Formel E

Mutige Manöver & Kapstadt-Klick: Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Formel-E-Rennen 2023 in Südafrika

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

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Das Formel-E-Fahrerlager ist sich einig: Hoffentlich bleibt Kapstadt dem Kalender der Elektroserie langfristig erhalten! In einer der spannendsten Schlussphasen seit langer Zeit gelang Antonio Felix da Costa sein erster Sieg mit Porsche. Doch auch abseits vom Führungskampf gab es in Südafrika einige bemerkenswerte fahrerische Leistungen zu beobachten. Wir haben sie bewertet.

Auch in diesem Jahr vergibt die Redaktion von e-Formel.de nach jedem Rennwochenende der Saison Punkte auf einer Skala zwischen 1 und 10 für alle Fahrer. Anschließend werden die Piloten nach ihrem durchschnittlichen "Rating-Score" sortiert, und die besten zehn Leistungen von unserem Formel-E-Reporter Tobias Bluhm kommentiert. In die Wertung fließen ausschließlich die individuellen fahrerischen Leistungen ein, nicht das Potenzial des Autos oder äußerliche Umstände.

Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Kapstadt E-Prix 2023

1. Antonio Felix da Costa | TAG Heuer Porsche | 9.3 Punkte

Mit Manövern, die selbst den großen Nigel Mansell stolz machen dürften, erweiterte Antonio Felix da Costa in Kapstadt seinen Eintrag in den Geschichtsbüchern der Formel E. Wie er in der Highspeed-Passage der Kurven 7/8 gekonnt erst an Nick Cassidy (Envision) und kurz vor Schluss auch noch an seinem Ex-Teamkollegen Jean-Eric Vergne (DS Penske) vorbeifuhr, verschlug so gut wie jedem/jeder Beteiligten im Fahrerlager die Sprache.

Heimlich, still und leise hatte sich der Portugiese zuvor von Startplatz 11 durch das Feld gearbeitet. Doch genau diese Ausgangslage war Felix da Costas einziger Schwachpunkt in Südafrika: Wieder einmal lief es beim Porsche-Piloten im Qualifying nicht nach Plan. Sein Tempo reichte nicht für die Duellphase. Die große Effizienz seines Porsche und Kompromisslosigkeit im Rennen des 31-Jährigen blieben von unserem Panel trotzdem nicht ohne Würdigung.

FAZIT: Dank eines Bilderbuch-Manövers brachte sich Felix da Costa in Kapstadt in eine aussichtsreiche Verfolgerposition in der WM.

2. Jean-Eric Vergne | DS Penske | 8.7 Punkte

Nach dem Rennen wurden zurecht Lobeshymnen auf Antonio Felix da Costas Überholkünste angestimmt. Dabei darf ein Faktor aber nicht vergessen werden: Nur dank Jean-Eric Vergnes Umsicht kam es beim Mut-Manöver des Porsche-Piloten nicht zu einem Unfall. Der Franzose kennt seinen ehemaligen Teamkollegen in- und auswendig und war mit einem Rückzieher in letzter Sekunde maßgeblich daran beteiligt, dass der Führungskampf glimpflich ausging. Wenn auch nicht zu seinen eigenen Gunsten.

Abgesehen davon fuhr Vergne im Rennen wie gewohnt auf Topniveau. Der Hyderabad-Sieg, das scheint nun deutlich zu sein, tat seinem Selbstbewusstsein gut. Als WM-Dritter liegt Vergne dank seines erneuten Podiums und des Bonuspunkts für die schnellste Rennrunde nur noch zwölf Zähler hinter den Spitzenreitern Pascal Wehrlein und Jake Dennis. Da ist noch viel möglich!

FAZIT: Vergne fuhr ein kluges Rennen, in dem er den Punktegewinn einem möglichen Sieg vorzog. Mit genau dieser Weitsicht kann man Meisterschaften gewinnen.

3. Sacha Fenestraz | Nissan | 8.7 Punkte

Nur Daniel Abt war bei seiner Fahrt auf die Pole-Position in Long Beach 2015 jünger: Sacha Fenestraz schaffte es in seinem sechsten Formel-E-Rennen zum ersten Mal in Startreihe 1! Der Franzose fuhr daraufhin ein besonnenes Rennen und ließ sich in Kapstadt auch dank des guten Coachings durch seinen Ingenieur Johann Aime nicht von der Führungsgruppe abschütteln.

