Formel E

Nico Rosberg im Exklusiv-Interview: "Es darf nicht mehr nur um Show & Gewinne gehen"

Timo Pape

Timo Pape

Nico Rosberg erklomm 2016 durch seinen WM-Titelgewinn in der Formel 1 den Motorsport-Olymp. Anschließend beendete der heute 35-Jährige seine aktive Rennfahrer-Karriere und betätigte sich vermehrt als Unternehmer im Bereich der Nachhaltigkeit. Einen ähnlichen Wandel erhofft sich der deutsche Wahlmonegasse auch für den Motorsport.

Im Exklusiv-Interview mit 'e-Formel.de' spricht Rosberg ausgiebig über seine neue Rolle als Teambesitzer in der Offroad-Serie Extreme E, das Wiedersehen mit seinem alten Erzfeind Lewis Hamilton sowie die Formel-E-Ausstiege von Audi und BMW und deren Konsequenzen für die Meisterschaft. Außerdem verrät er, was der Formel E noch zum endgültigen Durchbruch fehlt.

Nico, dein alter Mercedes-Teamkollege Lewis Hamilton wird inzwischen von vielen als bester Rennfahrer der Geschichte angesehen. Wie fühlt es sich an, als Einziger seine Serie von sechs Weltmeisterschaften zu unterbrechen?

Es erfüllt mich mit sehr viel Stolz, dass ich ihn im gleichen Auto geschlagen habe. Ich persönlich wusste ja damals schon, wie gut er ist. Er hat das in den Jahren danach mit Statistiken untermauert, sodass nun auch alle anderen wissen, dass er einer der Besten aller Zeiten ist. Umso mehr freut es mich, dass sich unsere Wege nach vier Jahren nun wieder kreuzen. Und zwar nicht als Fahrer, sondern als Teamgründer. Wir nehmen unseren Kampf wieder auf in der Extreme E. Diesmal aber nicht nur, um Rennen zu gewinnen, sondern auch um dem Klimawandel entgegenzutreten.

Du hast in deinem Motorsport-Leben Höhen und Tiefen durchgemacht. Inzwischen hast du den Rennoverall an den Nagel gehängt und investierst unter anderem in "grüne" Start-ups. Welches Leben gefällt dir besser?

Seinerzeit war das vorherige Leben auch klasse. Aber heute fühle ich mich sehr, sehr wohl in diesem neuen Leben, weil es mir die Intensität ein bisschen rausgenommen hat. Es ist auf Dauer schon sehr intensiv, Jahr um Jahr auf höchstem Level im Sport zu kämpfen. Auch habe ich viel mehr Flexibilität im Leben gewonnen. Ich habe mehr Zeit für die Familie, bin für die wichtigen Sachen immer anwesend.

Du bist allerdings immer noch viel unterwegs…

Ja, auf jeden Fall. Aber ich kann mir meine Zeit jetzt viel besser einteilen. Ich plane meine Reisen so, dass ich viele Dinge nacheinander mache. Dann bin ich wieder lange Zeit zu Hause. Und ich habe natürlich inzwischen auch ein großes Team, das mich bei meinen Projekten unterstützt. Wir sind mittlerweile 18 Kollegen hier im Büro in Monaco - wenngleich wir alle im Home-Office sind.

Eines deiner Projekte ist auch die Formel E, die du schon seit 2016 als Anteilseigner unterstützt. Wie zufrieden bist du mit ihrer bisherigen Entwicklung?

Das ist eine Investition gewesen, die sehr gut gelaufen ist, weil ich dort sehr frühzeitig eingestiegen bin und ihr beachtliches Wachstum miterlebt habe. Es freut mich, dass ich unterstützen konnte, unter anderem auch mit der großen Marketing-Aktion in Berlin damals, als ich das neue Gen2-Auto gefahren bin.

Im Rahmen des Berlin E-Prix 2018 fuhr Nico Rosberg als Erster öffentlich mit dem neuen Gen2-Auto - und zwar mitten durch die deutsche Hauptstadt.

Trotzdem lief es zuletzt nicht optimal für die Formel E. Wie bewertest du Ausstiege von Audi und BMW?

Das ist natürlich suboptimal, weil sie durch ihre Teilnahme einen großen Wert zur Formel E beigetragen haben. Nichtsdestotrotz steht die Formel E mit Blick auf die Zukunft auf sehr gesunden Beinen. Alles sieht nach weiterem Wachstum aus, weil sie auch sehr clever sind. Alejandro Agag will ja jetzt die Kostendeckelung einführen. Das ist sehr wichtig, denn dann ist das Ganze nicht nur für Hersteller interessant, sondern auch für private Investoren und Unternehmer. Durch die Kostendeckelung kannst du mit einem Formel-E-Team Geld verdienen, und das ist für die mittelfristige Stabilität entscheidend.

Gilt das auch für die Extreme E, in der du dich künftig mit deinem eigenen Rennstall Rosberg Xtreme Racing betätigst?

Dort wird auch sehr auf die Kosten geachtet. Das Testen ist sehr limitiert, um das nötige Budget gering zu halten. Auf diese Weise halten sie es erschwinglich für interessierte Unternehmer wie mich. So hat man die Aussicht, eines Tages sogar Geld damit zu verdienen. Das ist entscheidend für eine gesunde Serie.

Du hast Johan Kristofferson als Fahrer an Bord geholt. Was hat dagegen gesprochen, selbst noch einmal ins Cockpit zu steigen und dein Motorsport-Comeback zu geben?

