Formel E

Jaguar-Chairman Mäuser im Formel-E-Interview: Qualifying-Format-Anpassungen für Saison 8 "ziemlich sicher" - mit 3 möglichen Varianten

Timo Pape

Timo Pape

Jaguar-Formula-E-Car-Season-7-New-York

Nach drei Jahren als Marketingchef bei Jaguar Land Rover konzentriert sich Gerd Ernst Mäuser seit 2018 als Chairman auf Jaguar Racing und die Formel E. Seitdem mauserte sich der britische Rennstall zu einem Spitzenteam. Auf dem Weg zum ersten Titel scheint vor allem ein Hindernis zu stehen: das umstrittene Qualifying-Format der Elektroserie, das die Topfahrer in Gruppe 1 benachteiligt.

Beim New York E-Prix haben wir uns mit dem gebürtigen Berliner Mäuser in der Boxengasse zusammengesetzt und unter anderem über das offiziell immer noch ausstehende Gen3-Commitment Jaguars sowie über die inzwischen beendete Jaguar I-Pace eTrophy unterhalten. Das spannendste Thema im Exklusiv-Interview mit 'e-Formel.de' waren jedoch die möglichen Qualifying-Anpassungen für die kommende Saison 2022.

Herr Dr. Mäuser, Jaguar hat sich seit Saison 3 Jahr für Jahr verbessert und inzwischen eines der besten Autos in der Formel E. Wie bewerten Sie die Entwicklung in den vergangenen Jahren?

Positiv. Natürlich sind wir im Moment durch das Qualifying-Format immer etwas benachteiligt - ich glaube, Mitch war in den letzten 20 Rennen 18 Mal in Gruppe 1. Das macht es natürlich extrem schwer bei der gewöhnlichen 'Track Evolution'. Wir haben die Pace und auch hervorragende Fahrer, aber unser Problem ist das Qualifying-Format - das tut uns nicht gut. Deshalb arbeiten wir für die nächste Saison an einem anderen sportlichen Format für das Qualifying.

Welche Überlegungen gibt es?

Es gibt drei verschiedene Varianten, an denen wir arbeiten. Die erste Option wäre wie ein Freies Training, sodass jeder einfach 30 Minuten fährt, wann immer er will, und die schnellste Runde zählt. Eine andere Variante wären Knock-out-Rennen, in denen immer zwei Fahrer auf die Strecke gehen. Der Gewinner käme dann jeweils weiter. Die dritte Option: Man nimmt nicht (gruppenübergreifend) die Top 6 für die Super-Pole, sondern die besten zwei Fahrer aus jeder Gruppe.

Eigentlich wurde ja das Sportliche Reglement kürzlich bereits verabschiedet. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass es trotzdem noch für Saison 8 eine Anpassung geben wird?

Von dem, was ich so höre, bin ich ziemlich sicher, dass es nächstes Jahr ein neues Qualifying-Format geben wird. Es gibt dabei drei Beteiligte: die FIA, die Formel E und die Teams. Aber welche Variante es von den genannten wird, oder ob es vielleicht sogar noch eine vierte gibt, weiß ich nicht. Mir persönlich würde am besten Variante 1 gefallen, also 30 Minuten im Kreis fahren.

Das erscheint mir mit Blick auf den Unterhaltungswert die unattraktivste Option…

Sie fragen mich ja jetzt in meiner Rolle als Teamverantwortlicher… Wenn man nur auf die Show schaut, dann ist die aktuelle Lösung natürlich am besten. Wenn man als Formel E oder Fans also spannende Rennen sehen will - wir hatten in dieser Saison neun verschiedene Sieger (in elf Rennen) -, dann müssen wir es so lassen. Aber: Die Gefahr ist, dass der Zufall überhandnimmt. Die besten Fahrer werden nicht unbedingt Weltmeister.

Tatsächlich gab es schon länger keinen klassischen Zwei- oder Dreikampf um den Titel mehr…

Die Langeweile der Formel 1 in den letzten Jahren, wo es nur darum ging, ob Hamilton gewinnt oder nicht, brauchen wir nicht. Wir wollen schon eine gute Show und Abwechslung. Aber wir müssen es auch schaffen, dass die vier, fünf, sechs besten Fahrer auch die Chance haben, Weltmeister zu werden. Und das ist abhängig vom Qualifying-Format.

Es geht Ihnen also um sportliche Fairness?

Genau darum geht's. Schauen Sie sich Mercedes an - die haben das gleiche Problem. Sie sind toll in die Saison gestartet, und nun durch das Quali-Format… Wenn du in Gruppe 1 fährst, bist du halt einfach benachteiligt. Der Unterschied ist fast eine Sekunde zwischen Gruppe 1 und Gruppe 4! Wenn dann im Freien Training das gesamte Feld innerhalb von einer Sekunde liegt, hast du keine Chance.

