Formel E

Kommentar: "Es war fast wie die Off-season" - das größte Problem der Formel E

Timo Pape

Timo Pape

Red-Light-Formula-E

Wir begleiten die Formel E inzwischen seit fast acht Jahren und haben nicht nur die Einschreibungen der ersten Teams begleitet, sondern auch alle Höhen und Tiefen der Elektroserie miterlebt. Fünf Jahre lang ging es ausschließlich bergauf für alle Beteiligten, dann kam Corona. Doch nicht nur die wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie haben die Formel E hart getroffen, sondern auch die immer noch spürbaren Disruptionen des Rennkalenders.

Es war eine seltsame Stimmung beim Marrakesch E-Prix 2020. Corona war da, die ersten Lockdowns drohten. An der Strecke spürten fast alle, dass man sich womöglich erst mal nicht mehr zu einem Rennen treffen würde. So sollte es auch kommen. Die Formel E musste all ihre geplanten E-Prix bis einschließlich Juli gänzlich absagen. Um die Saison formell abzuschließen, organisierte sie nach mehr als fünf Monaten Zwangspause sechs Rennen hinter "verschlossener Tür" in Berlin-Tempelhof.

Aufgrund ihres Kernprinzips, Rennen im Stadtzentrum zu fahren, wurde die Formel E deutlich härter von Covid-19 getroffen als andere Rennserien wie etwa die Formel 1. "Geisterrennen" auf abgelegenen klassischen Strecken ließen sich eben doch deutlich leichter realisieren als in befüllten und engen Innenstädten.

Das siebte Meisterschaftsjahr sollte erst ein halbes Jahr nach dem "Sixpack von Berlin" beginnen, in dem in der Formel E buchstäblich Stillstand herrschte. Die Serie präsentierte für 2021 einen Rennkalender, der bis auf den Monaco E-Prix ausschließlich aus "Double-Headern" bestand, um die logistischen Herausforderungen irgendwie meistern zu können. Zudem musste die Formel E auf ungeliebte traditionelle Rennstrecken wie in Valencia oder Puebla ausweichen.

Da es nur acht verschiedene Austragungsorte in Saison 7 gab, klafften zwischen den Rennwochenenden abermals große Lücken - zwischen den Stationen Diriyya und Rom sowie Monaco und Puebla jeweils sechs Wochen. Ein Momentum konnte dadurch kaum entstehen. Und wenn doch, ebbte es kurz darauf wieder ab.

Fahrer bemängeln lange Pause vor Rom E-Prix

In der laufenden Saison 2022 sollte vieles besser werden. Die Formel E stellte im Juli 2021 einen ambitionierten Rennkalender vor, mit dem die langen Lücken endlich der Vergangenheit angehören sollten. 16 Rennen in zwölf Ländern, maximal vier Wochen Pause zwischen zwei Rennen. Die Formel E ließ sich zurecht feiern. Corona machte dieser Intention jedoch erneut einen Strich durch die Rechnung.

So musste die Elektroformel im Oktober zuerst den Kapstadt E-Prix absagen, später auch das geplante Rennen in China. Das Resultat: eine achtwöchige Frühjahrspause zwischen dem Mexico City E-Prix am 12. Februar und dem Rom E-Prix vergangenes Wochenende. "Es hat sich wirklich angefühlt, als würden wir wieder neu in die Saison starten", sagte Venturi-Pilot Lucas di Grassi in Rom am Mikrofon von 'e-Formel.de'.

"Du beginnst eigentlich in Riad, alles ist neu, doch nach Mexiko fährt wieder alles runter, und es geht erneut los. Das ist nicht gut", stellt der Brasilianer klar. "Ursprünglich sollten wir ein Rennen in Kapstadt und eines in China haben - Shanghai, Peking oder wieder in Sanya. Aber beide wurden wegen Covid abgesagt, was natürlich sehr unglücklich ist. Manchmal trifft die Pandemie die Formel E immer noch ganz schön hart."

"Es war fast wie die Off-season", stimmt Teamkollege Edo Mortara gegenüber 'Motorsport.com' zu und meint damit die monatelange Pause zwischen zwei Saisons. "So hat es sich zumindest angefühlt, denn Mexiko ist beinahe zwei Monate her."

