Mit Attack-Mode-Kniff an die WM-Spitze: Mortara nach Marrakesch-Erfolg "überrascht & überglücklich"
Tobias Bluhm
Mit seinem dritten Saisonsieg in Marrakesch hat Venturi-Fahrer Edoardo Mortara die Führung in der Formel-E-WM 2022 übernommen. Beim E-Prix in der "roten Stadt" nutzte der Genfer eine kluge Attack-Mode-Strategie, um sich von seinen DS-Rivalen abzusetzen und sich in einer actionreichen Schlussphase einen Vorteil zu erarbeiten. Nach dem Rennen erklärte der Schweizer, warum er dennoch "überrascht" von seinem Tempo gewesen sei.
Schon im 1. Freien Training am Freitagabend stellte Mortara das Potenzial seines Venturi-Fahrzeugs unter Beweis, als er die erste Sessionbestzeit des Wochenendes aufstellte. Bei hohen Außentemperaturen am Samstag - das Thermometer zeigte während des Rennens bis zu 33 Grad Celsius an - hatte er jedoch etwas mehr mit seinem Renner zu kämpfen.
"Im 2. Freien Training hatten wir viele Probleme, vor allem mit den Bremsen. Es sah so aus, als würden wir die Trendwende gar nicht mehr schaffen, aber bis zum Qualifying hat mein Team unglaubliche Arbeit geleistet", verrät Mortara. "Während des Rennens haben wir unseren Strategieplan einfach perfekt umgesetzt. Alles ist glatt gelaufen, das macht mich extrem glücklich!"
Der 35-Jährige berichtet: "Hinter dir machen die Leute viel Druck, und du musst intelligent bleiben. Es gab viel zu managen, etwa die Reifen, Batterietemperaturen und das Energielevel. Das war sehr schwer, weil ich ein bisschen auf mich allein gestellt war. Ich war überrascht, dass wir (auch ohne Windschatten) vorn bleiben konnten und so gute Pace hatten."
Details zur Rennstrategie möchte Mortara nicht verraten, beschreibt aber: "Man will natürlich so wenig Zeit wie möglich in Zweikämpfen verlieren. Da muss man anpassungsfähig sein. Bei den Attack-Modes habe ich gesehen, dass Oliver Rowland ziemlich aggressiv und stürmisch mit den anderen umging. Deswegen habe ich meine Führung ausgebaut, während er mit Antonio (Felix da Costa) gekämpft hat."
Dieses Zeitpolster nutzte Mortara im weiteren Verlauf des E-Prix, um Energie zu sparen. "Das hat mir während des gesamten Rennens geholfen. Denn um mich einzuholen, mussten sie mehr aus ihren Reifen und Batterien herausholen."
Mortara selbst agierte bei seinen zwei verpflichtenden Attack-Modes vergleichsweise passiv. In beiden Sequenzen schien er primär auf Undercut-Versuche der DS-Techeetah-Fahrer zu reagieren, mit denen die Schwarz-Goldenen versuchten, durch eine frühere Aktivierung sogenannte "Track-Position" gegenüber Mortara zu gewinnen. Ein Blick auf die Renndaten zeigt: Der Schweizer aktivierte seinen 250-kW-Modus in beiden Fällen genau eine Runde nach seinem WM-Konkurrenten Jean-Eric Vergne. Auch Felix da Costa ging stets kurz vor ihm in die Aktivierungszone.
Mittendrin im WM-Kampf: "Bislang läuft es sehr gut!"
Mortaras Rennstatistik wirkt dank seines Siegs noch bemerkenswerter, als sie ohnehin ist: In den vergangenen vier Läufen sammelte er vier Podien. In Marokko verbuchte er zudem den insgesamt dritten Sieg seines Jahres. Womöglich ein weiteres gutes Omen: Schon 2021 übernahm er sechs Rennen vor dem Saisonabschluss mit einem Sieg die WM-Führung. Damals wahrte er bis zum letzten Rennen seine Titelchancen. "Und dieses Mal sind wir sogar noch konkurrenzfähiger als im vergangenen Jahr", ist sich Mortara sicher.
"Mit dem geänderten Qualifying-Format haben die Meisterschaftsführenden bessere Chancen, jedes Mal vorn mitzufahren. Das haben wir bei den letzten vier Rennen bewiesen. Nun wollen wir es selbstverständlich in New York wiederholen. Das wird bei der starken Konkurrenz natürlich schwer, aber bislang läuft es sehr gut!"
Nach dem Marokko-Rennen liegt Mortara elf Punkte vor Vergne auf Position 1 in der Fahrerwertung. In der Team-WM bescherte er Venturi gemeinsam mit Lucas di Grassi ebenfalls die Führung. Die Monegassen rangieren einen Punkt vor DS Techeetah und sechs Punkte vor Mercedes-EQ. Die nächste Gelegenheit auf Zähler gibt es bereits in zwei Wochen, wenn der Formel-E-Tross am 16./17. Juli zum New York City E-Prix in die USA reist.
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