Formel E

London: Lynn gewinnt Formel-E-Chaos am Sonntag, di Grassi nach kuriosem Safety-Car-Trick disqualifiziert

Timo Pape

Timo Pape

Alex-Lynn-Blur-Mahindra

Alex Lynn hat ein vollkommen verrücktes Sonntagsrennen in London gewonnen und vor heimischer Kulisse seinen ersten Formel-E-Sieg geholt. Der Brite im Mahindra profitierte von einer Disqualifikation gegen Lucas di Grassi, der durch einen kuriosen Trick unter Safety-Car-Bedingungen an die Spitze gelangt war, letztlich aber aus der Wertung genommen wurde. Nach etlichen Unfällen komplettierten Nyck de Vries und Mitch Evans das Podium.

Beim Start verteidigte Stoffel Vandoorne seine Führung. Weiter hinten machte Rene Rast direkt einen Platz gegen Sebastien Buemi gut. Beim Anbremsen für Kurve 10 kamen beide Audi-Piloten ins Schlittern, konnten ihre Autos aber abfangen. Nach Kontakten im Startgetümmel fuhren sowohl Alexander Sims - wie schon am Vortag - als auch Tom Blomqvist mit beschädigten Fahrzeugen an der Box, konnten das Rennen aber fortsetzen. Antonio Felix da Costa machte in den ersten Runden bereits vier Plätze gut.

Nach drei Minuten setzte Nyck de Vries bereits gegen Alex Lynn zum Überholmanöver an. In Kurve 10 ging er vorbei und übernahm den dritten Platz. Bei seiner Attacke rauschte der Mercedes-Fahrer beinahe in den Nissan von Oliver Rowland, hatte aber Glück. Dann zündete Rowland als erster Pilot der Spitzengruppe seinen ersten von zwei Attack-Modes - abermals mit einer Aktivierungsdauer von jeweils acht Minuten wie am Samstag. Im hinteren Mittelfeld kämpften Felix da Costa und Sam Bird mit harten Bandagen. Beinahe kam es zum Dreher - letztlich blieb die Reihenfolge aber zunächst bestehen.

Buemi kracht Rast ins Heck

Dann krachte es am Ausgang von Kurve 10: Buemi im Attack-Mode griff völlig übermütig Rast an, verschätzte sich beim Anbremsen und rutschte dem Audi-Fahrer ins Heck. Anschließend schickte er Rast in die Mauer vor Kurve 11. Mit gebrochener Aufhängung steuerte der Audi wieder nach rechts und rammte seinerseits den Nissan von Buemi. Während der Schweizer weiterfahren konnte, blieb Rasts Audi mit Totalschaden stehen. Für einige Minuten kam das Safety-Car auf die Strecke. Buemi erhielt eine 10-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe für die Kollision.

Kurz nach dem Neustart krachte es gleich wieder, diesmal in Kurve 1 zwischen Nick Cassidy und Jake Dennis. Beide verloren viel Zeit, konnten aber weitermachen. Felix da Costa zeigte, wie man es besser macht, und überholte Cassidy mit einem guten Manöver in Kurve 10. In Runde 9 schnappte sich de Vries seinen Vordermann Rowland und rückte auf Platz 2 vor - Doppelführung für Mercedes.

Während der Himmel immer dunkler wurde, kam es zum nächsten Zwischenfall: Felix da Costa griff auf der Start- und Zielgeraden im Attack-Mode Andre Lotterer an und zog auf die Innenbahn. Lotterer ließ ihm jedoch keinen Platz und quetschte ihn gegen die Mauer, was später eine berechtigte Strafe nach sich zog. Mit beschädigtem Auto erwischte Felix da Costa Kurve 1 nicht mehr und rollte frontal vor die TecPro-Barriere. Weil er seinen DS Techeetah nicht aus eigener Kraft bergen konnte, rief die Rennleitung zum zweiten Mal das Safety-Car auf die Strecke.

Geniestreich von Audi? Beinahe!

Dann wurde es richtig kurios: Lucas di Grassi bog während der Safety-Car-Phase in die Boxengasse ab, hielt vermeintlich kurz vor der Garage an und fuhr sofort weiter. Dadurch kam er tatsächlich vor allen anderen zurück auf die Strecke - und führte plötzlich das Rennen an! Wenig später ging es im Renntempo weiter, nun mit einem Audi an der Spitze. Die Rennleitung untersuchte den Vorfall.