In der letzten Runde bereitete Nick Cassidy (Envision) Fenestraz' Rennen mit einem Stupser in Kurve 7 ein vorzeitiges Ende. Für den Formel-E-Neuling blieben somit keine Punkte übrig, obwohl er es aus eigener Kraft wohl auf das Podium geschafft hätte.

FAZIT: Bei Fenestraz hat es in Kapstadt "klick" gemacht. Sollte Nissans Antriebseffizienz in Südafrika keine Ausnahme gewesen sein, können wir in dieser Saison noch mehr von ihm erwarten!

4. Nick Cassidy | Envision Racing | 7.7 Punkte

Fünf Rennen, zwei Podien, 43 Punkte, Gesamtplatz 5: Der Start in die Saison 2023 dürfte nach Nick Cassidys Geschmack verlaufen sein. Der Neuseeländer fuhr in Kapstadt nach einem guten Qualifying ganz vorn mit und sammelte sogar Führungskilometer, ehe sein Effizienzdefizit gegenüber Felix da Costa und Vergne deutlich wurde.

In der Schlussphase des E-Prix geriet er mit Sacha Fenestraz aneinander, der Franzose schied aus. Cassidy sicherte sich somit einen Platz auf dem Podium und besiegelte eine bemerkenswerte Statistik: In zwei aufeinanderfolgenden Rennen standen nun dieselben drei Fahrer auf dem Treppchen, wenn auch in einer anderen Reihenfolge. Das gab es in der Formel E noch nie.

FAZIT: Abermals ein gutes Wochenende von Nick Cassidy, damit wird er zufrieden sein!

5 Rene Rast | Neom McLaren | 7.7 Punkte

Angesichts des Fakts, dass Rene Rast am Rennsamstag mit Fiebersymptomen kämpfte, ist seine Aufholjagd von Platz 10 auf den vierten Rang umso beeindruckender. Der Deutsche überholte dabei kaum selbst auf der Strecke, sondern profitierte eher von Ausfällen vor ihm. Doch weil er sich im Rennen aus allen Scharmützeln heraushielt und effizient blieb, war er bis zur karierten Flagge ein Kandidat im Kampf ums Podium.

FAZIT: Man mag kaum glauben, dass Rene Rast ein Jahr Formel-E-Pause hatte. Er zählt zu den besten Fahrern des ersten Saisondrittels!

6. Dan Ticktum | Nio 333 | 7.7 Punkte

In Hyderabad bekam noch Sergio Sette Camara alle Aufmerksamkeit der Nio-333-Führungsriege, doch in Kapstadt meldete sich Dan Ticktum zurück. Dass in unserem Community-Tippspiel mehrere Teilnehmer:innen inzwischen regelmäßig auf den Briten im Qualifying tippen, zeugt von der Entwicklung, die er und das Team gemacht haben.

Unter bestimmten Umständen, zum Beispiel bei einem Unfall im Führungskampf, wäre Ticktum womöglich sogar ein Podiumskandidat gewesen! Schlussendlich überquerte er den Zielstrich auf einem überragenden sechsten Platz. Es ist das beste Ergebnis seiner bisherigen Formel-E-Karriere (bislang: Platz 10 in Rom 2022 und Diriyya 2023).

FAZIT: Ticktum muss immer weniger kämpfen, um gute Ergebnisse zu erzielen. Der Trend zeigt klar aufwärts - gerne mehr davon!

7. Mitch Evans | Jaguar TCS Racing | 7.3 Punkte

Nach dem Unfall seines Teamkollegen im Qualifying lag es bei Jaguar an Mitch Evans, Punkte einzuheimsen. In der Startphase des Rennens sah es so aus, als würde dem Neuseeländer nach einem erneut sehr starken Qualifying genau das gelingen. Dann orderte ihn die FIA jedoch zu einer Durchfahrtsstrafe zurück in die Boxengasse. Evans' Auto hatte für einen kurzen Moment mehr Leistung als erlaubt abgerufen. Für den 28-Jährigen blieb im Ziel somit nur Position 11.

FAZIT: Ein unzufriedenstellendes Ende eines Rennens, das so vielversprechend gestartet war.

8. Sebastien Buemi | Envision Racing | 7.3 Punkte

Wenige Augenblicke nach dem Start ins 1. Freie Training war Sebastien Buemis Session schon wieder gelaufen. Bis spät in der Nacht war sein Team mit der Reparatur des Autos beschäftigt, das der Schweizer bei einem Unfall in Kurve 8 beschädigt hatte. Der Samstag begann für Buemi deutlich besser: Durch das 2. Freie Training schaffte er es unbeschadet, im Qualifying landetet er nach einem Viertelfinalduell auf Startplatz 7.

