Formel E

Hitzige Fahrer-Meinungen über Neustart in Bern: "Einfach nur super unfair!"

Timo Pape

Timo Pape

Es war das Streitthema des Formel-E-Wochenendes in Bern: Nach einer Massen-Kollision in der ersten Schikane direkt nach dem Start unterbrach die Rennleitung den Swiss E-Prix für fast eine Dreiviertelstunde, um die Unfallstelle zu räumen - und um das Rennen in der korrekten Reihenfolge wieder aufzunehmen. Doch war sie wirklich korrekt? Die Fahrer waren da unterschiedlicher Meinung. Sie beschwerten sich schon während der Rennunterbrechung vehement bei der FIA und machten ihrem Unmut auch noch nach dem E-Prix am Mikrofon von 'e-Formel.de' Luft - zumindest die vermeintlich Benachteiligten. Doch was war passiert?

Die Formel E hatte die Startaufstellung mangels Alternativen auf dem engen Straßenkurs von Bern an den Anfang der langen Geraden platziert. Das Problem dabei: Schon nach wenigen hundert Metern erwartete die 22 Fahrer eine sehr enge Rechts-Links-Schikane - die Kurvenkombination 12, 13 und 14. Die eigentliche Ziellinie (entscheidend für die Zeitnahme) folgte erst ein Stück weiter, kurz vor der wahren Kurve 1.

In der Schikane kam es zur erwartbaren Kollision, in die beinahe die Hälfte des Feldes verwickelt war. Pascal Wehrlein, der als Vierter gestartet war, verstopfte das "Nadelöhr" unverschuldet. "Ich bin von hinten angeschoben worden und dann in die TecPro-Barriere gerutscht", erklärt er uns. Daraufhin fuhren noch mehrere Autos auf den Mahindra auf und blockierten den regulären Weg durch die Schikane - nichts ging mehr. Die Fahrer vom Ende des Feldes konnten dem Unfall jedoch aus dem Weg gehen. Sie fuhren geradeaus durch die "Rettungsgasse" der Schikane an der Unfallstelle vorbei - und waren dadurch plötzlich in den Top 10.

Die Freude wehrte jedoch nicht lange, denn Rennleiter Scot Elkins unterbrach das Rennen mit roten Flaggen und gab wenig später per Funk durch, dass der "fliegende" Neustart hinter dem Safety-Car in der ursprünglichen Startreihenfolge durchzuführen sei. Der Grund: Nicht alle Autos hatten die Zeitnahme-Linie überquert, sodass Elkins nicht sämtliche Positionen der Fahrzeuge nachvollziehen konnte. Deshalb also alles auf Anfang. Einige Fahrer, die dadurch wieder ans Ende des Feldes zurück mussten - etwa Lucas di Grassi oder Antonio Felix da Costa - beschwerten sich vor laufenden TV-Kameras lautstark bei einem FIA-Verantwortlichen in der Boxengasse (siehe Video im unten stehenden Tweet). All das half jedoch nichts.

Nach dem Rennen haben wir uns mit einigen "Gewinnern" sowie "Verlierern" der folgenschweren Rennleiter-Entscheidung unterhalten. Dabei bekamen wir nicht nur zum Teil gepfefferte Aussagen, sondern auch ein paar sehr interessante unterschiedliche Sichtweisen auf die Situation.

>>> DIE AUSSAGEN DER "VERLIERER" DER RENNLEITER-ENTSCHEIDUNG

Audi-Pilot Lucas di Grassi war beim Protest gegen die Rennleiter-Entscheidung wohl der Aufgebrachteste. Auch nach dem Rennen war der Puls des Brasilianers noch nicht wieder auf Normalniveau. "Der Renndirektor hat uns erklärt, er habe die Regel angewandt, nach der er die Position von jedem einzelnen Auto kennen müsse. Weil er das nicht tat - die Hälfte des Feldes steckte ja in der Schikane fest - entschied er sich dazu, wieder zur Startaufstellung zurückzukehren."

