Formel E

Max Günther lobt "spektakuläres" neues Qualifying-Format der Formel E und erklärt einzigen Nachteil

Timo Pape

Timo Pape

Max-Günther-London-2021

Maximilian Günther ist vom neuen Qualifying-Format der Formel E überzeugt. Der ehemalige BMW-Pilot, der ab der kommenden Saison 2022 für Nissan an den Start gehen wird, freut sich auf spektakuläre Duelle und einen neuen Grad der Chancengleichheit, zeigt allerdings auch einen Nachteil des grunderneuerten Systems auf.

Nachdem die Topfahrer der Meisterschaft in der Vergangenheit stets durch ihre Qualifying-Gruppe benachteiligt wurden, hat die Formel E für die kommende achte Saison das Format verändert: In zwei Zeitfahrgruppen qualifizieren sich zunächst die jeweils besten vier Piloten für eine Knock-out-Phase. Anschließend geht es in Viertelfinal-, Halbfinal- und Finalduellen um die Pole-Position (ausführliche Erklärung unterhalb - zuklappen zum Überspringen).

Wie funktioniert das Qualifying der Formel E ab 2022?

Gruppenphase bestimmt die Top 8

Das Qualifying beginnt mit einer Gruppenphase. Das derzeit aus 22 Fahrzeugen bestehende Feld wird dafür in zwei Gruppen zu je elf Fahrzeugen aufgeteilt. Die Aufteilung erfolgt anhand des aktuellen WM-Standes: Piloten auf den ungeraden Positionen der Gesamtwertung (1, 3, …) treten in Gruppe A an, Fahrer auf geraden Positionen (2, 4, ...) in Gruppe B. Fahrer, die am Rennwochenende nicht teilnehmen, werden vorher aus der Reihung entfernt, neue hinten angestellt. Vor einem ersten Saisonrennen muss jedes Team entscheiden, welcher seiner Fahrer in Gruppe A starten soll und welcher in Gruppe B.

Jede Gruppe erhält zehn Minuten Zeit, um schnelle Rundenzeiten mit 220 kW Leistung (= Rennmodus) zu setzen. Dabei kann jeder Fahrer so viele Runden fahren, wie er will, ist jedoch verpflichtet, innerhalb der ersten fünf Minuten mindestens eine schnelle Rundenzeit zu setzen. Am Ende ziehen die Piloten auf den Plätzen 1 bis 4 jeder Gruppe ins K.o.-System ein. Jene Fahrer auf den Positionen 5 bis 11 werden später auf den Startplätzen 9 bis 22 einsortiert - wo genau, entscheidet sich erst zum Schluss. Fest steht jedoch bereits: Die Gruppenplatzierung eines Fahrers entspricht seiner Startreihe, unabhängig von seiner Bestzeit. Die insgesamt schnellste Runde der Gruppenphase wird mit einem WM-Punkt belohnt.

Duelle bis zum Finale, Pole-Position für ganze Gruppe relevant

Für die Top 8 beginnt nun die K.o.-Phase, in der stets zwei Piloten im Einzelzeitfahren mit der Maximalleistung von 250 kW gegeneinander antreten. Im Viertelfinale 1 tritt der schnellste Fahrer aus Gruppe A zum Duell gegen den Viertplatzierten aus Gruppe B an. Es folgen der Zweite aus Gruppe A gegen den Dritten aus Gruppe B usw. (siehe Grafik). Beide befinden sich zum Duell gleichzeitig auf der Strecke, wobei der in der Gruppenphase schlechter Platzierte zuerst seine schnelle Runde drehen muss (plus je eine Out- und Inlap). Die Sieger ziehen ins Halbfinale ein, die Verlierer erhalten die Startpositionen 5 bis 8 auf Grundlage ihrer Rundenzeiten.

Das gleiche Prozedere wiederholt sich in den beiden Halbfinalduellen sowie im Finale, in dem es um die Pole-Position und drei WM-Punkte geht. Außerdem ist der Ausgang des Finales entscheidend für die eingangs erwähnten Startplätze 9 bis 22: Alle Fahrer aus der Gruppe des Pole-Sitters starten ebenfalls auf einer ungeraden Position, erhalten also die bessere Ausgangslage in ihrer bereits definierten Startreihe.

