Formel E

Jaguar jubelt über historischen Formel-E-Dreifachsieg in Sao Paulo: "Szenen aus Indien im Hinterkopf"

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Podium-Celebrations-Jaguar-TCS-Racing-Sao-Paulo

Am Ende eines hektischen Sao Paulo E-Prix 2023 hatte der Formel-E-Hersteller Jaguar besonders großen Grund zur Freude: Alle drei Fahrer auf dem Podium in Brasilien waren mit Antriebssträngen der "Raubkatze" ausgestattet. Das kam in der Formel-E-Geschichte erst zweimal vor. Nach dem E-Prix dankte das Jaguar-Duo, Mitch Evans und Sam Bird, vor allem den Mitarbeiter:innen hinter den Kulissen des Renngeschehens und erklärte die Nachwirkungen des Teamkollegen-Crashs beim Hyderabad E-Prix.

Jaguar-Teamchef James Barclay ist einer der eher zurückhaltenden Charaktere im Formel-E-Fahrerlager. Der Südafrikaner wählt seine Worte mit Bedacht, sagt meistens lieber zu wenig als zu viel. Wenn es für sein Rennteam auf der Strecke aber gut läuft, sprudeln die Emotionen ungebremst aus ihm heraus. So auch nach dem Rennsamstag in Sao Paulo: Seine Werksfahrer Mitch Evans und Sam Bird erreichten die Plätze 1 und 3. Kundenpilot Nick Cassidy (Envision) schaffte es zudem auf Rang 2. Und Barclay war außer sich vor Freude.

Seine kraftvollen Schläge in die Luft zeugten von der Erleichterung, die sich im Team nach einem zähen ersten Saisondrittel für Jaguar ausbreitete. Während Porsche mit seinem Kundenteam Andretti an den ersten vier Rennwochenenden nahezu konkurrenzlos war, beschäftigte sich Jaguar vor allem mit sich selbst. Eine Kollision der Teamkollegen Evans und Bird in Hyderabad war der bisherige Tiefpunkt der Saison: Nach einem Fahrfehler rauschte Bird in das Heck des Schwesterautos und besiegelte somit den ersten Doppelausfall eines Teams in der Saison 2023.

Für den Unfall sprach die FIA damals eine Rückversetzungsstrafe gegen Bird aus, die er erst beim E-Prix in Sao Paulo einlöste - ein Unfall im Kapstadt-Qualifying verhinderte in Südafrika einen Start des Briten und somit die Anwendung der Strafe. Statt Startplatz 5 blieb für Bird nur der zehnte Rang in der Startaufstellung. Keine schlechte Ausgangslage, gewiss aber auch nicht die beste.

Evans übernimmt Führung erst in der Schlussphase

Evans, der in Sao Paulo sein Qualifying-Viertelfinale gegen Bird gewann, startete hingegen von Platz 3. Im Verlauf des Rennens wechselte die Führung mehrfach, ehe der Neuseeländer schließlich in der 32. von 35 Runden die Spitzenposition übernahm. Späte Angriffe von seinem Landsmann Nick Cassidy wehrte Evans gekonnt ab und besiegelte somit seinen ersten Sieg in der Gen3-Ära der Formel E.

Rennsieger Evans: "Hinter uns liegt eine schwere Zeit"

"Hinter uns liegt eine schwere Zeit", sagt Evans, der dabei auf die Teamkollegen-Kollision in Hyderabad anspielt. "Umso schöner ist es, jetzt gewonnen zu haben, und dann noch mit einem Dreifachsieg! Nick (Cassidy) hat mich regelrecht ins Ziel getrieben, aber unser Ergebnis liegt vor allem daran, dass wir uns teamintern antreiben. In unserem Projekt stecken viel harte Arbeit, viele Stimulationen und strategische Überlegungen. Am Ende ging es nur um die Positionierung auf der Strecke und um meinen Energievorteil, den ich mir in der ersten Phase des Rennens aufgebaut habe."

Auch Sam Bird, der in Sao Paulo zahlreiche Überholmanöver aneinanderreihte, um in der Schlussphase sogar mit Cassidy um Platz 2 kämpfen zu können, gesteht, während des Rennens an den Unfall in Hyderabad gedacht zu haben. "Ich bin etwas enttäuscht, weil ich mit einem großen Energievorteil zu den Führenden aufgeschlossen habe, und mehr möglich gewesen wäre. Dann hatte ich aber wieder die Szenen aus Indien im Hinterkopf, weshalb ich entschied, mich zurückzuhalten und die Punkte für das Team mitzunehmen."

"Für den Rennstall freut es mich aber riesig", führt Bird weiter aus. "Ich ziehe meinen Hut vor allen, die hier an der Strecke und zu Hause im Werk daran gearbeitet haben. Ich bin mir nicht sicher, ob es einen solchen Dreifachsieg jemals in der Formel E gab - einfach großartig!" Einen Dreifach-Sieg für einen Hersteller gab es in der Elektroserie tatsächlich schon zweimal: beim Berlin E-Prix 2022 (Sonntag), als Nyck de Vries vor seinen damaligen Markenkollegen Edoardo Mortara und Stoffel Vandoorne gewann, sowie in Santiago 2018 mit den Renault-Fahrern Jean-Eric Vergne (für das Kundenteam Techeetah), Sebastien Buemi und Nico Prost.

Jaguar verringert Rückstand in der Team-WM

James Barclay dürfte demnach mit Zuversicht auf das nächste Zusammentreffen der Jaguar-Racing-Führungsetage blicken. Denn Envision und Jaguar machten dank des Sao-Paulo-Ergebnisses auch in der Teamwertung einen großen Satz nach vorn. Zwar führt Porsche weiterhin die WM-Tabelle an, doch der Vorsprung auf die "Raubkatzen" beträgt "nur noch" 41 beziehungsweise 61 Punkte.

In der Fahrerwertung ist Cassidy, der nun bei drei aufeinanderfolgenden Rennen auf dem Podium stand, neuer Dritter. Ihm fehlt nur ein Zähler auf Jake Dennis (Andretti). Die Werkspiloten Bird und Evans liegen auf den Rängen 6 und 9.

Inoffizielle Hersteller-Wertung der Formel E

Platz Hersteller Punkte
1 Porsche (Porsche, Andretti) 224
2 Jaguar (Jaguar, Envision) 186
3 Nissan (Nissan, McLaren) 90
4 DS/Maserati (DS, Maserati) 85
5 Mahindra (Mahindra, ABT) 26
6 Nio 333 (kein Kundenteam) 19

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