Formel E

Ist der WM-Kampf wieder offen? Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Berlin E-Prix 2023

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Race-Start-Slipstreaming-Mortara-Vandoorne

Die erste Hälfte der Formel-E-Saison 2023 ist geschafft. Nach dem Berlin E-Prix ist es in den WM-Wertungen der Elektroserie enger denn je: Porsche büßte in Deutschland wichtige Punkte auf seine direkten Verfolger ein, darunter die Rennsieger-Teams Jaguar und Envision. Nur noch vier Zähler trennen in der Fahrer-WM Pascal Wehrlein und Nick Cassidy. Das liegt auch an der nächsten herausragenden Einzelleistung des Neuseeländers.

Diese bewertet e-Formel.de nach jedem Rennwochenende der Saison im Fahrer-Rating. Hierfür vergeben unsere Redakteur:innen Punkte auf einer Skala zwischen 1 und 10 für alle Piloten. Anschließend werden sie nach ihrem durchschnittlichen "Rating-Score" sortiert, und die besten zehn Leistungen von unserem Formel-E-Reporter Tobias Bluhm kommentiert. In die Wertung fließen ausschließlich die individuellen fahrerischen Leistungen ein, nicht das Potenzial des Autos oder äußerliche Umstände.

Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Berlin E-Prix 2023

1. Mitch Evans | Jaguar TCS Racing | 8.8 Punkte

Wie schon in Sao Paulo gelang es Jaguar-Fahrer Mitch Evans in Berlin, dem Windschattenchaos zu trotzen. Zwar gleicht der Kampf um den Rennsieg inzwischen teils einer Lotterie. Doch Evans schaffte es auch in Deutschland, stets in aussichtsreichen Positionen zu sein, um in den richtigen Momenten zu attackieren. Das liegt einerseits an seinem guten Auto, andererseits aber auch an seinem unbestrittenen Talent im Formel-E-Auto.

FAZIT: Ein Sieg, ein vierter Platz - was will man mehr? Das nächste Top-Wochenende von Mitch Evans.

2. Nick Cassidy | Envision Racing | 8.8 Punkte

Es ist überraschend, dass in der bisherigen Saison noch kaum ein Fan Nick Cassidy auf dem Radar hatte. Dabei bahnte sich der Sieg des Neuseeländers, den er am Sonntag vollkommen verdient feierte, schon seit Wochen an. Seine Ergebnisse der vorausgegangenen Rennen: Platz 2 in Hyderabad, Platz 3 in Kapstadt, Platz 2 in Sao Paulo, Platz 5 am Berlin-Samstag - und dann eben Platz 1 am Berlin-Sonntag.

Cassidy gelang es durch seine vorausschauende Fahrweise und Formel-E-Routine, sich in den Windschattenrennen der vergangenen Wochen stets "über Wasser" zu halten. In exakt den richtigen Momenten erhöhte er das Tempo und hielt bei Vollstrom-Sprints den Anschluss an die Führenden. Nun fehlen ihm nur noch vier Punkte auf den WM-Spitzenreiter Wehrlein. Wer hätte das nach den ersten drei E-Prix des Jahres gedacht?

FAZIT: Konstant gute Einzelleistungen brachten Cassidy in Berlin endgültig in WM-Schlagdistanz.

3. Maximilian Günther | Maserati MSG | 8.3 Punkte

Der Knoten ist endlich geplatzt! Nach einem zermürbenden Saisonstart voller Pleiten, Blech und Pannen gelang es Maximilian Günther - ausgerechnet bei seinem Heimrennen in Berlin - das Potenzial seines Stellantis-Antriebsstrangs auszunutzen. Dieses war seit dem Hyderabad-Sieg von Jean-Eric Vergne im DS-Schwesterauto bekannt.

Der auf Platz 8 beziehungsweise 21 gestartete Günther verhielt sich im Verlauf beider Rennen stets clever und sparte im Windschatten wertvollen Strom ein. Als Sebastien Buemi (Envision) samstags dann kurz vor Schluss in Energienot geriet, schlug Günther ihn im Zielsprint um 0,111 Sekunden. Sonntags wurde Günther nach einer sagenhaften Aufholjagd Achter und nahm einen Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde mit.

FAZIT: Ein überfälliges, vollkommen verdientes Ergebnis. Aus null Punkten im WM-Stand machte Günther in Berlin 24 Zähler.

