Formel-E-Reifenhersteller Hankook gibt Entwicklungseinblicke: "Die mit Abstand größte Herausforderung"
Timo Pape
Mit dem Start der Gen3-Ära der Formel E im Januar 2023 beginnt auch ein neues Kapitel hinsichtlich Reifen. Nach acht Jahren Michelin ist nun der südkoreanische Einheitslieferant Hankook an der Reihe. Ein Unternehmensvertreter spricht nun über die größte Herausforderung während der Entwicklung.
Der neue Reifen "iON race" sei in enger Zusammenarbeit mit der Formel E entwickelt worden und trage insbesondere dem Nachhaltigkeitsanspruch der Serie und der Zukunft der E-Mobilität Rechnung, erklärt Hankook. Gleichzeitig habe der Hersteller versucht, die motorsportliche Leistung nicht zu vernachlässigen - ein gewisser Kompromiss also. Denn der neue Reifen biete weniger Grip und sei schwieriger auf Temperatur zu bringen als bisher, so die Aussagen einiger Fahrer in den vergangenen Wochen.
"Am Anfang der Entwicklung stand das Fahrzeug", erklärt Manfred Sandbichler, Motorsportchef Europa von Hankook. "Wir benötigen für die Analyse und die Umsetzungsansätze die absolut genaue Fahrzeugspezifikation." Dazu hätten unter anderem die Leistung des Motors und das Gewicht des Fahrzeugs sowie das genaue Antriebskonzept gezählt.
"Dann muss man sich mit den Partnern verständigen und definieren, welche Reifendimensionen gewünscht sind. Am Ende haben all diese Faktoren Einfluss auf die Leistung der Reifen", so Sandbichler. "Nutzt man eine breitere Lauffläche, ist die Reifenperformance zwar besser, aber man hat auch ein Problem mit der schlechteren Aerodynamik. Die Angelegenheit ist sehr komplex und vielschichtig, und man muss sehr genau abwägen, an welchen Stellschrauben man dreht."
Allwetter-Ansatz stellt Hankook vor Herausforderung
Die größte Herausforderung in der Entwicklung sei für Hankook der Ansatz der Formel E gewesen, mit Allwetter-Reifen zu fahren. "Ziel war es, einen Reifen zu entwickeln und zu bauen, der sowohl im Nassen als auch im Trockenen funktioniert. Das ist mit Abstand die größte Herausforderung bei diesem Projekt gewesen", gibt Sandbichler zu.
"In der Formel E wird nur mit einem Reifen gefahren, und es kann nicht - wie in anderen Rennserien - zwischen Slick und Regenreifen gewechselt werden. Die Fahrer absolvieren das Rennen mit genau einem Reifen - egal, wie das Wetter ist. Und wir sorgen dafür, dass der Reifen eine große Perfomance zeigt und dem Fahrer ein gutes und sicheres Gefühl gibt."
Ob das tatsächlich der Fall sein wird, zeigt sich wohl erst beim ersten Qualifying der neuen Saison in Mexiko. Wie uns unter anderem Porsche-Fahrer Pascal Wehrlein verriet, habe Hankook durchaus einen sehr soliden Rennreifen entwickelt. Das perfekte Temperaturmanagement für eine schnelle Runde gestalte sich hingegen schwierig, sodass das Auto mehr zum Rutschen tendiere als zuvor.
Nachhaltigkeit "sehr wichtig" - alle Reifensätze werden recycelt
Rund 30 Prozent des iON race bestehen aus nachhaltigen Materialien. Neben dem ressourcenschonenden Ansatz des Allwetter-Reifens der Formel E hebt Hankook die lange Haltbarkeit des Pneus als "zukunftsweisenden Schritt" hervor. Zudem werden alle Reifensätze nach den jeweiligen Rennwochenenden komplett recycelt.
"Der Nachhaltigkeitsaspekt war sehr wichtig", sagt Sandbichler. "Neben der Ressourcenschonung versuchen wir, bei den Rohstoffen so umweltfreundlich wie möglich zu sein und maximal viele 'Reifenzutaten' zu recyceln oder recycelte zu verwenden. Für den Nachhaltigkeitsanspruch der ABB FIA Formula E World Championship müssen alle Zulieferer an einem Strang ziehen."
Wie die Formel E hat auch Hankook mittel- bis langfristige Ziele zur Treibhausgasreduktion für alle weltweiten Produktionsstandorte festgelegt, um das Pariser Klimaabkommen von 2015 zu erfüllen. Bis 2040 strebt das Unternehmen die Reduktion der Treibhausgase auf 60 Prozent des Ausstoßes von 2018 an, bis 2050 soll Kohlenstoffneutralität erreicht sein. Dafür werden sämtliche unternehmerischen Aktivitäten sowie der gesamte Lebenszyklus der Produkte berücksichtigt.
Der erste offizielle Einsatz des neuen Formel-E-Rennreifens steht nächste Woche im spanischen Valencia auf dem Plan: Alle Teams treffen sich vom 13. bis 16. Dezember zu den gemeinsamen Vorsaison-Testfahren. Motorsportfans erleben den iON race zum ersten Mal unter Rennbedingungen am 14. Januar 2023 beim Mexico City E-Prix.
0 Kommentare
Einen Kommentar schreiben