Max Günther im Formel-E-Interview: "Verbesserungspotenzial gibt es natürlich immer"
Timo Pape
Derzeit bestritt Maximilian Günther im BMW iFE.21 die offiziellen Vorsaison-Testfahrten der Formel E in Valencia. Gut anderthalb Monate später geht der Allgäuer nach einem erfolgreichen Debütjahr in seine zweite Saison als Werksfahrer von BMW i Andretti Motorsport. Im Interview nennt er Verbesserungspotenziale im Team, schätzt seinen neuen Teamkollegen Jake Dennis ein und erklärt, warum er im Sommer nach Monaco umgezogen ist.
Max, wie hast du die Zeit seit dem Finale von Saison 6 in Berlin verbracht?
Für mich ging es nahtlos über in die neue Saison. Wir hatten direkt die ersten Testfahrten mit dem neuen Auto. So ging es dann für mich im Prinzip in den vergangenen Monaten auch weiter: viele Testfahrten mit dem neuen Auto, Simulatortests in München und sehr viele Meetings sowohl virtuell als auch in München bei BMW Motorsport mit meinen Ingenieuren. Die Off-Season war bis jetzt sehr produktiv, und wir freuen uns alle, dass es jetzt wieder losgeht.
Du hast nicht nur getestet, sondern bist auch umgezogen - weg aus Kempten direkt ins Fürstentum.
Genau, ich bin direkt nach den Rennen in Berlin nach Monaco umgezogen. Es war für mich aus verschiedenen Gründen ein toller Schritt. Monaco ist für mich als Sportler ein toller Ort, denn die Trainingsbedingungen sind erstklassig, egal ob es die Fitnessstudios, Laufstrecken oder Rennradstrecken sind. Dazu noch das konstante Klima mit den ganzjährig angenehmen und warmen Temperaturen, und natürlich sind sehr viele andere Sportler in Monaco. Ich habe mir den Ort auch ausgesucht, um unter Kollegen und Sportlern, die einen ähnlichen Lifestyle haben, leben zu können. Schon als ich klein war und die Formel 1 in Monaco geschaut habe, waren eigentlich immer meine beiden Ziele, einmal in Monaco Rennen zu fahren und im Idealfall auch dort zu leben. Beides ist in den vergangenen Jahren in Erfüllung gegangen.
Wie hast du dich auf die Testfahrten in Valencia vorbereitet?
In erster Linie mit Simulatorfahrten in München. Die Vorbereitungen auf so einen offiziellen Test sind eigentlich sehr ähnlich zu den Vorbereitungen auf ein Rennwochenende. Es geht darum, auch hier verschiedene Szenarien zu simulieren. Vom schnellen Fahren auf einer Runde wie beim Qualifying, bis hin zur Rennsimulation mit Blick auf die Energieeffizienz wird alles geplant und getestet. Natürlich auch noch einige andere Dinge, die gerade bei Testfahrten im Vordergrund stehen, wie verschiedene Setups und bestimmte Ideen, die man noch vor der Saison abchecken möchte.
Im vergangenen Jahr lief es mit der Gesamtbestzeit in Valencia ausgezeichnet für dich...
Die Testfahrten sind für mich tatsächlich sehr gut gelaufen. Damals war ich neu im Team. Die Situation ist jetzt natürlich total anders: Ich kenne das Team mittlerweile sehr gut, und natürlich sind es andere Voraussetzungen. Nach einem ganzen Jahr Zusammenarbeit weiß man genau, wie der andere tickt, und man kann auf dieser gemeinsamen Basis aufbauen. Generell ist das Team fast identisch geblieben und schon zu einer Familie geworden. Ich fühle mich sehr wohl mit dem Team und freue mich sehr darauf, mit den Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr nun in die neue Saison zu starten.
In der Formel E steht der Fahrer im Fokus. Wie wichtig ist dabei das Zusammenspiel mit deinem Renningenieur?
Ich würde sagen, dass der Fahrer in der Formel E im Vergleich zu anderen Serien mehr im Vordergrund steht. Das macht mir an der Serie unheimlich viel Spaß. Es ist extrem herausfordernd - und ja, die Zusammenarbeit mit den Renningenieuren ist unheimlich wichtig. Man bekommt im Fernsehen oft mal Ausschnitte mit, wie viel wir kommunizieren. Das ist bis ins letzte Detail geplant, und jede Absprache muss sitzen. Wir verlassen uns mittlerweile blind aufeinander und wissen genau, wovon der andere redet - und das alles unter großem Stress und massivem Zeitdruck.
Wo liegen deine größten Stärken und die des Teams?
Unsere größte Stärke ist, dass wir als Team unheimlich kompakt sind. Wir haben alle Zutaten, um in dieser Meisterschaft sehr viel zu erreichen. Wir wissen sehr gut, worauf es ankommt. Die Kunst bei uns ist, dass wir im Detail arbeiten und tüfteln und versuchen, alles zu optimieren, aber am Ende des Tages trotzdem haargenau wissen, worauf es ankommt, und mit einem sehr klaren Mindset in ein Rennwochenende gehen. Ich glaube, dass wir auf diese Weise als Team mit den ganzen Herausforderungen der Formel E, die jedes Wochenende auf uns zukommen, sehr gut umgehen können.
Wo kannst du dich im Vergleich zu Saison 6 am meisten verbessern?
Verbesserungspotenzial gibt es natürlich immer, und man versucht, an allen Kleinigkeiten zu arbeiten. Ich glaube, eine spezielle Herausforderung in der Formel E ist das Qualifying-Format. Wir waren vergangene Saison fast ausschließlich in Gruppe 1, was grundsätzlich natürlich ein gutes Zeichen ist, weil es heißt, dass man in der Meisterschaft beständig weit vorne ist. Aber es bringt natürlich auch viele Herausforderungen mit sich. Leider haben wir es nicht oft genug geschafft, aus Gruppe 1 heraus in die Super-Pole zu kommen oder grundsätzlich in eine gute Ausgangslage. Das haben wir uns über die Off-Season natürlich sehr genau angesehen und auch die richtigen Schlüsse gezogen, denke ich.
Wie gut kennst du deinen neuen Teamkollegen Jake Dennis bereits?
Ich kenne Jake bereits aus Formel-3-Zeiten, wir waren 2015 sogar für ein Rennen Teamkollegen. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis und uns von Anfang an bei den Testfahrten super ausgetauscht. Im Endeffekt haben wir einfach sofort die Arbeit miteinander aufgenommen. Ich freue mich sehr, dass Jake im Team ist und dass wir zusammen in die neue Saison starten können. Er ist ein Typ, der technisch viel Know-how hat, auch durch seine Erfahrungen im Simulator bei Red Bull Racing und die Rennen in der DTM, wo er bereits auf sehr hohem Niveau Motorsport betrieben hat. Ich denke, er passt sehr gut in die Formel E und es steht einer erfolgreichen Zusammenarbeit unter Teamkollegen nichts im Wege.
Wie gehst du mit der Ungewissheit aufgrund der Corona-Pandemie um - auch in Bezug auf den Rennkalender?
Natürlich ist es eine sehr besondere Situation mit Corona, das betrifft uns alle. Mit der Ungewissheit bezüglich der Rennen versuche ich aber so entspannt wie möglich umzugehen und mir nicht schon im Vorfeld zu viele Gedanken zu machen. Flexibilität ist hier wohl das A und O. Das akzeptiere ich natürlich zu 100 Prozent und stelle mich darauf ein, mit allen Herausforderungen, die damit verbunden sind, so gut wie möglich umzugehen.
Fotos: Shivraj Gohil / Spacesuit Media
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