Nissan findet Lehrmeister im Kundenteam: "McLaren hat Tempo des e-4ORCE 04 unter Beweis gestellt"
Timo Pape
Nissan hat beim Diriyya E-Prix in Saudi-Arabien seine ersten Formel-E-Punkte der Saison 2023 geholt: Neuling Sacha Fenestraz gelang am Samstag der achte Platz. Trotzdem hinkt der japanische Hersteller weiterhin seinen Ansprüchen hinterher - und seinem eigenen Kundenteam McLaren. Nissan muss sich schnellstmöglich fangen und das vorhandene Potenzial aus dem Auto kitzeln. Doch wo liegt dies genau?
Für Nissan sollte nach einigen schwierigen Jahren alles besser werden in der Gen3-Ära. Die Japaner sagten sich während der vergangenen Saison von e.dams los, um die volle Entscheidungsfreiheit im Team zu erhalten. Außerdem bauten sie einen völlig neuen Antriebsstrang, um endlich wieder vorn anzugreifen. Auch, um mehr Fahrzeugdaten zu erhalten, beliefert Nissan seit dieser Saison das Kundenteam McLaren mit Antrieben.
Ausgerechnet die Briten sind es jedoch, die zeigen, was mit dem Nissan-Antriebsstrang möglich ist. McLaren mischte bislang in allen drei Saisonläufen vorn mit, holte seine erste Pole-Position sowie sein erstes Podium in der Formel E. "Ein großer Dank an Nissan, die uns dieses Auto zur Verfügung stellen", lobte McLaren-Teamchef Ian James nach dem Samstagsrennen. "Ich muss sagen, sie haben in den vergangenen Monaten einen herausragenden Job gemacht mit diesem Gesamtpaket."
Sein Nissan-Counterpart, Tommaso Volpe, wäre auch gern erfolgreicher, sagt aber: "Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass unser Kundenteam McLaren seine erste Pole-Position und sein erstes Podium in diesem Sport errungen und damit das Tempo des Nissan e-4ORCE 04 unter Beweis gestellt hat. Herzlichen Glückwunsch an sie. Es gibt noch viel zu tun, um unser volles Potenzial auszuschöpfen, aber wir sind auf dem richtigen Weg."
Baustelle Qualifying
Tatsächlich war Nissan in Diriyya schon näher dran als noch in Mexiko-Stadt. Sowohl Norman Nato als auch Sacha Fenestraz kamen in beiden Rennen vor ihren Startpositionen ins Ziel - was aber auch nicht allzu schwierig war. Nach schwachen Qualifyings lief der Nissan im Rennen nichtsdestotrotz besser. Fenestraz fuhr in seinem vierten Formel-E-Rennen am Samstag erstmals in die Top 10 und bescherte seinem Team immerhin die ersten WM-Punkte des Jahres.
"Das Qualifying war an diesem Wochenende etwas frustrierend. Wir haben ein paar Fehler gemacht, aber das Renntempo war für beide Fahrer wirklich gut", meint Volpe. Fahrer Nato erklärt eine der Ursachen: "Wir müssen die Reifen im Qualifying besser verstehen. Ich denke, wenn ich ein paar Plätze weiter vorne gestartet wäre, hätte ich eine wirklich gute Chance gehabt, in die Top 10 zu kommen."
Ist es also tatsächlich nur die Qualifying-Pace, die das Werksteam vom Kundenteam unterscheidet? Vielleicht. Womöglich spielen aber auch noch andere Faktoren eine Rolle. McLaren hat mit Jake Hughes den Senkrechtstarter der bisherigen Saison verpflichtet. Der Brite fuhr in seinen ersten drei Qualifikationen auf die Startplätze 3, 2 und 1. Im Rennen erwehrte sich zudem sein erfahrener Teamkollege Rene Rast bis zuletzt gegen Sam Bird und sicherte McLaren trotz Energienachteil den ersten Pokal für "Papaya". Von außen betrachtet hat McLaren die klar stärkere Fahrerpaarung, auch wenn Fenestraz Fortschritte macht.
McLaren so stark oder Nissan so schwach?
Wahrscheinlich gibt es aber auch noch einen anderen Grund. McLaren ist bekanntlich aus dem Mercedes-Team hervorgegangen, das in den vergangenen beiden Jahren sämtliche WM-Titel holte. "Ich weiß, warum sie zweimal die Meisterschaft gewonnen haben", erklärte Rast schon bei den Vorsaison-Testfahrten in Valencia. "Als ich gesehen habe, wie das Team arbeitet, wie die Struktur dahinter ist, hat mir das ehrlich gesagt die Augen geöffnet. Sie performen auf einem sehr, sehr hohen Niveau."
Dass die Mannschaft von Ian James in der jüngeren Formel-E-Geschichte die Standards setzte, macht es für Nissan im direkten Vergleich also nicht leichter. Wir haben uns bereits im ePod die Frage gestellt: Ist denn jetzt McLaren so stark oder Nissan so schwach? Vermutlich von beidem ein bisschen. Klar ist, dass sich der Autobauer aus Yokohama ins Zeug legen und an den ausgemachten Schwachpunkten arbeiten muss - die Ressourcen sind schließlich da.
"Wir müssen uns jetzt auf die kleinen Details konzentrieren und weiter Fortschritte machen", bestätigt Volpe. "Wir sind mit einigen neuen Prozessen nach Diriyya gekommen, die wirklich gut funktioniert haben. Wir hatten eine gute Strategie und haben uns als Team stark gefühlt - das sind gute Zeichen für den Rest der Saison. Wir können noch mehr erreichen und werden bis zum Rennen in Indien (…) weiter hart arbeiten."
Der erste Hyderabad E-Prix steigt bereits in gut einer Woche am 11. Februar.
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