Formel E

Montreal: Ladenbesitzer beklagen Verluste durch Formel-E-Rennen

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Das Drama um das Formel-E-Rennen in Montreal geht in die nächste Runde. Nachdem der ePrix durch immer größere Anwohnerbeschwerden in den vergangenen Wochen zum Wahlkampfthema einer anstehenden Kommunalwahl aufstieg, heizt eine neue Umfrage unter anliegenden Ladenbesitzern die Gemüter in Kanada erneut auf. Das Ergebnis der Studie: Jeder dritte Geschäftsmann im Bereich der Strecke beklagte nach dem Formel-E-Rennen finanzielle Verluste, nur die wenigsten Geschäfte profitierten vom Rennen.

"Wir haben einen Fragebogen an jeden Ladenbesitzer im Bereich der Strecke verteilt, insgesamt 70 Besitzer haben geantwortet", erklären Karim Kammah und Heidi Miller von 'Formule Citoyenne', einer Bürgervereinigung, die seit Wochen im Internet gegen das Formel-E-Rennen in Montreals Innenstadt mobilisiert. "Insgesamt 70 Prozent aller Befragten gaben an, negativ vom Rennen beeinflusst worden zu sein. Während 28,6 Prozent keine Verluste vermerkten, gaben gerade einmal 1,4 Prozent aller Besitzer an, von der Formel E profitiert zu haben."

Wie aus einem Papier der Organisation hervorgeht, bewegten sich die finanziellen Verluste zwischen umgerechnet 300 und 12.000 Euro pro Geschäft. "Ich habe extra für die Formel E 80 Sandwiches vorbereitet", äußert sich ein frustrierter Ladenbesitzer, "davon verkauft habe ich vier. Üblicherweise verkaufe ich pro Wochenende außerdem 30 Mahlzeiten von meiner Mittagskarte. Dieses Mal waren es zwei."

Beschwerden keine Neuigkeit

Die Formel E erlebt damit in Montreal ein Déjà-vu: Schon an der Karl-Marx-Allee in Berlin (2016) und im Londoner Battersea Park (2015, 2016) gab es ähnliche Beschwerden von Ladenbesitzern. Der Fischhändler La Mer ist inzwischen beispielhaft für das organisatorische Desaster in Montreal geworden: Der Eingang zu dem bei Einwohnern eigentlich beliebten Geschäft verschwand während des Rennwochenendes vollständig hinter der Tribüne in Kurve 1. Über mehrere Tage bedienten die Angestellten dadurch keinen einzigen Kunden.

"Alle anderen Events im Rahmen von Montreals 375-Jahr-Feier haben uns nichts gekostet", argumentiert ein weiterer Ladenbesitzer. "Die Parade der Riesenfiguren, der Marathon… Alle, außer die Formel E." Grund für die finanziellen Einbußen sind aller Wahrscheinlichkeit nach die Food-Trucks, die im Formel-E-Fan-Dorf, dem eVillage, Essen und Getränke verkauften. Verständlicherweise verließen nur die wenigsten Rennbesucher das Gelände, um in der Nachbarschaft essen zu gehen.

Erst am Mittwochabend, über drei Monate nach dem Rennen, gab der Veranstalter nach heftigem politischem Druck erste Zahlen zu den verkauften Tickets heraus. Von ursprünglich erwarteten 60.000 Besuchern kamen gerade einmal 45.000 Zuschauer an die Strecke, wie mehrere kanadische Medien übereinstimmend berichten. Viel erschreckender jedoch: 20.000 dieser Karten wurden offenbar kostenlos (!) an Sponsoren verteilt. Auch für den Veranstalter war der erste Montreal ePrix also ein Misserfolg.

Formel E avanciert zum Politikum: Umzug auf Formel-1-Strecke unausweichlich?

Weniger als eine Woche vor den für den 5. November angesetzten Kommunalwahlen in Montreal deutet sich indes ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Platz des Bürgermeisters zwischen Denis Coderre (Liberale Partei) und Valerie Plante (Projet Montreal) an. Während Coderre, der amtierende Bürgermeister, als klarer Befürworter des Formel-E-Rennens im Stadtzentrum der Quebecer Provinzhauptstadt gilt, sprach sich Plante in der Vergangenheit immer wieder klar gegen das Event aus und forderte eine Verlegung auf die wenige Kilometer östlich gelegene Formel-1-Strecke.

In der letzten Umfrage vor der Wahl führte Plante das Feld der Mittstreiter knapp mit 39 Prozentpunkten an, Coderre steht nach aktuellem Stand bei 37 Prozent. Sollte die 43-Jährige die Wahl mit ihrem sozialdemokratisch geprägten Programm für sich entscheiden, könnte die Zukunft der Formel E womöglich nicht mehr im Sainte-Marie-Bezirk, sondern auf dem Circuit Gilles Villeneuve liegen. Auch Manon Masse, Bezirksbürgermeisterin in Sainte Marie, ist Gegnerin des ePrix in ihrem Stadtteil.

Fest steht: Die Formel E besitzt einen gültigen Vertrag bis einschließlich 2019 mit Montreal. Ob sich die kanadischen Formel-E-Fans aber womöglich schon im nächsten Jahr von der Location in der Nähe der Montrealer Universität verabschieden und auf eine schnelle Alternativlösung für das Rennen hoffen müssen, entscheidet sich erst nach den Kommunalwahlen am Wochenende. Für den Moment bleibt das Doppel-Event als Saisonabschluss für den 28. und 29. Juli 2018 im Formel-E-Kalender fixiert. Wir halten dich in der Causa Montreal selbstverständlich auf dem Laufenden.

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