Formel E

Kommentar: Die größte Schwäche der Formel E

Timo Pape

Timo Pape

Als beim Marrakesh ePrix am 12. November die Zielflagge fiel, war klar, jetzt wird es ruhig. Viel zu ruhig. Und zwar viel zu lang. Die Formel E fiel in einen fast 100-tägigen Winterschlaf und wird erst zum dritten Saisonlauf am 18. Februar 2017 wieder erwachen. Die Pause bis zum Buenos Aires ePrix ist damit gerade mal eine Woche kürzer als die sogenannte Off-Season zwischen dem Finalwochenende von Saison zwei und dem Auftaktrennen der dritten Saison in Hongkong.

100 Tage sind zu viel. Zumal sich die Formel E noch vor zwei Jahren auf die Fahnen geschrieben hat, eine "Winterserie" zu sein, die antizyklisch zum Rest der Motorsportwelt fährt. So wollte man die Aufmerksamkeit in den Wintermonaten auf sich lenken, wenn Fans anderer Rennserien nach Motorsport lechzen. Von diesem Ansatz ist in der aktuellen Saison nicht viel übrig geblieben.

Im ersten Jahr der Formel E waren die Weihnachtsferien noch deutlich kürzer: Am 13. Dezember 2014 waren die 20 Piloten noch mit rot-weißen Weihnachtsmützen am Strand von Punta del Este anzutreffen, und schon am 10. Januar ging es mit dem spektakulären ersten Buenos Aires ePrix weiter. In Saison zwei war der Januar bereits rennfrei, und in diesem Jahr kam der Dezember zusätzlich hinzu.

Zwar hat die Formel E offenbar versucht, den Punta del Este ePrix doch noch zu reaktivieren und im Januar auszutragen. Schließlich entschied man sich jedoch für das eRace am 7. Januar in Las Vegas. Zwar freue ich mich auf das 1-Million-Dollar-Event, bei dem die 20 Formel-E-Piloten gegen die besten SimRacer der Welt antreten. Ein Ersatz für ein echtes Rennen ist das eRace für mich jedoch nicht.

Momentum ist alles

Die Formel E macht vieles richtig. Ernsthafte Kritikpunkte gibt es in meinen Augen kaum. Eine der größten Stärken der Formel E ist sicherlich der Rennkalender, der zahlreiche glamouröse Metropolen wie Hongkong, Paris oder New York beinhaltet. Gleichzeitig er die größte Schwäche der Formel E. Es kommt bisher nur selten eine Art Momentum auf, das die Fans konstant bei der Stange hält. Das heißt, die gesamte Szene fährt zwischen zwei Rennen komplett herunter, weil die Zeiträume zu groß sind, um sie mit Content zu füllen.

Für die Fans, die gern regelmäßiger etwas von ihrer Lieblingsserie hätten, ist das natürlich schlecht. Gleiches gilt aber auch für Fahrer, Teams und Sponsoren. Einzig und allein in der Formel E aktiv zu sein, füllt schlichtweg noch nicht aus. Viele Piloten starten deshalb auch weiterhin parallel in anderen Rennserien. Auch viele Mechaniker arbeiten deshalb freiberuflich und werden nur bestellt, wenn sie gebraucht werden. Die Formel E hätte mittlerweile eigentlich ausreichend Standing in der Motorsportbranche, um auch als eigenständiges Programm durchzugehen. Doch vielen Akteuren fehlt die Kontinuität.

"Ich glaube, die meisten würden zustimmen, dass wir im Regelfall Rennen mit zwei bis drei Wochen Pause dazwischen haben sollten", sagt Nick Heidfeld bei 'Motorsport.com'. Ich stimme zu. Zwar wäre der Kalender dann extrem voll, aber aus Fansicht wäre es trotzdem wünschenswert. Es muss ja zunächst auch gar nicht eine derart hohe Frequenz sein, schließlich befinden wir uns gerade erst in Saison drei, und der Kalender soll erst nach und nach erweitert werden. Nichtsdestotrotz sind 100 Tage Pause zu viel.

"Wie wir wissen, ist Momentum sehr wichtig im Motorsport", sagt auch Jerome d'Ambrosio, der bisher jedes Formel-E-Rennen mit Dragon bestritten hat. "Wir müssen eine Lösung finden, und ich weiß, dass Alejandro Agag und sein Team auch eine finden werden." Dass Agag das Problem auf dem Radar hat, denke ich auch. Aber hoffentlich hat es für ihn auch die entsprechende Priorität, wenn es an die Planung der vierten Saison geht.

Mehr Rennen auf der Südhalbkugel

Gefragt wären vor allem Städte auf der Südhalbkugel, denn dort ist Sommer, wenn bei uns Winter ist. In Südamerika könnte möglicherweise eines Tages der langersehnte Traum eines brasilianischen ePrix wahr werden. Vermutlich aber noch nicht in der nächsten Saison. Bessere Karten könnte hingegen Australien haben. Agag betonte bereits in der Vergangenheit, gegen Jahresende in "Down Under" fahren zu wollen. Als mögliche Austragungsorte werden vor allem Sydney und Adelaide gehandelt. Sonst aber nichts Neues an der Australien-Front.

Möglicherweise fährt die Formel E nächsten Winter auch in Japan. Zur Wahl stehen derzeit die beiden Städte Tokio und Yokohama. Erst kürzlich präsentierte sich die Elektroserie in Form von Lucas di Grassi, ABT und Schaeffler in der japanischen Hauptstadt. Logistisch sinnvoll wäre ein Rennen im November oder Dezember, im Anschluss an das voraussichtliche Auftaktrennen im nahegelegenen Hongkong. Der Hong Kong ePrix soll 2017 übrigens später stattfinden als noch in diesem Jahr (9. Oktober). Nach China und Japan auf nach Australien - das wäre doch was.

Die Branche scheint sich einig zu sein, dass sich der aktuelle Winterschlaf im kommenden Jahr nicht wiederholen darf. Genauso zuversichtlich ist sie allerdings auch, dass es 2017 besser laufen wird. "Ich nehme an, dass die Formel E versucht, nächste Saison auch im Dezember und Januar Rennen zu haben", sagt Jaguar-Pilot Mitch Evans. "Bei einem Großteil der Motorsport-Branche ist es in dieser Zeit sehr ruhig, deshalb würden wir den Fokus vermutlich stark auf uns lenken." Wir drücken ganz fest die Daumen, dass es in der nächsten Saison besser läuft. Denn 100 Tage Pause sind für die Formel E einfach zu lang.

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