Formel E

Audi akzeptiert Disqualifikation nach Safety-Car-Kontroverse, Formel E veröffentlicht Beweisvideo

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Audi-McNish-DSQ-London

Der kontroverse "Safety-Car-Trick" von Lucas di Grassi in London schlägt im Formel-E-Fahrerlager hohe Wellen. Der Brasilianer übernahm beim drittletzten Rennen der Saison 2021 die Führung, indem er während einer Rennneutralisierung durch die Boxengasse fuhr und die langsame Safety-Car-Kolonne überholte. Noch während des E-Prix zeigte die Rennleitung ihm die schwarze Flagge. Audi stellte sich zunächst klar gegen die Entscheidung der FIA, ruderte später jedoch zurück und akzeptierte eine deftige Geldstrafe.

Die Rennkommissare Achim Loth, Tomas Kunc und Nicky Moffitt ordneten während des Rennens eine Durchfahrtsstrafe gegen di Grassi an, da er bei seiner Fahrt durch die Boxengasse "gegen die Safety-Car-Prozedur verstoßen" habe. Audi informierte den Brasilianer allerdings nicht über die Strafe, er beendete das Rennen auf Position 1.

Das Ignorieren der Durchfahrtsstrafe stellt laut dem offiziellen FIA-Entscheidungsdokument einen klaren Verstoß gegen Artikel 12.2.1 i) des Internationalen Sportkodexes dar. Folglich zeigten die Rennkommissare di Grassi um 15:14 Uhr Ortszeit die schwarze Flagge und nahmen ihn somit aus der Wertung. Über die Disqualifikation wurde di Grassi ebenfalls erst nach dem Zieleinlauf von seinem Renningenieur informiert. Es gab anschließend keine weitere Kommunikation am Teamfunk.

"Wir haben in London die einzigartige Situation, dass die Boxengasse sehr kurz ist", erklärte Audis Teamchef Allan McNish die Vorgänge unmittelbar nach dem Rennen. "Außerdem war das Safety-Car ungewöhnlich langsam. Es war schneller, durch die Box zu fahren - die Regeln geben das her." Eine vergleichbaren Vorfall gab es bereits im vergangenen Jahr beim Berlin E-Prix, als drei Fahrzeuge während einer Full-Course-Yellow-Phase Zeit mit einer Abkürzung durch die Boxengasse gutmachten.

McNish: Audi vermutete Reifenschaden - Videomaterial belegt das Gegenteil

Während des London E-Prix erklärte McNish dem deutschen TV-Sender Sat.1, dass das Team einen Reifenschaden bei di Grassi vermutet habe und das Rad kontrollieren wollte. Hierfür hätte der Meister der Saison 2016/17 zweifelsfrei vor der Garage anhalten müssen.

Rund zwei Stunden nach Rennende veröffentlichte die Formel E ein aus der Boxengasse gefilmtes Video, das den Zwischenfall vor der Audi-Garage zeigt. Die Perspektive der im TV-Weltsignal verwendeten Kamera reichte zunächst nicht aus, um einen "vollständigen Stopp" di Grassis zweifelsfrei zu belegen. In dem über Twitter veröffentlichten Clip ist deutlich zu erkennen, wie di Grassi vor der Garage sein Fahrzeug verzögert.

Die Räder kommen zum Stillstand, jedoch rutschte der Brasilianer durch den Schwung um wenige Zentimeter nach vorn. Ehe ein Mechaniker di Grassi zurück in die "Fast Lane" der Boxenstraße lotste, kam der Brasilianer nicht zu einem vollständigen Stillstand. Einzig aus diesem Grund zählte der Versuch nicht als Audi-Boxenstopp, bei dem es keine Strafe gegeben hätte. Es ist entgegen McNishs anfänglicher Erklärung zudem nicht zu erkennen, wie ein Teammitglied die Reifen überprüft.

Der Schotte lenkte später mit einer öffentlichen Erklärung ein: "Wir haben ein strategisches Manöver versucht, bei dem er vor der Garage anhalten und weiterfahren sollte", so Audis Teamchef. "Das hat ihm erlaubt, einige Autos zu überholen, aber die Stewards haben entschieden, dass er das Fahrzeug nicht vollständig zum Stillstand gebracht hat. Aus diesem Grund wurde er bestraft und hat den Sieg verloren. Für uns ist das sehr enttäuschend."

50.000 Euro Strafe für Audi, di Grassi verteidigt sein Team

Da Audi di Grassi nicht über die von der FIA ausgesprochenen Strafen informierte, sprach der internationale Automobil-Dachverband nachträglich eine hohe Geldstrafe gegen das Rennteam aus. Der Konstrukteur muss insgesamt 50.000 Euro an die FIA zahlen. Angesichts anderer Optionen, die auch eine Teilnahmesperre beim Audi-Heimspiel in Berlin - dem letzten Formel-E-Wochenende überhaupt für die Ingolstädter - beinhalteten, ist die von der FIA verhängte Geldbuße dennoch eine milde Strafe.

In einem Statement stellte sich di Grassi am Sonntagabend auf die Seite seines Teams: "Was wir heute gemacht haben, war vollkommen im Rahmen des Regelwerks", schreibt er auf Twitter. "Wir konnten das nur tun, weil das Safety-Car langsamer als die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Boxengasse war. Sonst hätte ich Positionen verloren. Es war ein gewagtes, riskantes Manöver, aber ich stehe voll und ganz hinter meinem Team und der Entscheidung."

"Die Strafe wurde korrekt angewendet, weil das Auto (die Räder standen schon bei null) NACH der Analyse von Daten nicht vollständig bei 0 km/h ankam. Es war sehr knapp. Erst nach der karierten Flagge wurde ich über den Teamfunk über die Strafe informiert", so di Grassi.

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2 Kommentare

Chris ·

Ich bin mir ja immer noch unsicher, was ich davon halten soll. Auf der einen Seite fand ich es sehr einfallsreich und lustig. Auf der anderen Seite unsportlich und gierig. Zum Schluss ist es jedenfalls peinlich für Audi. 1. weil es scheiterte und 2.weil es dadurch so scheint, als würden sie selbst schon denken, dass sie die Weltmeisterschaft anders (auf der Strecke) nicht mehr gewinnen können.

Horatio ·

Natürlich ist es clever, wenn man ein Regelloch findet, und ich bin der Erste der auf die Regeln pocht (siehe Wehrlein-DSQ), allerdings wäre das ein Sieg gewesen, für den sich Audi einen herben Imageschaden in Kauf genommen hat. Di Grassi ebenso.
Am Ende zählt nur der Sieg? Mag sein. Motorsport-Fans haben allerdings ein langes Gedächtnis und während viele Rennen vergessen werden, so bleiben derartige Aktionen an Fahrern und Teams haften. Den Penalty dann auch noch zu ignorieren, bis es nur noch die Black Flag richten kann, gehört zu der Art von "schmutzigen Rennsport", den ich immer wieder ärgerlich finde.

Wirklich schade um ein spannendes und interessantes Rennen, wenn ein Team der Meinung ist, man könne mit solchen Tricks den Sieg holen.

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