"Jemand verursacht einen Crash in Kurve 1, sorgt für eine Rennunterbrechung und darf zur Box zurückfahren, um das Auto reparieren zu lassen. Und dann darf er auch noch wieder von seiner ursprünglichen Position starten. Ich finde, das ist einfach nur super unfair", schimpft di Grassi. Für ihn entscheidend: der Zeitpunkt der Rennunterbrechung. "Die rote Flagge wurde geschwenkt, als wir unten in Kurve 3 waren, und nicht am Start. Und wenn sie geschwenkt wird, nachdem wir die Zeitnahme-Linie überquert haben, dann sollte man auch diesen Stand nehmen."

Damit spricht di Grassi ein heikles Thema an, denn tatsächlich kam die offizielle Unterbrechung erst zu diesem Zeitpunkt. Die Verwirrung war jedoch groß, denn bereits als der Unfall passierte, schwenkte ein Streckenposten aufgeregt beide Flaggen, die er in den Händen hielt - eine gelbe und eben eine rote. "Aber weil er es selbst für sich entschieden hat", gibt di Grassi zu bedenken.

"Natürlich hatte ich in der Situation gewissermaßen Glück, dass ich die Hälfte des Feldes überholen konnte, aber das ist Teil des Rennsports", erklärt di Grassi weiter. "Ich war halt einfach nicht in den Unfall verwickelt. Warum muss ich dann zurück auf Platz 19? Ich habe nichts falsch gemacht! Deshalb war ich so emotional - ich war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Vielleicht liege ich ja auch falsch, aber dann muss die Regel angepasst werden, sodass du als Verursacher einer Kollision zumindest am Ende des Feldes starten musst."

Felix da Costa: "In meinen Augen nicht richtig"

Auch Antonio Felix da Costa, der ebenso wie di Grassi zunächst profitiert hatte, ist mit der Entscheidung der Rennleitung nicht einverstanden: "Das war natürlich schade, denn ich habe viele Plätze gutgemacht - insgesamt elf - und war dann Neunter. Es gibt einfach keine Konstanz bei solchen Entscheidungen", kritisiert er die Rennleitung. "In Mexiko mussten die Jungs, die einen Unfall hatten, das Rennen vom Ende des Feldes wieder aufnehmen. Und diesmal bekommen sie eine zweite Chance. Das ist in meinen Augen nicht richtig."

Der BMW-Pilot sieht die Wurzel des Problems jedoch noch woanders: "Man muss kein Genie sein, um zu ahnen, dass so etwas (der Unfall in der ersten Kurve) passieren würde. Es war völlig klar. 22 Autos, die gleichzeitig in diese Kurve fahren - was willst du erwarten? Das ist unmöglich." Auf die Frage, ob die Gestaltung der Schikane ein Fehler des Veranstalters gewesen sei, entgegnet Felix da Costa: "Es ist nicht an mir, das zu entscheiden, aber ja. Man muss die Kurve eben anders designen, so etwas muss man einfach bedenken. Es gibt halt nun mal einen Rennstart."

Vandoorne: "Ein bisschen seltsam"

HWA-Pilot Stoffel Vandoorne, ein weiterer Fahrer vom Ende des Feldes, der durch den Unfall zunächst profitiert hatte, erinnert sich an die Situation: "Nachdem ich gesehen hatte, dass Kurve 1 blockiert war, habe ich kurz angehalten und die Schikane (geradeaus) genommen, um weiterzufahren, wie es die Regel besagt. Danach kam erst die rote Flagge - ich war zu dem Zeitpunkt Fünfter", bestätigt er den Bericht von di Grassi.

