Formel E

Kann noch jemand Dennis den WM-Titel entreißen? Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Rom E-Prix 2023

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

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Mit dem erst vierten "Grand Slam"-Sieg in der Formel-E-Geschichte brachte sich Jake Dennis in Rom endgültig in die beste Ausgangslage, um den Titel der Saison 2023 zu gewinnen. Bei beiden Läufen in Italien lief der Brite zur Bestform auf, während seine Rivalen strauchelten. Unser Fahrer-Rating.

Nach jedem Lauf der Formel-E-Saison 2023 vergeben unsere Redakteur:innen Punkte auf einer Skala zwischen 1 und 10 für alle Piloten. Anschließend werden sie nach ihrem durchschnittlichen "Rating-Score" sortiert. Die besten zehn Leistungen kommentiert unser Formel-E-Reporter Tobias Bluhm. In die Wertung fließen ausschließlich die individuellen fahrerischen Leistungen ein, nicht das Potenzial des Autos oder äußere Umstände.

Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Hankook Rom E-Prix 2023

1. Jake Dennis | Avalanche Andretti | 9.0 Punkte

Noch nie war er dem Titel so nah. Nach einem mal wieder herausragenden Formel-E-Wochenende in Rom ist Jake Dennis vor dem Saisonfinale nun der klare Favorit auf die Meisterschaft. Vor allem im Sonntagslauf von Italien konnte er glänzen und erzielte einen "Grand Slam", bestehend aus der Pole-Position, schnellsten Rennrunde, dem Abschließen aller Runden auf Platz 1 und dem Rennsieg.

Auch schon tags zuvor, als der 28-Jährige aufgrund eines Strategiefehlers "nur" Vierter wurde, zeigte er seine gesamte individuelle Klasse. Jaguar hatte in Rom wohl das beste Auto, und trotzdem konnte Dennis zwei Top-Ergebnisse einfahren. Aus diesem Material sind Champions gemacht.

FAZIT: Nach dem Rom-Wochenende kann Dennis den Titel nur noch verlieren, wenn er ihn selbst aus der Hand gibt.

2. Nick Cassidy | Envision Racing | 8.3 Punkte

Was für eine Achterbahnfahrt der Emotionen! Nachdem Nick Cassidy samstags von Platz 9 auf den zweiten Platz fuhr - natürlich auch ein wenig unterstützt von den vielen Ausfällen -, konnte er es auch am Sonntag mit den Jaguar-Werksfahrern und Jake Dennis aufnehmen. Nach einem Top-Qualifying mischte er in der Startphase noch vorn mit, dann schoss ihn Mitch Evans in Kurve 7 ab.

Der kontroverse Unfall wird noch tagelang in Cassidys Kopf herumgeistern. Dabei hätte er selbst nichts an der Situation ändern können. Reif nahm er nach dem Rennen die Entschuldigung von Evans an, doch die verlorenen Punkte schmerzen seinen WM-Ambitionen sehr. In London steht er vor einer schweren Aufgabe.

FAZIT: Cassidy machte in Rom alles richtig, und verlor doch Boden auf Dennis. Wie bitter!

3. Norman Nato | Nissan | 7.5 Punkte

"Glückwunsch auch an Norman", funkte Nick Cassidy nach dem Sonntagsqualifying. "Der Typ ist so unterschätzt." Besser kann man es wohl kaum zusammenfassen. Wenngleich Norman Nato in der bisherigen Saison vor allem mit Unscheinbarkeit "auffiel", lief der Franzose in Rom zu seiner besten Form seit langem auf. Ein Software-Update bei Nissan half ihm dabei, zum ersten Mal seit seinem Berlin-Sieg 2021 ganz vorn mitzufahren.

Bei seinem zweiten Platz am Sonntag wurde zwar die Ineffizienz seines Autos gegenüber Jaguar deutlich, doch mit klugen Verteidigungsmanövern und Rennintelligenz hielt er sich bis zum Schluss vor Sam Bird. Nato erzielte somit Nissans erstes Podium seit dem Kauf von e.dams - ein Erfolg, den das Team um den italienischen Teamchef Tommaso Volpe gebührend gefeiert haben dürfte.

