Formel E

Königstransfer Bird & tragischer Held Evans: Der Aufstieg von Jaguar Racing in Formel-E-Saison 7

Timo Pape

Timo Pape

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Die Startaufstellung vor dem Finalrennen in Berlin leert sich. Mitch Evans setzt seinen Helm auf, dann kommt sein langjähriger Manager Mark Webber und drückt ihn. Evans klettert in seinen Jaguar auf Startplatz 3. "Ein entscheidender Moment in meiner Karriere", soll ihn der 27-Jährige uns gegenüber später beschreiben. Wenige Minuten nach der Webber-Umarmung, als die Ampeln von Tempelhof ausgehen, endet der Moment abrupt - ebenso wie der Traum von beiden WM-Titeln für Jaguar Racing.

Jaguar war wirklich nah dran. Die ganze Saison über zählte der I-Type 5 zu den Topautos der Formel E. Darüber hinaus hatte sich die "Raubkatze" vor der Saison personell verstärkt. Mit der Fahrerpaarung Mitch Evans/Sam Bird trat Jaguar 2021 erstmals mit einem unbestreitbaren Star-Line-up an - vielleicht das stärkste in der gesamten Formel E. Der Schachzug sollte aufgehen, denn beide Piloten hatten ihre Momente und sammelten gemeinsam viele Punkte.

Bereits am seinem ersten Rennwochenende für Jaguar in Saudi-Arabien sicherte sich Routinier Bird den ersten Saisonsieg. Er blieb damit der einzige Fahrer in der Formel-E-Geschichte, der bislang in jeder einzelnen Saison gewinnen konnte. Es folgten ein zweiter Platz im darauffolgenden Rennen in Rom sowie ein weiterer Sieg beim New York City E-Prix - Birds Paradestrecke.

Andererseits blieb Bird bei insgesamt neun von 15 Saisonläufen ohne Punkte. So gesehen war es gewissermaßen eine typische Bird-Saison mit extremen Schwankungen zwischen Weltklasse und - sagen wir mal - Bundesliga-Mittelfeld. Durch seine drei Highlights trug er insgesamt 87 Punkte zum Jaguar-Konto bei, die für ihn persönlich den sechsten Gesamtrang bedeuteten.

"Das Team hat das ganze Jahr über einen Wahnsinnsjob gemacht. Ich möchte jeder einzelnen Person und unseren Fans für alles in dieser Saison danken", lobt Bird. "Ich kann es kaum erwarten, mit in meine zweite Saison mit Jaguar zu starten."

Evans fünfmal auf dem Podium, aber glücklos

Teamkollege Evans gelang im Jahr 2021 kein einziger Sieg, wenngleich es denkbar knapp war: Beim Monaco E-Prix zeigte er womöglich das Überholmanöver des Jahres (steht unter anderem zur Wahl bei den e-Formel.de Season Awards - jetzt abstimmen!) und verlor die Führung erst in der letzten Runde an Antonio Felix da Costa, weil er zu viel Energie verbraucht hatte. Quasi auf dem Zielstrich musste er auch noch Robin Frijns passieren lassen. Insgesamt fünfmal (!) fuhr der Neuseeländer in Saison 7 auf den dritten Platz. Besser wurde es allerdings nicht.

Trotzdem holte Evans am Ende drei Zähler mehr als Bird und stand vor dem letzten Rennen bereits bei 90 Punkten, die letztlich zu WM-Rang 4 reichten. Vor dem Start in der deutschen Hauptstadt galt er als Topfavorit auf die Meisterschaft, weil all seine Rivalen weit hinten starteten. Dann kam es bekanntlich zum tragischen Unfall mit Edo Mortara. Alle Hoffnungen auf den Höhepunkt seiner Karriere zerplatzten innerhalb weniger Sekunden. Doch nicht nur Evans verlor den möglichen Titel - auch Jaguar hatte beste Chancen auf die erste Teamweltmeisterschaft.

Zwar kämpfte sich Bird beim Berlin E-Prix noch auf den siebten Platz vor. Die sechs Punkte dafür sollten jedoch nicht für den Titel reichen, denn Mercedes nahm am Sonntag noch 23 Zähler mit. In der Gesamtwertung zogen die "Silberpfeile" somit noch an den Briten vorbei und wurden mit vier Punkten Vorsprung Teamweltmeister.

Teamchef Barclay stolz: "Dies war unsere beste Saison"

Jaguar darf auf die Vizemeisterschaft dennoch stolz sein, denn Platz 2 ist das mit Abstand beste Ergebnis in der eigenen Teamgeschichte. Beim Serieneinstieg zur dritten Saison wurde Jaguar noch Letzter. Es folgte ein Sprung auf Platz 6 in Saison 4, dann wurde die Mannschaft zweimal in Folge Siebter. Im fünften Formel-E-Jahr ist Jaguar in der Spitze der Formel E angekommen.

"Als Team haben wir uns in dieser Saison in die Position gebracht, sowohl um die Fahrer- als auch um die Teammeisterschaft zu kämpfen, und darauf sind wir am meisten stolz", sagt Teamchef James Barclay. "Sam ist (am Berlin-Sonntag) mit einer unglaublichen Aufholjagd durch das Feld gefahren und hat 15 Plätze gutgemacht, um uns den zweiten Platz in der Teamweltmeisterschaft zu sichern. Dies war unsere beste Saison."

"Wir haben enorme Fortschritte gemacht - sieben Podiumsplätze, zwei Siege, eine Pole-Position und nur vier Punkte Rückstand auf den ersten Platz sind eine erstaunliche Leistung", konstatiert der Südafrikaner. "Glückwunsch an Nyck de Vries und Mercedes - sie haben bis zum Schluss hart gekämpft. Wir werden nächstes Jahr zurückkommen, um um den Titel zu kämpfen und auf das oberste Treppchen zu kommen."

Tatsächlich sind die Voraussetzungen dafür gut. Denn in der kommenden Saison 2022 müssen alle Teams weiterhin ihren Antrieb aus diesem Jahr einsetzen. Jaguar dürfte somit weiterhin eines der schnellsten Autos haben. Auch das Fahrer-Line-up bleibt unverändert. Fährt Bird im nächsten Jahr etwas konstanter, siegt Evans endlich wieder, und ändert sich das Qualifying-Format - was wahrscheinlich ist -, hat Jaguar alle Chancen auf beide Weltmeisterschaftstitel 2022.

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