noch üblichen Fahrzeugwechsel an die Box kam. Eine Runde später dann die große Überraschung: Neben Prost fuhren - trotz des deutlichen Energievorteils - auch di Grassi, Abt und Heidfeld an die Box. Montagny, der zunächst weiterfahren wollte, entschied sich ebenfalls zum Boxenstopp, überfuhr dabei aber die weiße Linie an der Einfahrt zur Boxengasse. Bird und Pic entschieden sich dazu, noch eine weitere Runde mit ihrem ersten Auto zu fahren und übernahmen folglich die Führung.

Präzision bei e.dams vergrößert Prost-Vorsprung

Beim Boxenstopp zeigte sich die Präzision, mit der e.dams arbeitete: Prost hielt die Mindestzeit von 107 Sekunden für den Stopp genau ein. Die beiden ABT-Fahrer waren die großen Verlierer der Fahrzeugwechsel: di Grassi stand fünf Sekunden länger als Prost und kam kurz hinter Heidfeld aus der Boxengasse. Abt lag mit noch zwei Sekunden längerer Standzeit sogar hinter Montagny und hatte somit zwei Plätze verloren. Nach seinem Wechsel eine Runde später sortierte sich Bird erneut hinter Abt ein, Pic kam unmittelbar vor Piquet als Achter auf die Strecke zurück.

Die langsamen Boxenstopps bei ABT sorgten dafür, dass Prost nun mit rund vier Sekunden Vorsprung führte, Heidfeld hatte di Grassi und Montagny direkt hinter sich. Abt lag weitere drei Sekunden zurück, rund 1,5 Sekunden vor Bird und Chandhok. Es zeigte sich in den folgenden Runden, dass Prost mit seinem zweiten Fahrzeug nicht die Pace gehen konnte wie vor dem Fahrzeugwechsel: Heidfeld war zwischen 0,4 und 0,8 Sekunden pro Runde schneller und hatte den Rückstand in der 20. von 25 Runden auf weniger als eine Sekunde verkürzt. Buemi gab derweil das Rennen an der Box auf, nachdem er zuvor in seinem zweiten Fahrzeug die bis dahin schnellste Rennrunde erzielt hatte.

Im Kampf um die Podestplätze konnte sich di Grassi von Montagny absetzen, dahinter erhöhte Chandhok den Druck auf Bird. Dem Briten im Virgin-Boliden unterlief ein Fahrfehler, sodass Chandhok am Ende der 20. Runde den sechsten Platz übernahm. Die Fahrer an der Spitze schoben sich enger zusammen: Nach 21 Runden lag Bird auf dem siebten Platz nur noch 8,7 Sekunden hinter Prost. Unmittelbar nach dem Fahrzeugwechsel waren es noch mehr als elf Sekunden gewesen.

Prost zog das Tempo nun an und konnte sich so vor Heidfeld behaupten. Chandhok und Bird konnten das Tempo der Spitze nicht mitgehen, und auch Abts Rückstand wuchs deutlich an. Im Mittelfeld verlor Piquet an Boden und musste kurz hintereinander Servia, Sarrazin und Jerome d'Ambrosio passieren lassen.

Prost-Verteidigungsmanöver gegen Heidfeld geht schief

Zwei Runden vor Schluss hatten auch di Grassi und Montagny den Anschluss an das Führungsduo verloren. Es lief somit auf einen Zweikampf zwischen Prost und Heidfeld hinaus, die damals gemeinsam in der Langstecken-Weltmeisterschaft für Rebellion Racing in der LMP1-Klasse an den Start gingen. Sechs Zehntelsekunden trennten die beiden, als sie in die letzte Runde gingen. Heidfeld blieb die ganze Runde im Windschatten des e.dams-Boliden, zog bei der Anfahrt auf die letzte Kurve auf die Innenbahn und griff schließlich an.

Dann geschah das Unfassbare: Prost zuckte kurz vor der Bremszone nach innen, sodass sich die Vorderreifen der Fahrzeuge berührten. Heidfelds Radaufhängung riss dabei ab. Der Venturi kam ins Schleudern und traf mit dem Hinterrad Prosts rechtes Vorderrad, das ebenfalls wegknickte. Heidfeld rutschte auf dem Unterboden über die Randsteine der letzten Kurve, wo er abhob und rund einen Meter in die Höhe katapultiert wurde. Der Venturi traf die TecPro-Barriere an der Kurvenaußenseite und überschlug sich im Anschluss mehrfach. Auch Prost schlitterte geradeaus in die Auslaufzone und konnte nicht mehr weiterfahren. Die Erleichterung war groß, als Heidfeld unverletzt aus seinem umgedrehten Auto kroch.

So gab es einen Sensationssieger: Di Grassi profitierte und fuhr als Erster über die Ziellinie, gefolgt von Montagny, Abt, Bird und Pic. Der Brasilianer, zuvor als Testfahrer einer der ersten Mitarbeiter der Formel E, durfte sich somit als erster Rennsieger der Formel E in die Geschichtsbücher eintragen lassen. Einen Rückschlag gab es noch für Abt: Da er im zweiten Auto zu viel Energie verbraucht hatte, erhielt der junge Deutsche nachträglich eine Durchfahrtsstrafe, die ihn auf Platz 10 zurückwarf. Bird komplettierte somit das Podium. Zudem sammelten Pic, Chandhok, d'Ambrosio, Servia, Piquet, Sarrazin Punkte beim Debüt. Die damals noch zwei Zähler für die schnellste Rennrunde gingen an Takuma Sato im Amlin Aguri.

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