Formel E

Klassische Rennstrecken, modulare Leistung, Events mit der F1: Wie sich die Formel E verändern könnte - und nicht sollte!

Timo Pape

Timo Pape

BMW-Formula-E-Car-Fast-Corner-Valencia

Die Formel E wird in den kommenden Jahren immer schneller und womöglich aus dem einen oder anderen engen Stadtkurs "herauswachsen". Doch sind Rennen auf permanenten Strecken wie jüngst in Valencia die Lösung? Während Lucas di Grassi ein Hybridsystem mit modularem Antriebskonzept vorschlägt, diskutieren Formel E und Formel 1 über gemeinsame Events. Wir sehen das Ganze allerdings noch mal ein bisschen anders.

Immer wieder berichteten wir in den vergangenen Monaten über eine mögliche Fusion von Formel E und Formel 1 in der Zukunft. Vor allem Formel-E-Gründer Alejandro Agag facht dieses Thema immer wieder an. Kurz- und mittelfristig ist ein solcher Schritt wohl noch nicht realisierbar. Tatsächlich haben Formel E und Formel 1 aber bereits informelle Gespräche über die Organisation gemeinsamer Rennveranstaltungen geführt.

Laut 'The Race' soll es sich um eine private Diskussion zwischen Agag mit dem neuen Formel-1-Präsidenten Stefano Domenicali gehandelt haben. Das Gespräch habe schon im vergangenen Jahr in Italien stattgefunden und soll sich um gewisse Formel-1-Events auf Stadtkursen in den Saisons 2022 oder 2023 gedreht haben, heißt es. Etwa um den Austragungsort Mexiko-Stadt, denn beide Rennserien fahren regulär seit ein paar Jahren im Autodromo Hermanos Rodriguez. Auch der Singapur Grand Prix sowie die neue F1-Strecke in Vietnam sollen zur Sprache gekommen sein.

Gegenüber dem argentinischen Journalisten Diego Bustos bestätigte Agag: "Es gibt in diesen Tagen viele Gespräche über eine Annäherung zwischen Formel 1 und Formel E. Ich treibe dieses Thema voran und mag die Idee." Derzeit seien gewisse Stakeholder wie etwa die in der Formel E engagierten Hersteller sowie andere Partner aber nicht davon überzeugt, die Strecke mit der "Königsklasse" des traditionellen Rennsports zu teilen.

"Ich würde es sehr begrüßen, wenn diese beiden großartigen Rennserien zusammenarbeiten würden, und werde weiterhin dafür pushen", sagt Agag. "Dann werden wir sehen, ob es letztlich dazu kommt. Momentan passiert es nicht, aber schauen wir mal, was die Zukunft bringt."

Todt & Reigle einig: Formel E gehört (vor allem) auf Straßenkurse

Auch FIA-Präsident Jean-Todt erklärte kürzlich der italienischen 'Gazzetta dello Sport', er sei "nicht gegen die Idee, ein gemeinsames Rennwochenende der beiden Serien auf ein und demselben Straßenkurs zu veranstalten". Die Betonung liegt auch hier auf Straßenkurs. Zudem sagt der Franzose: "So etwas könnte funktionieren, aber die Formel E muss gleichzeitig ihr futuristisches Gesicht wahren."

Auch Formel-E-CEO Jamie Reigle betont, wie wichtig es sei, dass die Formel E ihren Grundwerten treu bleibt: "Die Formel E und Formel 1 sind zwei unterschiedliche Sportarten mit jeweils eigenen Reizen und Unterscheidungsmerkmalen. Rennen im Stadtzentrum sind in unserer DNA verankert, und wir stehen voll und ganz hinter diesem Alleinstellungsmerkmal der Formel E", sagt der Kanadier bei 'The Race'.

Zwar habe die Formel E aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Herausforderung, Rennen im Stadtzentrum zu organisieren, auch klassische Rennstrecken in Betracht gezogen. Das sei jedoch nicht das, wofür die Formel E stehe. Trotzdem: "Sowohl in dieser Saison als auch in unserem künftigen Rennkalender werden wir wahrscheinlich kultige Straßenkurse wie Rom und Monaco mit speziellen Streckenkonfigurationen wie in Valencia kombinieren", so Reigle.

Di Grassi: Stadtkurse wie Paris "wurden für ein viel langsameres Auto konzipiert"

Einen solchen Hybridkalender könnte sich auch Audi-Pilot Lucas di Grassi vorstellen. Hintergrund ist für ihn aber vor allem der Leistungssprung des Gen3-Autos, das Ende 2022 sein Renndebüt feiern wird. Während die Formel E das Gewicht des Elektrowagens um 120 kg (!) reduziert, erhöht sich gleichzeitig die Leistung signifikant: Im Qualifying werden die Gen3-Boliden künftig 350 kW (476 PS) statt bislang 250 kW auf die Straße bringen. Zu viel für ausgewählte Formel-E-Kurse, fürchtet di Grassi.

