Formel E

Neuer Antrieb, neuer Teamchef, neue Fahrer: Wie stehen Maseratis Chancen in der Formel E?

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Formula-E-Maserati-Commitment-Gen3

Ein neuer Teamchef, ein neuer Hersteller, ein neues Fahrerduo: Maserati MSG Racing startet mit vielen Unbekannten in die Formel-E-Saison 2023. Die Traditionsmarke mit dem Dreizack im Logo hat dennoch große Ambitionen für die Elektrorennserie. Wie erfolgreich kann die Maserati-Rezeptur sein? Eine Analyse.

Mit viel Selbstbewusstsein präsentierte sich Maserati im Januar 2022 der Öffentlichkeit. Zuvor kursierten monatelang Gerüchte zu einem möglichen Einstieg in die Formel E, den der italienische Autobauer an jenem Tag offiziell in Modena bestätigte. Die Elektroserie wird Maseratis erstes Einsitzer-Rennsportprojekt seit 1958: Mit einer eigenen Teamführung, einer eigenen Formel-E-Operation und irgendwann wohl auch einem eigenen Antriebsstrang.

Statt der Eigenkonstruktion eines technisch hochkomplexen Motorenpakets wird Maserati zunächst aber noch mit fremder Hardware an den Start gehen. Die Antriebsstränge kommen von DS Automobiles, einer Maserati-Schwester im Stellantis-Konzern. Die Italiener werden lediglich eigene Software für die Motoren, Inverter und Getriebe entwickeln. Auf dem Papier wird der "Dreizack" somit zwar als Konstrukteur geführt, die tatsächliche Performance liegt aber maßgeblich in der Verantwortung von DS.

Neuaufstellung bei Maserati-Einsatzteam MSG

Für das Tagesgeschäft an der Rennstrecke konnte sich Maserati ebenfalls prominente Unterstützung sichern. Die Italiener einigten sich mit der Monaco Sports Group (MSG), ehemals bekannt als Venturi Racing, auf eine Antriebspartnerschaft. Der Rennstall von US-Milliardär Scott Swid darf somit als offizielles Werksteam die DS-Maserati-Motoren einsetzen und führt im Gegenzug die Renneinsätze im Auftrag von Maserati aus - genau wie vor wenigen Jahren bei ABT und Audi oder Andretti und BMW.

In den vergangenen Jahren wurde Venturi noch von Mercedes mit Antrieben ausgestattet. Die Monegassen kämpften 2021 und 2022 regelmäßig um Rennsiege mit, in der letzten Saison gelang ihnen sogar der Vizetitel. Die ehemaligen Hinterbänkler aus dem Fürstentum mauserten sich gemeinsam mit Mercedes zu einem Topteam in der Formel E. Für Maserati ist MSG eigentlich die perfekte Wahl.

Doch hinter den Kulissen durchlief der Rennstall in den vergangenen Wochen eine große Neustrukturierung. Schließlich änderte sich nicht nur der Name des Teams, sondern auch die Führungsriege: Geschäftsführerin Susie Wolff verließ den Rennstall kurz nach dem Saisonfinale 2022, wenig später folgte ihr Teamchef Jerome d'Ambrosio. Der genaue Grund des Doppelabgangs ist derzeit noch unklar. Sicher ist nur: Für einige Wochen gab es bei MSG, abgesehen von Präsident Swid, keinen Chef.

Ein neuer MSG-Teamleiter war jedoch bald gefunden: Ab 2023 wird der ehemalige Formel-1-Testfahrer James Rossiter Maseratis Einsatzteam anführen. In den letzten Jahren arbeitete Rossiter als Sportdirektor für DS, ist auf dem Papier - und wohl auch in der Realität - also eine gute Wahl. Doch allein der Fakt, dass Rossiter nur wenige Wochen vor seiner MSG-Verpflichtung noch einen Gen3-Test für das DS-Werksteam bestritt, weist auf einen hektischen Umbau bei MSG hin.