4. Sebastien Buemi | Envision Racing | 7.5 Punkte

Man muss vor Sebastien Buemi einfach den Hut ziehen. Kurz vor dem Wochenende gestand der Schweizer, dass er sich bei seinem Auffahrunfall in Sao Paulo anders als zunächst gedacht doch die rechte Hand gebrochen hatte. Mit einer Bandage unter dem Rennhandschuh wollte er zunächst nur das 1. Freie Training bestreiten, um zu schauen, wie stark ihm die fehlende Servolenkung der Formel-E-Autos zu schaffen macht.

Glücklicherweise ließ sich der Envision-Wagen besser fahren, als von Buemi befürchtet. Der Schweizer kam sogar so gut zurecht, dass er samstags mit dem Wagen auf die Pole-Position fuhr! Es war seine 16. in der Elektroserie - ein neuer Rekord.

Um Haaresbreite hätte es sogar mit einem Podium für Buemi geklappt. In der Schlussphase ging ihm jedoch der Strom aus, weswegen er auf der Zielgerade den dritten Platz an Günther verlor. Dass ihm sonntags nach einem frühen Boxenstopp null Punkte blieben, ist der einzige Schönheitsfehler von Buemis Wochenende.

FAZIT: Mal wieder wuchs der Schweizer in Berlin über sich hinaus. Ihm ist in dieser Saison auch noch ein Rennsieg zuzutrauen.

5. Jean-Eric Vergne | DS Penske | 7.3 Punkte

Das nächste Podium vom zweifachen Formel-E-Meister! Obwohl Jean-Eric Vergne ein bekennender Gegner des starken Gen3-Windschatteneffekts ist, nutzte der Franzose die Autocharakteristik insbesondere sonntags zu seinen Gunsten. Er hat das Spiel mit dem Vorfahren, Zurückfallen lassen und Investieren von Energie in den richtigen Momenten fast perfektioniert. Am Ende war es wohl der Zufall, der ihm "nur" Platz 3 einbrachte - auch ein Sieg wäre möglich gewesen.

FAZIT: Das nächste Top-Wochenende von Jean-Eric Vergne, der nun auf Gesamtrang 3 in der Fahrer-WM liegt. Nur 19 Punkte trennen ihn von Wehrlein.

6. Jake Dennis | Avalanche Andretti | 7.3 Punkte

Bei einem Überholversuch im Samstagsrennen löste mutmaßlich Dennis' "Notbremse" aus, weswegen der Brite die Kontrolle über sein Auto verlor und ausgerechnet seinen Porsche-Markenkollegen Antonio Felix da Costa abschoss. Keiner der beiden sammelte Punkte. Sonntags machte sich Dennis hingegen die erwarteten Windschattenduelle zu Nutzen, um von Startrang 7 auf das Podium zu fahren.

FAZIT: Jake Dennis fuhr ein solides Wochenende, das mit weniger Punkten belohnt wurde, als es vielleicht verdient gewesen wäre. Im WM-Kampf muss er aber einen Zahn zulegen.

7. Sam Bird | Jaguar TCS Racing | 7.3 Punkte

Kaum ein Fahrer hat in seiner Formel-E-Karriere häufiger den "Kürzeren" gezogen, als Sam Bird. Sei es in Titelentscheidungen, einzelnen Rennen oder im Duell mit seinen Teamkollegen: Oftmals musste sich der Brite hinten anstellen. Schon in Sao Paulo wurde Bird auf der Strecke von Mitch Evans geschlagen, als sie nach der gemeinsam bestrittenen Windschattenschlacht auf den Plätzen 1 und 3 ins Ziel fuhren. Ähnliches passierte in Berlin, als Bird hinter Evans Zweiter wurde.

Dass der Brite in Berlin im Schatten seines Teamkollegen, sollte ihn jedoch keineswegs entmutigen. In Deutschland sammelte er wichtige 18 Punkte, die ihn in Schlagdistanz zu den WM-Spitzenreitern halten. Bird ist immer noch voll bei der Musik.

FAZIT: Auch wenn er wohl nicht im Titelkampf mitspielen wird, ist für Sam Bird in dieser Saison noch viel möglich.