"Die Strecken, wie sie ursprünglich designt wurden, so mitten im wunderschönen Stadtzentrum, sind natürlich fantastisch - aber sie wurden für ein viel langsameres Auto (Gen1) konzipiert", erklärt der Brasilianer gegenüber 'Inside Electric'. "Ich denke, wir sind jetzt - und gerade mit Blick auf Gen3 - in der Lage, auf andere Kursen zu gehen. Wir könnten vielleicht mehr auf traditionellen Rennstrecken fahren wie dieses Jahr in Valencia. Ich glaube, dass wir diese Richtung für Gen3 einschlagen sollten. Das wäre eine sinnvolle Evolution für die Serie."

"350 kW auf einer Strecke wie Paris, das wäre einfach zu viel, und ich denke, dass mir da alle Fahrer zustimmen würden. Du könntest vielleicht nur zehn Prozent der Runde Vollgas fahren mit diesen Reifen, diesem Griplevel", erklärt di Grassi. Das Rennfahren würde in diesem Fall zu gefährlich. Zudem würde der Streckenaufbau mit noch größeren Auslaufzonen zu teuer, glaubt der 36-Jährige. "Man bräuchte spezielle Barrieren, und dann geht der Preis hoch."

"Modulare Meisterschaft" für gemischten Rennkalender?

"Wir werden aber niemals unsere Rennen in den Innenstädten verlieren, das finde ich ebenso gut. Deshalb müssen wir über eine modulare Herangehensweise nachdenken", leitet di Grassi seine für den Motorsport revolutionäre Idee ein. Der Meister von 2017 zielt damit auf die technische Möglichkeit ab, die Fahrzeugleistung je nach Rennstrecke via Software anzupassen, also entweder zu limitieren oder eben wieder freizugeben. Eine Option, die bei klassischen Verbrennungsmotoren bislang nicht existierte - wohl aber bei Elektrorennwagen.

"Deshalb wäre ich für eine modulare Meisterschaft, in der das Auto das Potenzial hätte, auf Strecken wie Valencia mit 400 oder auch 500 kW fahren zu können. Dann kommen wir nach Paris und fahren mit 200 oder 250 kW. Es ist lediglich eine Software-Limitierung", sagt di Grassi. "Es gibt also nicht eine Maximalleistung für alle Strecken, sondern wir passen das Auto der jeweiligen Strecke an. So könnten wir überall fahren, wo wir wollen - kosteneffizient und ohne Kompromisse."

Damit will di Grassi der Kritik entgegenwirken, die Formel E sei viel zu langsam für klassische Rennstrecken. "Wir würden auch auf Strecken wie Valencia schnell aussehen, und auf Kursen wie in Paris sowieso", argumentiert er für seinen Vorschlag. "Das wäre sehr einfach umzusetzen, und wir machen es ja jetzt schon so mit Rennen (200 kW), Qualifying (250) und Attack-Mode (235). Du packst einfach einen Sensor auf die Batterie und weißt, wie viel (Leistung) rauskommt. Das ist die Richtung, in die ich gehen würde."

Kommentar von Timo Pape: Formel E muss im Herzen der Städte bleiben

Ja, wir haben am Rennsamstag von Valencia eines der verrücktesten Rennen der Formel-E-Geschichte gesehen. Und das ausgerechnet auf der ersten permanenten Rennstrecke. Es hat allerdings auch erstmals das gesamte Rennen hindurch geregnet, was ein entscheidender Faktor war. Natürlich spielte auch das kuriose Rennende eine Rolle. Am Sonntag haben wir dann aber in etwa das gesehen, was wir erwartet hatten: Ein weitgehend gesittetes Rennen mit wenigen Höhepunkten vor einer gähnend langweiligen Kulisse. Fehler wurden kaum bestraft, die Autos wirkten langsam.

Das hat in meinen Augen nicht viel mit Formel E zu tun. Diese Serie lebt von der Enge der Stadt. Von der Atmosphäre in den Häuserschluchten. Von Fahrfehlern und Mauerkontakten. Nur wer die ungnädigen Straßenkurse mit einem äußerst anspruchsvoll zu fahrenden Auto meistert, verdient den Sieg. Das macht den Reiz der Formel E aus, nicht hohe Endgeschwindigkeiten. Leider kapieren das viele "klassische" Motorsportfans und Nörgler bis heute nicht. Ohne Jake Dennis zu nahe treten zu wollen - er hat die Energie hervorragend gemanagt -, glaube ich, dass sein erster Formel-E-Sieg zu den einfacheren in der Formel-E-Geschichte zählte.