Ironischerweise könnten ausgerechnet diese Einblicke in die Fahrzeugentwicklung zu einem Vorteil für den Briten werden. Schließlich weiß er genau um die Möglichkeiten des Antriebspakets seiner Fahrer. Rossiters erste Aufgabe wird es sein, das Team zu ordnen. Um 2023 erfolgreich zu sein, benötigen MSG und Maserati eine klare Marschrichtung.

Make-or-Break-Jahr für Neuzugang Günther

Diese soll auch die neue Fahrerpaarung vorgeben. Mit Maximilian Günther konnte das italienisch-monegassische Team einen ausgesprochen talentierten Fahrer an den Rennstall binden. Nach Stationen bei Dragon, BMW und Nissan wird der Deutsche 2023 sein fünftes Jahr in der Formel E bestreiten. Erfahrungen mit großen Konstrukteuren hat er also. Drei Rennsiege konnte Günther bislang in der Elektroserie erzielen, zuletzt blieb er aufgrund des wenig wettbewerbsfähigen Nissan-Antriebs aber meist unter seinen Möglichkeiten.

Die Frage, ob Günther mit Maserati an die Erfolge seiner BMW-Zeit anknüpfen kann, zählt vor dem Saisonstart zu den interessantesten im Formel-E-Paddock. Für den gebürtigen Allgäuer könnte 2023 ein "Make or Break"-Jahr werden: Bei 16 Gelegenheiten kam Günther in der vergangenen Saison nur drei Mal vor seinem Teamkollegen Sebastien Buemi ins Ziel, im Punkteduell stand es am Ende 30:6 zugunsten des Schweizers. Bei Maserati geht es für Günther auch darum zu zeigen, dass diese Bilanz nur am fehlenden Rennglück und unzuverlässiger Fahrzeugtechnik lag.

Die teaminterne Konkurrenz wird mit Edoardo Mortara allerdings keineswegs kleiner. Der 35-Jährige gilt als Routinier in der Formel E, gewann in der abgelaufenen Saison vier E-Prix und schloss die WM auf Gesamtrang 3 ab. Zudem kennt er die Strukturen von MSG in- und auswendig, startet er doch bereits seit der Saison 2017/18 für den Rennstall. Abgesehen von seinem Debütjahr (zwei Punkte weniger als Maro Engel) sammelte Mortara zudem in jeder Saison mehr Zähler als seine Teamkollegen. Kurzum: Günther steht vor einer großen Herausforderung. Die Zeit wird zeigen, wie er mit dieser klarkommt.

Gen3-Kräfteverhältnis in der Formel E noch unklar

Ob Maserati im ersten Jahr um den Formel-E-Titel kämpfen kann? Das ist im Moment noch vollkommen unklar. Die Änderungen am Regelwerk sind zu groß, um seriöse Prognosen über das neue Kräfteverhältnis in der Elektroserie zu treffen. Darüber hinaus sind noch zu viele Fragen zum genauen Rennformat offen. Laut Medienberichten sorgten wiederholt auftretende Batterieprobleme bei Testfahrten jüngst dafür, dass sich die FIA intern von ihren Schnellladeboxenstopp-Plänen verabschiedete.

Mit Blick auf die Entwicklungsressourcen des französischen Antriebsherstellers DS ist es zwar durchaus möglich, dass sowohl Maserati als auch DS Penske um die Spitze fahren können. Ob dieser Fall aber tatsächlich eintritt, hängt maßgeblich davon ab, wie stark die anderen - nicht weniger ressourcenstarken - Motorenhersteller ist. Die jüngst vorgestellte Fahrerpaarung um Günther und Mortara verspricht in der Theorie großes Potenzial. Doch ob Porsche, Jaguar, Nissan, Mahindra oder Nio 333 womöglich ein besseres Aggregat entwickelt haben, dürfte erst nach dem Qualifying zum Mexico City E-Prix am 14. Januar klar sein. Wir freuen uns darauf.

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