8. Nico Müller | ABT Cupra | 6.8 Punkte

Nico Müller und ABT Cupra nutzten am Sonntagvormittag den Regen ideal aus, um für den nächsten der aus der DTM bekannten ABT-Coups zu sorgen. Direkt hinter seinem Teamkollegen startete der Schweizer von Rang 2 ins Rennen, in dem er - anders als Frijns - nie den Anschluss an die Top 10 verlor. Letztlich überquerte Müller den Zielstrich auf Position 9 und sammelte seine ersten Punkte des Jahres.

FAZIT: Vor allem am Sonntag fuhr Müller ein fantastisches Qualifying und Rennen. Diese Punkte hat er sich hart erarbeitet und mehr als verdient.

9. Robin Frijns | ABT Cupra | 6.5 Punkte

Es ist eine alte Motorsport-Binsenweisheit: Bei schlechtem Wetter machen gute Fahrer den entscheidenden Unterschied. Gewiss spielte auch das Setup des ABT-Renners bei seiner Pole-Position-Runde eine Rolle. Doch das Selbstbewusstsein, mit dem Robin Frijns seinen Wagen im Sonntags-Qualifying pilotierte, hob ihn von all seinen Rivalen ab. Mit Tränen in den Augen feierte ABT Frijns' Erfolg - und dieser ist vollkommen verdient!

FAZIT: Auch, wenn es in den Rennen nur nach hinten ging, darf Frijns zufrieden mit seinem Berlin-Wochenende sein. Im Regen ist der Niederländer eine echte Bank.

10. Pascal Wehrlein | TAG Heuer Porsche | 6.3 Punkte

Nach dem raketenartigen Saisonstart glaubten einige im Formel-E-Paddock schon, Pascal Wehrlein hätte nach wenigen Rennen schon eine Hand am WM-Titel. Doch eine Handvoll mittelmäßige Ergebnisse sorgten dafür, kombiniert mit dem immer besser werdenden Tempo der Jaguar-Antriebsstränge, dass der Deutsche in Bedrängnis gerät.

Nur noch vier Punkte trennen ihn an der Spitze der Fahrerwertung von Nick Cassidy. Obwohl Wehrlein in Berlin zwei gute Rennen fuhr, fiel er den erwarteten Windschattenduellen zum Opfer und blieb ohne Top-5-Ergebnis.

FAZIT: Porsche verpasste den richtigen Zeitpunkt, um in den Rennen das Tempo zu erhöhen. In den Vollstrom-Zieleinläufen hatte Wehrlein somit keine Gelegenheiten mehr, anzugreifen.

So hat die Redaktion abgestimmt:
Fahrer Tobias Bluhm Timo Pape Svenja König Tobias Wirtz Durchschnitt
01. Mitch Evans 9 8 9 9 8,75
02. Nick Cassidy 9 8 9 9 8,75
03. Maximilian Günther 8 8 8 9 8,25
04. Sebastien Buemi 8 7 7 8 7,50
05. Jean-Eric Vergne 8 7 7 7 7,25
06. Jake Dennis 7 7 7 8 7,25
07. Sam Bird 8 6 7 8 7,25
08. Nico Müller 7 7 6 7 6,75
09. Robin Frijns 7 6 6 7 6,50
10. Pascal Wehrlein 6 6 6 7 6,25
11. Antonio Felix da Costa 6 6 6 7 6,25
12. Stoffel Vandoorne 5 7 5 7 6,00
13. Andre Lotterer 4 5 5 7 5,25
14. Sacha Fenestraz 5 5 2 7 4,75
15. Lucas di Grassi 6 5 3 5 4,75
16. Jake Hughes 4 5 5 6 4,75
17. Dan Ticktum 5 6 2 5 4,50
18. Edoardo Mortara 3 3 5 6 5,25
19. Oliver Rowland 4 5 3 5 4,25
20. Norman Nato 4 4 2 6 4,00
21. Sergio Sette Camara 4 4 3 5 4,00
22. Rene Rast 4 4 4 4 4,00

 

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1 Kommentare

Sarah ·

Irgendwie habt ihr zweimal Andre Lotterer und dafür fehlt Jake Hughes ?

Antwort von Tobias Bluhm

Hallo Sarah, danke für deinen Hinweis! Wir haben den Fehler korrigiert.

Liebe Grüße aus der Redaktion!

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