Momentum ist entscheidend - koste es, was es wolle

Die acht Wochen vor dem Rom E-Prix haben uns einmal mehr vor Augen geführt, was das größte Problem der Formel E ist: Sie kommt nicht in Gang. Zumindest seit Corona nicht mehr. Bis zur ersten Gen2-Saison 2018/19 gab es kein Limit in Sachen Wachstum. Das unterstrichen die zahlreichen Hersteller-Einstiege und das gewaltige Sponsoreninteresse. Nach den ersten Lockdowns durchschritt die Formel E jedoch ein tiefes Tal der Tränen. Unternehmen verabschiedeten sich einerseits als Konsequenz von Sparvorgaben, andererseits aufgrund der fehlenden Stadtrennen, die entscheidend für die Erfüllung der Marketing-Ziele waren.

Zwar sind inzwischen endlich wieder Fans an den Strecken zugelassen. Doch während Serien wie die Formel 1 längst wieder auf Spur sind, kämpf die Formel-E-Weltmeisterschaft noch immer mit den Nachwirkungen der Pandemie. Obwohl bereits fünf von 16 Saisonläufen absolviert sind, fühlt es sich keineswegs so an, als wären wir mitten in der Saison. Wie di Grassi bereits sagte: als würde die Saison jedes Mal wieder neu starten. Es kann sich einfach kein Fan-Interesse aufbauen. Das beklagen nicht nur die TV-Stationen wie ProSieben, die die lange Pause vor allem am Rom-Samstag spürten, sondern auch wir.

Mir ist vollkommen bewusst, dass es extrem schwierig sein muss, eine globale Straßen-Rennserie wie die Formel E in diesen Zeiten zu organisieren. Und es werden auch wieder bessere Zeiten kommen. Dennoch muss die Serie künftig alles daran setzen, um die Meisterschaft nicht mehrmals pro Saison am langen Arm verhungern zu lassen. Koste es, was es wolle. Fehlendes Momentum verhindert nicht nur jegliches Wachstum, sondern auch den Aufbau einer Fanbasis. Und ohne Fans kann die Formel E dicht machen.

Zurück

3 Kommentare

Derbe_klopp_te ·

Der Kalender der Formel e ist in der Tat weit weg von dem, was die Promoter in der ersten Saison aufbauen wollten und nächstes Jahr ist das ganze noch schlimmer!
Ursprünglich sollte die Formel e im Herbst beginnen und bis in den späten Frühling/frühen Sommer gehen. Damit hätte man wunderbar das Winterloch der Formel 1 gestopft. Die nächste Saison beginnt nicht mal mehr dieses Jahr, das sehe ich als großes Problem an.
Eine zweite sache, die man sich auf die Fahnen geschrieben hatte, war nachhaltigkeit in der Form, dass die Distanz zwischen Rennen möglichst klein ist, Transportemmissionen zu reduzieren. Nunja Mexico liegt nicht umbeding uf dem weg zwischen Saudi Arabien und Italien...

Eduardo (@mododeataque) ·

I've been thinking about how this is the biggest, but not the only one and remembered once thing that has been bothering me for a while: they (FIA/Formula E management) simply don't care about fans that don't speak English.

Not even the official website 'News' section is available anymore except in English since the start of this season - before they at least published translations for the tests/practice/quali/race sessions results' and a couple others like calendar updates and such.
Social media and YouTube channels? Never even had a chance in other languages.

I know this can't be exactly a top priority, but this is only the second season we have with FE on a broadcast channel in Brazil (S1-S6 was available on cable, Fox Sports), just as an example, so how do they expect to engage more fans around here?
Mexico at least has one round happening in their country, that helps, but I don't think this lack of care can sustain the (re-)growth of FE numbers.

Cubi ·

Der Kalender macht es auch als Fan nicht einfach aktiv bei der laufenden Saison am Ball zu bleiben. Jeder Hype, der sich nach einem spannenenden Rennwochenende aufbaut, wird in so einer langen Pause zerstört. Da bleibt man nur schwer am Ball. Freue mich zwar auch dieses Jahr wieder auf meinen Besuch an der Strecke in Berlin, aber so wirklich mitfiebern kann ich in dieser Saison noch nicht.

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 9 plus 7.
Advertisement