Formel E

Montreal: Neue Vorwürfe gegen Ex-Bürgermeister, "Event-Promoter" als Mantelfirma entpuppt

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Das Drama vom Montreal geht in die nächste Runde. Schon in den letzten Monaten berichteten wir immer wieder über das politische Chaos, das das Formel-E-Doppelfinale im vergangenen Sommer in der Stadt hinterließ. Inzwischen ist der E-Prix, der ursprünglich bis 2019 in der Stadt stattfinden sollte, nach einer politischen Schlammschlacht für die aktuelle Saison abgesagt worden. Das letzte Formel-E-Rennen in der 2017/18er-Saison findet nun, wie es anfänglich schon im Vorjahr vorgesehen war, in New York City statt. Ende gut, alles gut - oder?

Leider immer noch nicht ganz. Nach einer monatelangen Untersuchung des Montrealer Generalinspekteurs Denis Gallant gelang nun ein finaler Bericht zum Formel-E-Rennen ans Licht der Öffentlichkeit. Der Report dürfte erneut Öl ins Feuer der eigentlich abgeklungenen Diskussion gießen.

Schließlich belastet Gallants 42-seitiges Papier Denis Coderre, den ehemaligen Bürgermeister der Stadt, und wirft dem 54-Jährigen nicht nur vor, juristischen Rat ignoriert zu haben, sondern dem Veranstalter des Formel-E-Rennens auch unerlaubt einen Vorteil gewährt zu haben, um das Event 2017 zu realisieren.

Die mehrere Monate andauernde Untersuchung stellte unter anderem heraus, dass die Non-Profit-Organisation "Montreal, c'est electrique" (MCE), die die Promotion des Rennens übernehmen sollte, de facto nur eine Mantelgesellschaft für Coderres Regierung war. Ein Großteil der Promotion-Arbeit soll Evenko, der eigentliche Veranstalter des E-Prix, selbst übernommen haben. "MCE wurde nur dafür genutzt, um die Gesetze für die Auftragsvergabe zu umgehen", schlussfolgert Gallant.

Rolle des "Event-Promoters" wirft Fragen auf

Der konkrete Vorwurf des Generalinspekteurs: Coderre suchte sich 2015 persönlich, ohne ein vorheriges Ausschreiben, das Unternehmen Evenko als Veranstalter für den E-Prix aus. Von diesem Vorwurf der Korruption abgesehen soll das Bürgermeisterbüro anschließend das Unternehmen MCE gegründet haben, um Subventionen aus anderen Bereichen der Regierung annehmen zu können. Die staatlichen Finanzspritzen, die für das Rennen benötigt wurden, dürfen nämlich nur an Non-Profit-Unternehmen, nicht aber an die Stadtregierung selbst geleitet werden.

Insgesamt flossen durch dieses Arrangement umgerechnet 2,2 Millionen Euro auf das Konto von MCE, wenngleich dieses Geld ausschließlich vom Bürgermeisterbüro und Evenko verwendet wurde. Die Non-Profit-Organisation, die inzwischen mit einem Schuldenberg von 8,7 Millionen Euro insolvent gegangen ist, hatte laut dem Bericht zudem nur einen einzigen bezahlten Angestellten.

Bei der Promotion des Montreal E-Prix soll "Montreal c'est electrique" einen denkbar kleinen Teil geleistet haben: Die Mitarbeiter des Bürgermeisters trafen offenbar alle wichtigen Entscheidungen, inklusive der Zusammenstellung des MCE-Aufsichtsrats und der Anfragen auf Subventionen aus anderen Bereichen der Regierung (z. B. vom Staat Quebec oder dem Tourismusbüro Montreals).

Evenko kümmerte sich laut Gallant indes als "lokaler Promoter" um den gesamten Rest: Vom Ticketverkauf über Sponsoring-Verträge, die Programmzusammenstellung, das Marketing, die Promotion, die Kommunikation und die Umsetzung des Events am Rennwochenende soll alles über Evenko gelaufen sein. MCE sei in dieser Kette lediglich als hohler "Kommunikationskanal" zwischen Stadt und Evenko benutzt worden, heißt es.

Ex-Bürgermeister bleibt wehrhaft

Der Bericht des Montrealer Generalinspekteurs legt zudem nahe, dass Coderre wiederholte Warnungen und Einwände der Rechtsabteilung seiner Regierung ignoriert haben müsse. Die Rechtsexperten hätten den Bürgermeister demnach mehrmals davor gewarnt, dass MCE einen umfangreicheren Aufgabenbereich ausfüllen müsse als die einfache Koordination der Werbung. Coderre soll diese Warnungen jedoch mehrmals ausdrücklich ignoriert haben, um das Rennen als Teil der 375-Jahr-Feier Montreals zu realisieren.

Der PLC-Politiker, der in einer Kommunalwahl im letzten November abgewählt wurde, zeigt sich indes wehrhaft: "Ich denke weiterhin, dass das, was wir getan haben, im Rahmen des Rechts war", erklärte Coderre kürzlich bei 'Radio-Canada'. "(Der Generalinspekteur) behauptet, dass MCE nur erschaffen wurde, um indirekt das zu tun, was direkt nicht erlaubt wäre. Ich muss dem widersprechen. Die Rolle von MCE war es nämlich außerdem, die Elektrifizierung des Transportwesens zu fördern."

Die neuesten Entwicklungen in Montreal werfen ohne Zweifel jede Menge neue Fragen bezüglich des Formel-E-Rennens auf. Das Montreal-Dossier füllt sich mit den Anschuldigungen des Montrealer Generalinspekteurs weiter. Fest steht nur eines: Die Nachspielzeit in Montreal ist noch lange nicht vorbei. Wenn sich etwas Neues in Kanada tut, lassen wir es dich natürlich auf unserer Webseite wissen.

Foto: Shivraj Gohil / Spacesuit Media

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