Formel E

"Nach 10 Jahren endlich am Ziel" - di Grassi & Sette Camara vorfreudig auf Formel-E-Heimrennen in Sao Paulo

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Lucas-di-Grassi-Fans-Podium-Flag-Brazil-Mexico

Nach drei gescheiterten Versuchen, die Formel E nach Brasilien zu locken, soll er am kommenden Wochenende (25. März) endlich gelingen: der erste E-Prix in Sao Paulo! Insbesondere die Lokalmatadoren Lucas di Grassi (Mahindra) und Sergio Sette Camara (Nio 333) freuen sich auf ihr Heimrennen. Nach jahrelangen Anlaufschwierigkeiten sei es eine "riesige Ehre", endlich vor den eigenen Fans fahren zu können.

Seit Wochen hetzt Lucas di Grassi von einem Pressetermin zum nächsten. In Sao Paulo gibt es kaum einen Radiosender und kaum eine Zeitung mehr, in denen der Brasilianer noch nicht die Werbetrommel für das Formel-E-Rennen gerührt hat. Der 38-Jährige ist eloquent und voller Leidenschaft für den E-Prix. Das macht ihn zu einem dankbaren Interviewpartner - und zum idealen Botschafter für die Elektroserie in Brasilien.

Schon mehrfach hatte die Formel E versucht, im größten Land Südamerikas Fuß zu fassen. Vor Saison 1 war Rio de Janeiro Teil des Rennkalenders, ehe das Auftaktrennen nach Peking verlegt und logistische Probleme den Organisator:innen einen Strich durch die Rio-Rechnung machten. 2018 sollte es in Sao Paulo gelingen, doch Verzögerungen bei der Privatisierung des vorgesehenen Austragungsorts bereiteten abermals Probleme. 2021 zerschlugen sich Pläne für einen neuerlichen Versuch in Rio de Janeiro an politischen Einflüssen. Nun also der vierte Versuch - wieder in Sao Paulo.

"Riesige Ehre" nach jahrelanger Arbeit von Lucas di Grassi

"Ich komme aus der Stadt, bin nur wenige Minuten (von der Strecke) entfernt geboren und aufgewachsen", erklärt di Grassi die Gründe für seine Vorfreude auf das Heimrennen. "Vor meinen Heimfans zu fahren, ist ein Traum seit meinem ersten Formel-E-Rennen. Es war schon ein paarmal in Reichweite und hat nicht ganz geklappt, aber nach zehn Jahren harter Arbeit und Ausdauer sind wir endlich am Ziel. Das wird sehr emotional für mich - und eine riesige Ehre!"

Die Unterstützung "seiner" Fans kann der Meister der Formel-E-Saison 2016/17 gut gebrauchen. Di Grassi startet in einer denkbar ungünstigen Meisterschaftsposition ins Brasilien-Wochenende: Nur 18 Punkte konnte er an den ersten vier Rennwochenenden erzielen, allesamt dank seiner Pole-Position und des überraschenden Podiums beim Auftakt in Mexiko-Stadt.

Seine Ergebnisse seitdem: Platz 13, Platz 15, Platz 14. Hinzu kommt die Ungewissheit zu Mahindras Hinterradaufhängungen: Aus Sicherheitsbedenken zog sich sein Rennteam zuletzt vom Kapstadt E-Prix zurück, di Grassi verpasste zum ersten Mal in seiner Formel-E-Karriere einen Rennstart.

Mahindra verstärkte Aufhängung nach Kapstadt-Debakel

In den vergangenen Wochen, während di Grassi durch Sao Paulo tourte, arbeitete der indische Hersteller mit Hochdruck an technischen Verbesserungen. Die Querlenker wurden verstärkt, sodass das Problem nicht mehr auftreten soll. Zumindest in der Theorie. Denn ob die Anpassungen auf der voraussichtlich sehr buckeligen Highspeed-Piste am Sambadrom wirken, bleibt vorerst abzuwarten. Auch das deutsche Team ABT Cupra, das seine Aufhängungen und Antriebe von Mahindra bezieht, hofft auf eine Trendwende.

Sergio Sette Camara, der zweite brasilianische Fahrer im Formel-E-Feld, freut sich ebenfalls auf sein Heimrennen - auch wenn der aus Belo Horizonte stammende Rennfahrer rund siebeneinhalb Autostunden entfernt vom Rennort aufwuchs. "Die Motorsportkultur in Brasilien ist sehr groß", sagt Sette Camara. "Sie geht von den Großeltern über die Eltern auf die Kinder über."

"Ich erinnere mich daran, wie ich Rennen mit meinem Großvater, meinem Vater und meinem Onkel geschaut habe, und sie alle stark von Emerson Fittipaldi und Nelson Piquet sr. beeinflusst wurden. Das gaben sie an uns Kinder weiter, und wir haben gelernt, unsere Idole zu schätzen. Ich wuchs wiederum mit Rubens Barrichello und Felipe Massa auf und sah, wie er mit Ferrari Rennen gewann. Da dachte ich: 'Wow, er fährt das berühmte rote Auto und gewinnt Rennen. Das möchte ich auch einmal tun - das ist machbar!'"

Nio 333 in bester Ausgangslage seit 5 Jahren

Sette Camara durchlief einige Nachwuchsserien und schaffte es bis in die Formel 2, ehe er 2020 in die Formel E wechselte. Dort fährt er zwar kein rotes Auto (mehr), doch auch der blau-weiße Bolide von Nio 333 war in dieser Saison schon für mehrere Überraschungen gut. Insbesondere im Qualifying überzeugten Sette Camara und sein Teamkollege Dan Ticktum die Chefetage des britisch-chinesischen Rennstalls. "Beide haben sehr viel Potenzial - trotz ihres geringen Alters", lobte Teamchef Alex Hui sein Duo jüngst in einem Interview auf der offiziellen Formel-E-Webseite.

"Sergio ist ein sehr, sehr harter Arbeiter. Er baut viele Details in sein Feedback zum Auto ein, was uns enorm hilft." Genau dieses Feedback dürfte Nio 333 benötigen, um am Rennsamstag in Sao Paulo (Rennstart 18:00 Uhr (MEZ), live auf ProSieben) erfolgreich zu sein. In der Teamwertung liegt der Rennstall dank eines fünften Platzes von Sette Camara in Hyderabad (Indien) auf Gesamtposition 8, die beste Platzierung seit der Saison 2017/18.

Zurück

0 Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 1 und 4.
Advertisement