Im Rennen nahm sein Wagen jedoch erneut Schaden, als sich Pascal Wehrlein (Porsche) in der Startrunde verbremse und Buemi ins Heck rauschte. Wie durch ein Wunder konnte der Schweizer weiterfahren. Nach einer starken Aufholjagd erreichte er das Ziel sogar auf Platz 5!

FAZIT: Ein starkes Wochenende von Sebastien Buemi, der es trotz des Startunfalls schaffte, eine zweistellige Punktzahl zu erzielen.

9. Maximilian Günther | Maserati MSG | 6.0 Punkte

Die Enttäuschung war Maximilian Günther nach dem Rennen anzusehen. Zum ersten Mal in der Saison 2023 fuhr der Deutsche auf Topniveau in der Führungsgruppe eines Rennens mit. Zeitweise sammelte er sogar Führungskilometer. Dann rauschte er nach einem Fahrfehler allerdings selbstverschuldet in die Wand von Kurve 1, wobei er die Aufhängung seines Wagens so schwer beschädigte, dass er den E-Prix aufgeben musste.

Es ist nach dem Qualifying in Diriyya sein zweiter schwerwiegender Fehler der Saison. In Kapstadt kostete der Crash Günther einen möglichen Sieg sowie wichtige Meisterschaftspunkte. Neben den drei ABT-Fahrern Nico Müller, Robin Frijns und Kelvin van der Linde ist er somit nach wie vor einer von nur vier Piloten, die in diesem Jahr noch nicht in die Top 10 fuhren.

FAZIT: Mit einem kostspieligen Fahrfehler beendete Günther sein Rennen selbst. Wie wir ihn kennen, ärgert er sich selbst aber wohl am meisten über den Fehltritt.

10. Jake Dennis | Avalanche Andretti | 5.7 Punkte

Nach einem herausragenden Saisonstart musste Jake Dennis in Hyderabad und Kapstadt zwei Rückschläge hinnehmen: In Indien schaffte er es nach einem Unfall nur auf Platz 16 ins Ziel, in Südafrika raubte ihm eine Strafe entscheidende Punkte. Besonders bitter: An den zu niedrigen Reifendrücken, die die FIA bei Dennis' Wagen feststellte, konnte der Brite nichts ändern.

FAZIT: Zwei "Nuller" in Folge, das tut weh.

Die weiteren Positionen im Fahrer-Rating:

 

Position Fahrer Note Startplatz Endergebnis
11. Stoffel Vandoorne (DS Penske) 5.7 12. 7.
12. Jake Hughes (Neom McLaren) 5.3 13. 10.
13. Pascal Wehrlein (TAG Heuer Porsche) 5.3 6. DNF
14. Norman Nato (Nissan) 5.0 9. 8.
15. Andre Lotterer (TAG Heuer Porsche) 5.0 15. 9.
16. Sergio Sette Camara (Nio 333) 4.7 16. 12.
17. Edoardo Mortara (Maserati MSG) 4.7 17. DNF
18. Sam Bird (Jaguar TCS Racing) 4.7 - DNS

* Da die Fahrer von Mahindra und ABT Cupra nicht am Qualifying und Rennen teilnahmen, wurden Lucas di Grassi, Oliver Rowland, Nico Müller und Kelvin van der Linde im Fahrer-Rating zum Kapstadt E-Prix 2023 nicht berücksichtigt.

So hat die Redaktion abgestimmt:
Fahrer Tobias Bluhm Timo Pape Tobias Wirtz Durchschnitt
01. Antonio Felix da Costa 9 10 9 9,33
02. Jean-Eric Vergne 9 8 9 8,67
03. Sacha Fenestraz 7 9 9 8,33
04. Nick Cassidy 7 8 8 7,67
05. Rene Rast 8 7 8 7,67
06. Dan Ticktum 7 8 8 7,67
07. Mitch Evans 6 7 9 7,33
08. Sebastien Buemi 8 7 7 7,33
09. Maximilian Günther 6 6 6 6,00
10. Jake Dennis 5 5 7 5,67
11. Stoffel Vandoorne 6 6 5 5,67
12. Jake Hughes 5 5 6 5,33
13. Pascal Wehrlein 5 5 6 5,33
14. Norman Nato 4 5 6 5,00
15. Andre Lotterer 6 5 4 5,00
16. Sergio Sette Camara 5 4 5 4,67
17. Edoardo Mortara 5 4 5 4,67
18. Sam Bird 5 4 5 4,67

 

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