Meine aktive Karriere ist vorbei. Erstens will ich jetzt nicht mehr Rennfahrer sein, weil mich mein neues Leben als Nachhaltigkeitsunternehmer sehr erfüllt. Und zweitens ist es auch die mangelnde Offroad-Erfahrung. Ich müsste so viel üben, bis ich auf das Level komme, was in der Extreme E gefragt ist. Da sind die Top-Offroad-Fahrer der Welt. Ich möchte als Team gewinnen, deshalb war es mir auch ein Anliegen, die besten Fahrer der Welt zu finden. Das habe ich geschafft, glaube ich.

Auch vor ein paar Jahren gab es Gerüchte, du könntest in der Formel E fahren oder eine führende Rolle im jungen Mercedes-Team übernehmen. Dazu kam es nie. Besteht noch Kontakt?

Mercedes ist natürlich immer meine Rennsport-Familie gewesen. Deswegen besteht da auch nach wie vor eine enge Verbindung. Mein Problem ist, dass ich meine aktuelle Flexibilität beibehalten möchte. Ein Meisterschaftsjahr in der Formel E wäre mir heute zu intensiv und kompromisslos. Ich würde meine Flexibilität verlieren, denn das sind viel mehr Rennen als bei der Extreme E. Und das ist gerade das Schöne an ihr: Das Programm ist nicht so intensiv, dafür ist die Komponente der Nachhaltigkeit noch größer. Deswegen passt sie noch besser zu mir als die Formel E.

e-Formel.de Gründer Timo Pape im exklusiven Video-Interview mit Nico Rosberg (Screenshot).

Gleichzeitig ist die Extreme E noch sehr viel kleiner und startet erst im März in ihr erstes Rennen. Wie kann es eine junge Elektro-Rallye-Meisterschaft in den Mainstream schaffen, was schon der Formel E schwerfällt?

Das Thema Diversity ist schon mal wichtig. Jedes Team setzt einen Mann und eine Frau ein, die ebenbürtig ins Rennen gehen. Ich glaube, das wird auf große Resonanz stoßen. Gerade bei den Frauen dieser Welt, die sich die Rennen anschauen werden. Dann glaube ich, dass wir faszinierenden Rennsport erleben werden: Rad-an-Rad-Duelle an den unglaublichsten Locations der Welt, etwa vor einem Gletscher. Das wird allein schon visuell mächtige Bilder hervorbringen. Und auch das Thema Nachhaltigkeit ist ganz wichtig. Wir kämpfen gegen den Klimawandel, indem wir Aufmerksamkeit schaffen und lokale Projekte unterstützen.

Die Formel E steht für sehr ähnliche Werte. Was fehlt ihr noch zum großen Durchbruch?

Die Formel E ist auf einem guten Weg und steigert sich jedes Jahr. Sie ist mit sechs Jahren immer noch eine junge Meisterschaft. Ich glaube, es müssen sie einfach noch viel mehr Menschen kennenlernen. Vielleicht müssen die Fahrer auch selbst noch mehr zu Stars werden. Es braucht einfach seine Zeit, die Persönlichkeiten der Fahrer noch mehr hervorzubringen. Das ist entscheidend, denn Menschen wollen Menschen folgen.

Welche Rolle spielt dabei das Fernsehen?

Das Fernsehen spielt eine wichtige Rolle, und da kann man sich natürlich noch steigern. Jetzt hat gerade ProSiebenSat.1 einen Deal mit der Formel E gemacht. Das wird das Profil der Serie in Deutschland extrem aufwerten. Das ist super.

Nichtsdestotrotz stehen der Formel E noch ein paar schwierige Monate bevor, bis endlich wieder Innenstadt-Rennen mit Zuschauern stattfinden können. Wie kann sie das Beste aus einer weiteren Saison im Zeichen von Corona herausholen?

Die Veranstalter müssen von der Formel 1 lernen. Die Formel 1 setzt das super um, verschiedene Bubbles zu kreieren. Hier kann sich die Formel E noch etwas abschauen und muss es dann gut umsetzen - natürlich meistens ohne Fans und Zuschauer. Leider. Aber so wird es eben sein, bis die Impfungen durch sind.

Wie wird sich der Motorsport in den nächsten Jahrzehnten entwickeln?

Der Motorsport sollte den Wandel der Gesellschaft mitgehen, wertebasierter zu werden. Es darf nicht mehr nur um Show und Gewinne gehen. Wir müssen uns als Sport auch einsetzen, um Gutes zu tun, was der Gesellschaft als Ganzes dienen wird. Das betrifft die Entwicklung nachhaltiger Technologien, etwa dass die Formel 1 synthetische Kraftstoffe einsetzt und führend mitentwickelt. Oder dass die Formel E auf den Klimawandel aufmerksam macht. Davon könnte die ganze Welt profitieren. Das ist die Zukunft des Motorsports - und übrigens auch unserer gesamten Wirtschaft.

Die junge Generation ist unter diesen Voraussetzungen also auch in Zukunft noch interessiert am Motorsport?

Die Jugend interessiert sich immer mehr auch für das Thema Nachhaltigkeit. Das bewegt sie. Wir schaffen eine Kombination zwischen diesem Interesse und der Faszination für den Rennsport. Hinzu kommt, dass wir mit der Extreme E die Welt entdecken - das werden die extremsten Rennorte der Erde sein. Ich glaube, das wird auch für neue Zielgruppen sehr, sehr spannend sein.

Titelfoto: Shivraj Gohil / Spacesuit Media

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