Die Formel E wurde für eine andere Art Racing konzipiert: viel Stop-and-Go, enge Kurven, kurze Geraden, kaum Grip. Der vielzitierte Hubschrauber im Wohnzimmer. So - und nur so - kommt richtig Stimmung auf. Nur so ergeben Getriebeübersetzungen und Rekuperation Sinn. Die Formel E darf an diesem Kernwert nicht rütteln und weitere permanente Strecken in den Kalender aufnehmen. Valencia war ein Corona-bedingter Ausweichplan. Besser als gar kein Rennen, ja. Aber Valencia muss eine Ausnahme bleiben. Und die zusätzliche Schikane hat aus dem Circuit Ricardo Tormo übrigens auch keine Formel-E-Strecke gemacht.

Gemeinsame Sache mit der Formel 1? Ich bin skeptisch. Die Hütte wäre voll, ja. Aber vornehmlich mit Formel-1-Fans, die sich tendenziell gar nicht für Elektromobilität interessieren. Diesen Fans würde man noch deutlicher vor Augen führen, wie langsam die Formel E verglichen mit der F1 ist. Man würde sich als Rahmenserie klar unterordnen. Die Formel E sollte als "Königsklasse" des elektrischen Motorsports der Haupt-Act bleiben und lieber sehen, eine Nachwuchsserie an Bord zu holen, die das eigene Produkt nochmals aufwertet. Außerdem würde die Botschaft, die die Formel E vermitteln will, bei einem F1-Event nicht rüberkommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Hersteller und Sponsoren irgendwann damit einverstanden sind, im klassischen Motorsport-Umfeld zu werben.

Die Idee eines modularen Ansatzes von Lucas di Grassi finde ich an sich sinnvoll - aber nicht, um damit auf permanenten Rennstrecken fahren zu können. Als wäre das der "Heilige Gral". Sondern vielmehr, um auf "alten" Formel-E-Strecken wie Paris notfalls die Leistung limitieren zu können, um weiterhin dort zu fahren. Und das auch nur, wenn es absolut unmöglich ist, einen Kurs den steigenden Geschwindigkeiten der Formel E anzupassen. Bei neuen Strecken wird die Formel E ohnehin darauf achten, dass sie auch Gen3-tauglich sind. Hohe Geschwindigkeiten würden das Racing auf klassischen Rennstrecken in meinen Augen auch nicht attraktiver machen. Die Formel E muss im Herzen der Städte bleiben.

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3 Kommentare

Chris ·

Ich denke die Formel E hätte in Kombination mit der Formel 1 weniger zu verlieren als umgekehrt. Die Autos sind nun mal (noch) langsamer, daher würde die Bestätigung durch langsamere Rundenzeiten bei einem gemeinsamen Event niemanden überraschen. Auf der anderen Seite werden sich aber viele für die Formel E begeistern, die ansonsten nie mit der Serie in Kontakt gekommen wären. Da geht es doch mehr um die Sichtbarkeit und nicht den Vergleich. Man schwört der einen Serie ja nicht gleich ab, nur weil man auf etwas neues aufmerksam wird.
Allerdings muss die Formel E bis dahin noch etwas 'professioneller' werden. Dass die Ampeln beim Start nicht umspringen (Berlin 2020) oder ein Ende wie in Valencia 2021 dürfen dann nicht mehr passieren. Und mit steigender Professionalität und Komplexität der Fahrzeuge, sobald am Auto mehr durch die Rennställe entwickelt wird, wird der Umstieg auf reguläre Rennstrecken nicht zu vermeiden sein.
Und das Thema mit dem modularen Konzept ist doch lächerlich. Wie sähe das denn aus, wenn die hochgezüchteten Formel 1 Boliden plötzlich gedrosselt durch Paris gurken? Es geht im Motorsport ums Arbeiten am Limit. Tolle Stadtkurse schön und gut. Aber die Strecke muss für das Fahrzeug geeignet sein, nicht umgekehrt.

simon11 ·

Leistung drosseln wenn es die Strecke nicht hergibt ja, besser als nochmal auf einer klassischen Rennstrecke zu fahren. Die Formel E gehört in die Stadtkurse. Wie langweilig war die Zeit als man das xte Auto aus dem Kiesbett abschleppen musste.

Derbe_klopp_te ·

Also ich fand das Sonntags-Rennen in Valencia garnicht so schlecht, wie alle anderen das gesehen haben.
Ich hatte eher andersrum das Problem, dass ich Rom zu hektisch fand und vor allem zu kurz.
Ich finde Rennsport lebt auch davon, dass man mal kurz innehalten kann um mal die Strategien zu sortieren. Dann kann ja wieder was unvorhergesehenes passieren.
Von daher war Valencia-2 ein taktieren hin und her, niemand wollte vorne sein und Rom war ein großes durcheinander, das einpaarmal angehalten wurde und auf einmal vorbei war und man hatte das gefühl, dass man mehr glück als einen Plan brauchte um durchzukommen.

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