Sam Bird führt aktuell die WM an, und auch Mitch Evans zählt zu den stärksten Fahrern der Formel E. Wie bewerten Sie ihr aktuelles Line-up?

Sehr gut - es geht nicht viel besser, oder? (lacht)

Die Zukunft von Evans ist allerdings noch nicht geklärt. Wie schaut es aus für Saison 8?

Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass wir nächstes Jahr mit demselben Line-up starten werden wie in dieser Saison. Es ist noch nicht zu 100 Prozent sicher, aber viel fehlt nicht mehr.

Anschließend startet in Saison 9 die Gen3 der Formel E. Zwar hat Teamchef James Barclay in Interviews bereits erklärt, dass Jaguar an Bord bleibe. Eine offizielle Bestätigung seitens Jaguar gibt es aber noch immer nicht.

Nein, die gab es noch nicht. Aber auch da bin ich sehr zuversichtlich, dass Jaguar bei der dritten Generation dabei ist.

Im Gegensatz zu Audi und BMW…

Ja, wobei ich beide Entscheidungen eigentlich nicht richtig nachvollziehen kann. Aber das ist nicht mein Thema, sondern das von BMW und Audi.

Jaguar will bis 2025 eine komplette Elektromarke sein. Strategisch scheint die Formel E also zu passen.

Die Formel E passt wie die Faust aufs Auge in unsere 'Reimagine'-Strategie, die unser CEO Thierry Bollorewie im Februar vorgestellt hat. Außerdem ist das Zuschauerinteresse super - wir hatten vor New York schon einen Zuschauerzuwachs von 125 Prozent, also mehr als in der ganzen letzten Saison, wenngleich hier natürlich auch Corona eine Rolle gespielt hat. Speziell in Deutschland ist die Entwicklung mit ProSiebenSat.1 toll. Man kann alles verfolgen und bekommt das Rennen sogar auf Sat.1.

In Sachen I-Pace eTrophy hat Jaguar vor gut einem Jahr hingegen den Stecker gezogen. Was ist aus den Autos geworden?

Die sind alle noch im Einsatz, werden aber ganz unterschiedlich genutzt. Die meisten laufen als Demofahrzeuge in unterschiedlichen Märkten: Kunden können Hotlaps mit ihnen fahren, um zu sehen, was im I-Pace für ein Potenzial steckt. Andere fahren irgendwo auf der Welt privat auf Rundstrecken herum, wieder andere werden von Händlern als Ausstellungsfahrzeuge genutzt.

Besteht die Chance auf eine Neuauflage des Markenpokals im Rahmen der Formel E?

So eine Rennserie stellt man nicht einfach mal so auf die Beine. Dafür sind ungeheure Vorbereitungen notwendig: Sie brauchen Autos, diese müssen Sie umbauen. Sie müssen ein Reglement entwickeln, brauchen eine FIA-Genehmigung. Corona ist die eine Sache, aber jetzt stecken die Autohersteller auch noch in einer Halbleiter-Krise. Es sind unsichere Zeiten, und wir alle befinden uns noch immer mitten in der Transformation vom Verbrenner zum Elektroauto. All das erlaubt uns derzeit nicht, noch einmal darüber nachzudenken. So schnell wird das nicht wieder passieren.

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1 Kommentare

Derbe_klopp_te ·

Die Überlegungen mit den verschiedenen Versionen der Qualy find ich interessant.
Version 1:
30 min, freie Fahrt. Könnte ein bisschen Eng werden auf der Strecke, es sind immerhin fast alles Stadtkurse und wie immer wollen alle zuletzt fahren.
Version 2: 1 vs 1 Knock out. Das dauert zu lange, zumal ja auch alle Platzierungen ausgefahren werden müssen --> das wird nicht passieren.
Version 3: Pro Gruppe kommen 2 weiter für ein finales Shoot-out.
Immernoch die beste Variante. Ich finde da aber komisch, dass auch die schlechteste Gruppe sicher 2 Fahrer ins Shoot-out bekommt. Ich würde diese Version leicht adaptieren und sagen: Aus der ersten Gruppe (WM-Spitzenreiter) kommen garantiert 3 weiter, aus der zweiten Gruppe 2 und der Dritten gruppe 1. Die restlichen 4 Fahrer werden aus dem Gesamtklassement gewählt. Dann hat man 10 Fahrer die irgendwie die Top10 untereinander ausfahren müssen...

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