FAZIT: Nato zählte sonntags zu den besten Fahrern - nicht nur auf der Ergebnisliste, sondern auch in Sachen Renntempo.

4. Maximilian Günther | Maserati MSG | 7.3 Punkte

Inmitten von Transfergerüchten um die eigene Person derart abgebrüht zu bleiben, verdient durchaus Anerkennung. Maximilian Günther absolvierte auch in Rom ein gutes Wochenende, bei dem er seinem Team Maserati - beim Heimspiel noch dazu - erneut ein Podium bescherte. Auch sonntags sammelte er wichtige Punkte, dank denen das Team endgültig zum Stellantis-Konzernrivalen DS aufholte.

FAZIT: Günther ist und bleibt der bessere Maserati-Fahrer in diesem Jahr.

5. Sebastien Buemi | Envision Racing | 7.0 Punkte

Sebastien Buemi zählt zu den Fahrern, die im Samstagsrennen in den schweren Auffahrunfall involviert waren. Nachdem der Schweizer mit dem stehenden Fahrzeug von Sam Bird (Jaguar) kollidierte, überschlug er sich fast, ehe er noch einen weiteren Schlag von Antonio Felix da Costa (Porsche) abbekam. Da im Antriebsstrang mutmaßlich Flüssigkeiten austraten, fing sein Auto dabei sogar Feuer: Das gab es in der Formel E noch nie!

Nach einem kompletten Neubau seines Autos startete Buemi am Sonntag mit einem Reservechassis von Spark. Dass er den in einer Nachtschicht zusammengeflickten Wagen dann sogar auf Platz 5 ins Ziel bringen konnte, grenzt an eine Sensation.

FAZIT: Eine emotionale Achterbahnfahrt endet in Rom mit versöhnlichen zehn Punkten. Sie könnten im Kampf um die Team-WM entscheidend werden.

6. Mitch Evans | Jaguar TCS Racing | 7.0 Punkte

Für Mitch Evans war der Hankook Rom E-Prix ein Event der zwei Hälften. Vor dem Wochenende wurde er als großer Favorit im Fahrerlager gehandelt, schon allein aufgrund seines Doppelsiegs aus dem Vorjahr. Doch dass er am Samstag dieses Resultat wiederholte, zeugt von seiner großen individuellen Klasse.

Relativ wenig davon bekamen Formel-E-Fans allerdings in der zweiten Runde am Sonntag zu sehen, als er von dem vor einer Kurve bremsenden Nick Cassidy "überrascht" wurde und die Kontrolle über sein Auto verlor. Evans entschuldigte sich nach dem Rennen und sah seinen Fehler ein.

FAZIT: Das Wochenende startete herausragend, doch trotzdem reißt Evans als Buhmann aus Rom ab. Für ihn wird es im Titelkampf jetzt sehr schwer.

7. Sam Bird | Jaguar TCS Racing | 6.5 Punkte

Selten erlebte man Sam Bird derart emotional wie nach dem Sonntagsrennen. In der Pressekonferenz kämpfte er mit den Tränen und sagte: "Ich habe in den letzten Wochen oft in den Spiegel geschaut. Was ich dort gesehen habe, war nur ein mittelmäßiger Rennfahrer." Am zweiten Tag in Rom stellte der Brite allerdings unter Beweis, dass er es doch noch kann: Einem Top-Qualifying folgte mit Position 3 im Rennen das nächste Podium seiner Saison.

Seine Einzelleistung dürfte "too little, too late" sein, um sich auch 2024 noch bei Jaguar einbringen zu können. Es könnte eines seiner letzten Podien für längere Zeit gewesen sein, wenn man Birds Optionen für das nächste Jahr abwägt (Nissan, Mahindra, vielleicht Andretti). Und trotzdem: Nach seinem schweren Unfall am Samstag, der weitaus schlimmere Konsequenzen hätte haben können, so zurückzukommen, zeugt von seiner nach wie vor großen Klasse.

FAZIT: Im Blick auf die gesamte Saison wirkt das Podest wie ein Pflaster auf einer klaffenden Platzwunde. Und dennoch: Dieser Sonntag tat Bird und seinem Selbstbewusstsein gut!