 

"Echt mega, ein cooles Format", findet Max Günther und erklärt exklusiv gegenüber 'e-Formel.de': "Ich glaube, es passt sehr gut zur Serie. Ein sehr spektakuläres Format, völlig anders als in anderen Rennserien. Vor allem der K.o.-Modus ist etwas, das den Fans gefallen wird und auch für uns Fahrer cool ist. Ich stehe dem Ganzen wirklich sehr, sehr positiv gegenüber."

In seinen Augen hat die Formel E genau das geschaffen, was sie wollte: mehr Fairness in der Qualifikation. "Ich sehe viele positive Dinge, weil es jetzt in deinen eigenen Händen liegt, in die Top 4 deiner Gruppe zu kommen. Wenn du das schaffst, ist ein gutes Wochenende möglich, weil du dann im schlechtesten Fall auf Platz 8 startest. Damit hast du gute Möglichkeiten, richtig weit vorne zu landen."

Max Günther: "Gruppe 1 hat eigentlich immer einen Vorteil"

Bislang hatten es die Topfahrer zumeist schwer, sich in der WM abzusetzen, weil die Teilnahme an der durch fehlenden Grip benachteiligten Gruppe 1 zumeist einen Start am Ende des Feldes bedeutete.

Einfacher werde das Qualifying durch die Anpassung allerdings nicht: "Es gibt trotzdem eine unheimlich hohe Leistungsdichte, und man kann nicht jedes Rennen gewinnen oder in den Top 5 landen. Aber zumindest hast du die Chance, dich mit deiner persönlichen Leistung und Qualität über eine Saison viel konstanter durchzusetzen", so Günther.

Der gebürtige Allgäuer hat jedoch auch eine Schwachstelle am neuen Qualifying-System ausgemacht, die sich nicht vermeiden ließ. "Natürlich gibt es bei allem Vor- und Nachteile. Gruppe 1 hat eigentlich immer einen Vorteil, weil die Reifen länger Zeit haben, um für den K.o.-Modus abzukühlen. Du kannst die Reifen ja im ganzen Quali völlig frei einsetzen und durchrotieren, wie du willst." Dies sei der einzige nennenswerte Kritikpunkt.

Erster Probedurchlauf in Valencia

Günther gibt uns ein Beispiel: "Du bist in Gruppe 1 und qualifizierst dich in den Top 4, dann hast du die ganze Gruppe 2 lang Zeit, um die Reifen abzukühlen. Gruppe 2 hingegen hat generell einen Nachteil, der schon schwierig zu kompensieren ist - natürlich je nach Strecke und Bedingungen." Nach dieser Logik hätte derjenige Fahrer, der sich in Gruppe 2 als Vierter qualifiziert, den größten Nachteil. Denn er muss direkt nach Ablauf der zweiten zehn Minuten zum Viertelfinale gegen den Gewinner aus Gruppe 1 antreten.

Unter dem Strich bleibt aber sehr viel Positives: "Es ist super, dass das Qualifying geändert wurde und dass das Problem dieser extremen Ups and Downs an der Wurzel gepackt wurde", resümiert Günther. "Wir werden in Valencia (bei den offiziellen Vorsaison-Testfahrten vom 29. November bis 2. Dezember) die erste Übung fahren - darauf bin ich schon sehr gespannt und freue mich mega!"

Pascal Wehrlein: "Das neue Qualifying macht es fairer für alle"

Sein Landsmann Pascal Wehrlein schätzt das neue Qualifying-Format indes ähnlich ein. Gegenüber dem 'AvD Motor & Sport Magazin auf SPORT1' sagt der Porsche-Pilot: "Ich bin Fan von einem neuen Qualifying-Format. Mit dem alten wurden immer die ersten in der Meisterschaft gehandycapt."

Weiter führt Wehrlein aus: "Die mussten dann im Qualifying immer als erstes rausfahren, und da ist die Strecke ja bekanntermaßen schmutziger und dadurch langsamer. Das neue Qualifying macht es fairer für alle. Da wird sich vorher schon herauskristallisieren, wer Favorit ist."

Wie spektakulär das neue Qualifying-Format tatsächlich wird, und wie sehr sich der von Günther prognostizierte Nachteil für Gruppe 2 auswirken wird, erfahren wir unter Wettbewerbsbedingungen erstmals beim Formel-E-Saisonstart in Saudi-Arabien Ende Januar.

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