"Dann haben die Kommissare entschieden, zur alten Reihenfolge zurückzukehren, was meiner Meinung nach falsch war, denn sie haben die rote Flagge nicht in Runde 0 geschwenkt, sondern in Runde 1", erklärt der Belgier. "Manche Leute haben Fehler gemacht, einen Unfall verursacht und konnten das Rennen trotzdem vor mir wieder aufnehmen. Das ist das Problem."

Vandoorne räumt allerdings ein: "Okay, ich bin - wie auch viele andere - nicht auf der Stecke durch die Schikane gefahren, denn die Strecke war ja blockiert. Aber wie das Prozedere verlangt, haben wir noch auf der Strecke angehalten und sind erst dann weitergefahren. Deshalb ist es ein bisschen seltsam, dass sie die alte Reihenfolge wiederhergestellt haben. Manchmal hast du eben Glück, manchmal Pech."

Auch Vandoorne sieht die Schuld für die ganze Situation eher beim Streckenlayout: "Das Risiko, dass die Schikane blockiert würde, war von vornherein da. Aber es ist auch schwierig - gerade auf dieser Strecke -, einen besseren Ort für die Startaufstellung zu finden. Ich wüsste nicht, wo man sie hätte besser positionieren können."

>>> DIE AUSSAGEN DER " GEWINNER" DER RENNLEITER-ENTSCHEIDUNG

Pascal Wehrlein, dessen Rennen durch den Unfall eigentlich schon in Kurve 1 zu Ende gewesen wäre, bekam dank der Entscheidung der Rennleitung eine zweite Chance. Nach dem Rennen war er entsprechend zufrieden mit der Wiederherstellung der Startaufstellung, wenngleich sie ihm letztlich nicht viel bringen sollte - sein Mahindra ging kurz vor Rennhalbzeit einfach aus und ließ sich nicht mehr neustarten. "Es war ein bisschen chaotisch am Start, aber letztendlich hat sich für uns nicht viel geändert, weil wir wieder von Platz 4 ins Rennen gegangen sind und das Auto reparieren konnten", erinnert sich der Deutsche.

Auf die Kritik seiner Fahrerkollegen reagiert er mit Unverständnis: "Das Problem ist, dass sie nicht wirklich verstehen, dass sie uns nur durch Verlassen der Strecke überholen konnten", erklärt er uns. "Die Strecke war blockiert. Sie haben mich und alle anderen überholt, indem sie abgekürzt haben. Und es gab eine rote Flagge. Ihre Aussage macht also wenig Sinn."

Wehrlein: "Sollen halt diskutieren oder die Regeln lesen"

"Vor allem besagt die Regel, dass bei roter Flagge immer so gestartet wird, wie die Positionen in der Runde vor der roten Flagge waren", so Wehrlein weiter. "Weil wir aber nicht mal eine Runde gefahren sind, gab es keine Runde vorher. Du musst mindestens eine Runde fahren, damit es eine neue Reihenfolge geben kann. Aber das ging ja nicht, weil wir in der letzten Kurve gestanden sind. Wo ich festgesteckt habe, war ja eigentlich die letzte Kurve. Wir sind eine Kurve vor Kurve 1 gestartet. Von daher sollen sie halt diskutieren oder die Regeln lesen."

Ein weiterer Profiteur der Rennleiter-Entscheidung war Maximilian Günther, dessen Dragon in Kurve 1 von hinten getroffen und unter den Mahindra von Wehrlein geschoben wurde. "Ich war mir eigentlich sicher, dass mein Rennen zu Ende war, weil das Auto so stark beschädigt war. So war es für uns natürlich sehr wichtig, das Auto zu reparieren. Ich war sehr erleichtert, dass wir noch eine Chance hatten, aber ich bin auch nicht in Euphorie ausgebrochen, weil ich noch nicht wusste, ob das Auto in dem Zustand überhaupt noch fahrbar war."

Wie bewertest du das Thema - hat die Rennleitung die richtige Entscheidung getroffen oder nicht? Sag uns deine Meinung gern in den Kommentaren.

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