Schließlich entschied die Rennleitung, dass di Grassi eine Durchfahrtsstrafe für seine Fahrt durch die Boxengasse verdient habe. Audi-Teamchef Allan McNish rannte sofort zur Rennleitung, um die Entscheidung anzufechten. Di Grassi blieb zunächst auf der Strecke - drei Runden hatte er theoretisch Zeit, um seine Strafe abzusitzen. Diese Frist ließ er verstreichen.

Dann erklärte die Rennleitung: Die Telemetriedaten hätten gezeigt, dass di Grassi nicht vollständig zum Stillstand gekommen sei, was die Voraussetzung für einen legalen Schachzug gewesen wäre. Die Durchfahrtsstrafe blieb somit bestehen. Weil die Grassi nicht rechtzeitig durch die Boxengasse gefahren war, disqualifizierte ihn die Rennleitung mit der schwarzen Flagge. Nach dem Rennen gingen die Diskussionen allerdings noch weiter, was wir in einem eigenen Artikel abgehandelt haben.

Das Drama ging allerdings auch noch an anderen Fronten weiter: In der ersten Runde nach dem Neustart rutschte Rowland beim Anbremsen in Kurve 10 in den Mercedes von Vandoorne und beschädigte den "Silberpfeil" und auch sein eigenes Auto - beide damit raus aus dem Kampf um den Sieg! Rowland wurde mit einer 5-Sekunden-Zeitstrafe belegt - die Inkonsequenz der Rennleitung beim Strafmaß war abermals diskutabel. De Vries schlüpfte innen hindurch und rückte auf Platz 2 vor. Das versuchte auch Mitch Evans gegen Max Günther und drückte den BMW-Fahrer seinerseits gegen die Wand. Die Reihenfolge blieb jedoch unverändert, beide nahmen offenbar keinen größeren Schaden.

Lynn behält einen kühlen Kopf

Zehn Minuten vor dem Ende fing es auch noch leicht an zu regnen, was sich aber nicht entscheidend auf den weiteren Rennverlauf auswirken sollte. Evans überholte Frijns für Platz 4. Hinter di Grassi fuhr zu diesem Zeitpunkt inzwischen Lynn, der dank cleverer Attack-Mode-Nutzung an de Vries vorbeigekommen war. Zwei Minuten vor Schluss schepperte es erneut: Sam Bird krachte in Kurve 10 in das Auto von Norman Nato. Beide schieden mit schweren Beschädigungen aus. "Das ist wirklich peinlich, wie da heute gefahren wird", kritisierte ran-Kommentator Daniel Abt seine ehemaligen Fahrerkollegen.

In der letzten Runde passierte nicht mehr viel: Alex Lynn fuhr als Sieger ins Ziel! Zweiter wurde Nyck de Vries vor Mitch Evans. Die Top 6 komplettierten Robin Frijns, Pascal Wehrlein und Max Günther.

Durch seinen zweiten Platz in Folge übernahm de Vries vor dem Finalwochenende Mitte August in Berlin die Gesamtführung bei den Fahrern. Zweiter ist der Niederländer Frijns mit sechs Punkten Rückstand. In der Team-WM hat sich Virgin die Führung zurückgeholt und liegt nun sieben Zähler vor Mercedes. Weiter geht die Formel-E-Saison 2021 am 14. und 15. August mit den beiden letzten Rennen in Tempelhof.

Ergebnisse & Zeiten

Gesamtwertung (Fahrer & Teams)

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3 Kommentare

Trockensumpfpumpe ·

Kleine Korrektur, weil es durchaus wichtig ist: Di Grassi wurde nicht wegen des Safety-Car-Tricks disqualifiziert sondern weil er die im Anschluss verabschiedete Durchfahrtsstrafe ignoriert hat.

Simon ·

Wurde Di Grassi jetzt wirklich disqualifiziert? Vorhin in den Grafiken wurde er als 8ter geführt. Oder haben sie das dann doch noch korrigiert?

Timo ·

Danke für den Hinweis!

@Simon: Aktuell tappen noch alle im Dunkeln, warum DIG auf dem Timingscreen immer noch auf Platz 8 angezeigt wird. Die Entscheidung der Disqualifikation wurde nie zurückgenommen.

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