Formel E

Nach 4 Jahren: Die Formel E im Vergleich mit der Formel 1

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Die 1950er-Jahre waren für den Motorsport eine überaus wilde Ära. Vergleicht man Fotos von heutigen FIA-Serien wie der Formel 1 mit ihren hohen Sicherheitsstandards und windschnittigen Boliden mit den Rennautos aus den frühen Fünfzigern, dann wirkt es beinahe so, als würde es sich um zwei vollkommen verschiedene Sportarten handeln.

Dass sich die "Königsklasse" in ihrer Zeit merklich verändert hat, liegt auf der Hand. Schon früh begannen die ersten Veränderungen an den Boliden: Zuerst wanderte der schwere Motor ins Heck, dann tüftelten die ersten Ingenieure an der Aerodynamik. Später hielten höhere Cockpit-Wände Einzug - und seit 2009 auch die ersten Elektromotoren, die auch den Weg für die spätere Gründung der Formel E ebneten.

Knapp zwei Monate nach dem Ende der vierten Formel-E-Saison sind wir in die dunklen Keller der Motorsport-Archive abgetaucht und haben recherchiert, wie es der Formel 1 nach ihren ersten vier Jahren ging. Selbstverständlich wissen auch wir, dass man beide Serien in ihrer Entwicklung nur schwer miteinander vergleichen kann - interessant ist eine Gegenüberstellung trotzdem.

Horror-Unfall vor einer halben Million Zuschauer

Vorab: Die vierte Formel-1-Saison war eigentlich gar keine Formel-1-Saison. Nach dem Rückzug von Alfa Romeo waren vor der Saison 1952 nicht mehr genügend konkurrenzfähige Formel-1-Autos verfügbar. Die Organisatoren der Serie entschlossen sich also kurzum, die "Automobil-Weltmeisterschaft" übergangsweise einfach nach dem Regelwerk der Formel 2 auszutragen. Auch 1953 fanden die Formel-1-Rennen noch mit Formel-2-Autos statt.

Den Saisonauftakt 1953 feierte die Automobil-WM an einem Ort, der später auch Gastgeber der Formel E werden sollte: Buenos Aires. Alberto Ascari gewann das Rennen nach 97 Runden mit großem Vorsprung und überrundete jeden seiner Konkurrenten, inklusive dem Zweitplatzierten Luigi Villoresi, mindestens einmal. Der Große Preis von Argentinien wurde jedoch von einer der folgenschwersten Katastrophen des Rennsports überschattet, die heute fast vergessen ist.

Eine halbe Million Zuschauer drängten sich in Buenos Aires an den Streckenrand, sodass alle Sicherheitsvorkehrungen versagten und es zur Katastrophe kam: Giuseppe Farinas Wagen geriet in der 32. Runde in die Zuschauermenge, nachdem er versuchte, einem auf die Strecke gelaufenen Fan auszuweichen. 15 Menschen kamen bei dem Unfall ums Leben, 40 weitere erlitten teils schwere Verletzungen. Danach brach das Chaos aus: Alan Brown überfuhr ein Kind, ein Rettungswagen, der zur Unfallstelle eilte, tötete zwei weitere Zuschauer und ein berittener Polizist, der die Menge zurückdrängen wollte, wurde vom Pferd gerissen und zu Tode getrampelt. Aus heutiger Sicht unvorstellbar: Das Rennen ging trotzdem weiter.

Das einzige F1-Rennen mit DDR-Beteiligung

Es folgten mehrere Rennen, die nicht zum offiziellen Kalender der Meisterschaft gehörten. Maserati gewann Läufe in Sizilien und Goodwood, Ferrari in Pau, Neapel und Silverstone. Die nächsten Meisterschaftspunkte wurden erst bei den 500 Meilen von Indianapolis vergeben, die damals zum Formel-1-Kalender gehörten. Übrigens: Durch seinen Sieg im Indy500 wurde der US-Amerikaner Bill Vukovich, der danach bei keinem Formel-1-Rennen mehr teilnahm, am Ende der Saison 1953 Gesamtsiebter.

Die nächste Parallele zwischen Formel E und Formel 1: Spannende Rennen in Frankreich. Auf der Highspeed-Strecke in Reims verlor der in Führung liegende Jose Froilan Gonzalez bei einem Tankstopp viel Zeit, was zu einem packenden Vierkampf in den letzten Runden des Grand Prix führte. Der Sieger Mike Hawthorn gewann mit wenigen Wagenlängen Vorsprung vor Fangio. Die Top 4 trennten nicht einmal fünf Sekunden - eine Seltenheit in der damaligen Ära.

Auch in Deutschland gab es ein Rennen, allerdings nicht in Berlin, sondern auf dem Nürburgring. Pro Nordschleifen-Runde nahm Alberto Ascari der Konkurrenz bis zu zehn Sekunden ab, ehe sein Fahrzeug ein Rad verlor. Ascari kam an die Box und übernahm das Auto von Ferrari-Teamkollege Luigi Villoresi, das er in Runde 15/18 jedoch ebenfalls nach einem Motorschaden abstellen musste. Der Sieg ging an Giuseppe Farina, der dadurch bis heute mit 47 Jahren der älteste Sieger eines WM-Laufes ist.

Der Große Preis von Deutschland war zudem das einzige Formel-1-Rennen der Geschichte mit Beteiligung aus der DDR. Für BMW startete der 46-jährige Rudolf Krause, für die Eisenacher Motorenwerke (EMW, später Wartburg) Edgar Barth. Das Rennen verlief jedoch für den Staatsrat enttäuschend: Barth schied wegen eines defekten Auspuffs aus, Krause wurde 14. und damit Drittletzter. In den folgenden Jahren war die Formel 1 in der DDR als kapitalistischer Unfug verschrien.

Die größte Gemeinsamkeit: Kontroverse

Die größte Gemeinsamkeit von Formel 1 und Formel E nach vier Jahren: die Kontroverse. Obwohl Enzo Ferrari beim Folgerennen in der Schweiz seinen Fahrern "Plätze halten" signalisierte, überholte Ascari in bester "Code 100"-Manier seine nichtsahnenden Teamkollegen, um sich seinen zweiten WM-Titel zu sichern. Wenige Wochen später, am 13. September 1953, fiel erst in der letzten Kurve der letzten Runde des letzten Rennens eine Entscheidung um den Vizetitel - ganz ähnlich wie vor zwei Monaten in New York bei der Formel E.

Fazit: Nach vier Jahren war die hochdramatische Formel 1 ziemlich eindeutig "beliebter" als die Formel E. Bei den heroischen Fahrleistungen, der rohen Technik und den faszinierenden Charakteren ist dies aber auch keine Überraschung. Abgesehen davon verfolgt die Formel E ganz andere Werte als die Formel 1 und hatte nie das Ziel, es mit der "Königsklasse" aufzunehmen.

Während die Formel 1 sich schon damals auf die Fahnen schrieb, stets an der Spitze der technologischen Entwicklung zu stehen und die besten Fahrer der Welt gegeneinander antreten zu lassen, kämpft die Formel E auch um Werte wie Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein. Der Sport an sich ist für einige sogar eher zweitrangig. Betrachtet man die Elektroserie also nicht aus dem einfachen Blickwinkel der Bekanntheit, sondern aus Sicht der eigens erklärten Ziele, könnte man es sogar wagen zu behaupten, dass die Formel E in ihren ersten vier Jahren ähnlich erfolgreich ist, wie es die Formel 1 damals war. Seien wir gespannt, was die Zukunft für die Elektroserie bereithält.

Foto: Lothar Spurzem via Wikimedia (CC 2.0)

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