8. Edoardo Mortara | Maserati MSG | 6.5 Punkte

(Zu) lange hat es gedauert, bis sich Edoardo Mortara in der WM-Wertung der Formel E ernsthaft einbringen konnte. Wenngleich Maserati-Teamchef James Rossiter nicht müde wurde, Mortaras Rolle bei Günthers Jakarta-Erfolg zu betonen, so fehlten dem Schweizer zuletzt die Ergebnisse, um seinen angeblichen Zwei-Jahres-Vertrag zu rechtfertigen.

Am Sonntag in Rom schien allerdings auch bei Mortara der Knoten zu platzen. Mit Platz 4 erzielte er sein bestes Saisonergebnis und sammelte fast die Hälfte seiner 2023 erzielten Punkte. Weiter so!

FAZIT: Gut Ding will Weile haben. Hoffentlich kann Mortara in London an seine Rom-Pace anknüpfen.

9. Nico Müller | ABT Cupra | 6.5 Punkte

ABT Cupra bekommt in diesem Jahr vom Antriebspartner Mahindra viele Steine in den Weg gelegt. Ein Software-Problem im 0. Freien Training beeinträchtigte die "Äbte" auch noch in FP1, wodurch Müller und Frijns mit einem Handicap in das Wochenende starteten. Dennoch performte insbesondere der Schweizer gut, behielt in der Hitze von Rom einen kühlen Kopf und erzielte an beiden Renntagen WM-Punkte. Zu Beginn der Saison wäre das wohl noch nicht möglich gewesen.

FAZIT: Wer hinten fährt, muss am härtesten arbeiten. Dieser Aufwand hat sich für ABT Cupra in Rom gelohnt.

10. Sacha Fenestraz | Nissan | 6.3 Punkte

In der Fahrer-WM fiel Fenestraz am Wochenende hinter Norman Nato zurück, doch das liegt vor allem am Podiumsergebnis seines Teamkollegen. Fenestraz selbst wartet noch auf sein erstes Top-3-Resultat, das auch am Rom-Wochenende vollkommen verdient gewesen wäre. Ein Batteriewechsel am Sonntag durchkreuzte jedoch seine Pläne. Ausgehend vom letzten Startplatz war für ihn kein besseres Ergebnis als Rang 16 drin.

FAZIT: Fenestraz' Rom-Höhepunkt war wohl Startplatz 3 am Samstag. Dennoch ein vielversprechendes Wochenende vom Franzosen. Mal wieder.

So hat die Redaktion abgestimmt:
Fahrer Tobias Bluhm Timo Pape Svenja König Tobias Wirtz Durchschnitt
01. Jake Dennis 9 9 9 9 9,00
02. Nick Cassidy 9 8 9 7 8,25
03. Norman Nato 7 8 7 8 7,50
04. Maximilian Günther 7 7 7 8 7,25
05. Sebastien Buemi 6 7 7 8 7,00
06. Mitch Evans 7 7 7 7 7,00
07. Sam Bird 8 6 6 6 6,50
08. Edoardo Mortara 6 7 6 7 6,50
09. Nico Müller 7 7 5 7 6,50
10. Sacha Fenestraz 7 5 6 7 6,25
11. Rene Rast 5 7 5 6 5,75
12. Sergio Sette Camara 6 6 5 6 5,75
13. Dan Ticktum 5 6 5 5 5,25
14. Jean-Eric Vergne 4 6 5 6 5,25
15. Lucas di Grassi 5 6 2 6 4,75
16. Pascal Wehrlein 4 6 3 6 4,75
17. Stoffel Vandoorne 4 4 5 6 4,75
18. Antonio Felix da Costa 5 4 5 5 4,75
19. Andre Lotterer 5 5 2 5 4,25
20. Robin Frijns 5 4 3 5 4,25
21. Jake Hughes 4 4 3 3 3,50
22. Roberto Merhi 2 3 2 3 2,50

 
* Tie-Breaker bei Punktegleichstand: höhere Einzelwertung im Fahrer-Rating. Tie-Breaker bei identischen Punkten: besseres Rennergebnis.

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