McLaren-Teamchef Ian James: "zuversichtlich, dass wir im Gen4 eine Frau am Start haben werden"
Tobias Wirtz

Francois Asal / Spacesuit Media
Mit der erstmaligen Durchführung eines reinen Frauentests bei den Vorsaison-Testfahrten der Formel E in Madrid hat die Rennserie im letzten Jahr einen großen Schritt gemacht, nach vielen Jahren wieder Fahrerinnen in die Formel E zu bringen. Formell gibt es jedoch aktuell noch ein weiteres Hindernis, das eine weibliche Pilotin in der Formel E verhindern würde: Das Superlizenz-System des Automobil-Weltverbandes FIA, das eine Mindestpunktzahl zum Erwerb eine E-Lizenz vorschreibt. McLaren-Teamchef Ian James deutet jedoch an, dass es hier Anpassungen geben könnte.
Die Formel E ist in der Motorsportwelt ein Sonderfall, was das Thema Rennlizenz, die sogenannte e-Lizenz, angeht. Während für die Teilnahme an Testfahrten, wie zum Beispiel dem Rookie-Test am Montag nach dem Berlin E-Prix, mit einer relativ leicht zu erwerbenden Internationalen B-Lizenz möglich ist, hängen an der erstmaligen Ausstellung einer Rennlizenz deutlich härtere Kriterien.
Zum einen müssen Fahrer:innen eine spezielle FIA-Schulung absolvieren, die sich auf elektrische Sicherheit, die besonderen Merkmale des vollelektrischen Formel-E-Rennwagens sowie technische und sportliche Aspekte der Formel E konzentriert - hier gibt es signifikante Unterschiede zu Rennserien, in denen mit Verbrennungsmotoren gefahren wird. Zusätzlich müssen Fahrer:innen in den letzten drei Jahren mindestens 20 Punkte nach dem FIA-Punktesystem gesammelt haben, das für die Qualifikation für eine Superlizenz verwendet wird.
Keine Frau hat derzeit genug Punkte
Das FIA-Punktesystem soll sicherstellen, dass Fahrer:innen gewisse Erfahrungen und Erfolge in Nachwuchsklassen des Formelsport vorweisen können, bevor sie den Aufstieg in die Top-Serien Formel 1 und Formel E machen können. Zusätzlich gibt es auch Punkte - jedoch deutlich weniger - für Fahrer in anderen Serien, zum Beispiel der Langstrecken-Weltmeisterschaft oder der DTM. Damit will der Automobil-Weltverband nur den besten Fahrer:innen den Aufstieg in die höchsten Rennserien ermöglichen.
20 Zähler sind zwar nur halb so viele Punkte, wie für eine Superlizenz in der Formel-1-Weltmeisterschaft notwendig sind, aber hieran scheitert es aktuell bei sämtlichen Fahrerinnen: So ist laut "Super Licence Tracker" Abbi Pulling mit 19 Punkten die Frau, die gerade am nächsten an einer e-Lizenz dran wäre. Das Problem: Sieben ihrer gesammelten Punkte bekam sie 2022 für den vierten Platz in der W Series, diese entfallen also am Jahresende. In der GB3-Meisterschaft, die sie dieses Jahr bestreitet, liegt sie nach drei von acht Rennwochenende nur auf Position 17, sammelt also voraussichtlich keine neuen Punkte.
Ähnlich geht es Jamie Chadwick, die mit derzeit 17 Punkten ebenfalls nah dran ist: Sie verliert am Jahresende gar 15 ihrer 17 Zähler, sodass sie mit dem 7. Platz in der Indy NXT 2024 nur noch zwei Punkte hält. Doriane Pin, die aktuell ebenfalls 17 Punkte hat und die Gesamtwertung der F1 Academy anführt, könnte es hingegen in dieser Saison schaffen, die 20 Punkte zu erreichen. Formel-E-Verbindungen hat die Französin, die im Nachwuchsprogramm von Mercedes aktiv ist, jedoch bislang keine.
"Wir werden nochmal Gespräche mit der FIA haben"
Dennoch ist McLaren-Teamchef Ian James davon überzeugt, dass wir in der Gen4-Ära der Formel E wieder eine Fahrerin am Start sehen werden. Mit Michela Cerruti, Simona de Silvestro und Katherine Legge gab es in der Formel-E-Geschichte bislang drei Pilotinnen, die Rennen bestritten haben. Zuletzt sahen wir eine Frau jedoch beim London E-Prix 2016 am Start. "Ob es das erste oder das zweite Gen4-Jahr sein wird, kann ich nicht sagen - aber ich bin zuversichtlich, dass wir in der Gen4-Ära wieder eine Frau am Start haben werden", beschreibt James auf Nachfrage von e-Formel.de.
"Wir sind mit der FIA immer im Gespräch über die (Lizenz-)Punkte", beschreibt er weiter, dass das Problem auch bereits beim Automobil-Weltverband bekannt ist. "Das Thema hatten wir aber nicht nur bei den Frauen, sondern in der Vergangenheit auch bei Männern. Zum Beispiel bei Charlie Eastwood, der für uns Ersatz- und Entwicklungsfahrer war. Er hat ein sehr großes Talent, aber er hat nicht die notwendigen Punkte für eine e-Lizenz."
"Ich glaube, es gibt auch Gesprächsbedarf", ergänzt er. "Was für mich ganz, ganz wichtig ist - egal ob ein Mann oder eine Frau -: Wir müssen frische Talente in das Paddock hineinbringen. Wir als Team haben das, meiner Meinung nach, auch schon vorangetrieben. Wir haben Jake Hughes mit reingebracht, wir haben Taylor Barnard mit reingebracht, beide auch mit viel Erfolg. Wir müssen das irgendwie verbessern, wir brauchen diese Möglichkeit. Das ist wichtig. Von daher glaube ich, wir werden nochmal Gespräche mit dem FIA haben."
Bevor die Gen4-Ära der Formel E beginnt, stehen zunächst jedoch die zwölfte Saison sowie die letzten beiden "Double-Header" der elften Saison der Formel E an. Weiter geht es am 12. und 13 Juli in Deutschland: Für den Berlin E-Prix gibt es aktuell auch noch Tickets zu erwerben.
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