Formel E

Oliver Turvey: "Möchte als einer der Topfahrer der Formel E angesehen werden"

Timo Pape

Timo Pape

Oliver Turvey kämpft mit dem meist unterlegenen Nio-Team zwar seit Jahren bestenfalls um Punkte, doch im Paddock gilt der Brite längst als der am häufigsten unterschätzte Fahrer der Formel E. Von diesem Ruf würde sich der sonst so stille Turvey gern lösen und stellt klar, dass er um Siege und den Titel fahren will. Trotz Dauerengagements seit Saison 1 bei Nio und punktueller Highlights möchte der 33-Jährige endlich mehr.

Seit Juni 2015 ist Turvey, der parallel bereits mehr als zehn Jahre für McLaren als Testfahrer arbeitet, inzwischen in der Formel E aktiv. Damals kam er beim Saisonfinale im Londoner Battersea Park für NextEV zu seinem Seriendebüt an der Seite von Nelson Piquet jr., der an jenem Wochenende die erste Formel-E-Meisterschaft gewann. Turvey überzeugte auf Anhieb und zählt seitdem zum Stammaufgebot des chinesischen Teams.

Zwar sei Turvey von Anfang an sehr interessiert an der Formel E gewesen; der Sprung ist "kalte Wasser" kam nichtsdestotrotz unverhofft: "Es war buchstäblich zwei Wochen vor dem Rennen während der Le-Mans-Woche, als ich völlig aus dem Nichts einen Anruf von Martin Leach (damaliger Teamchef) bekam, ob ich in London für NextEV fahren wolle", erklärt er bei den Kollegen von 'Formula E Zone'. "Das war eine schöne Überraschung. Ich hatte natürlich Lust, und so einigten wir uns."

Turvey sollte zur Vorbereitung genau einen Tag im Simulator erhalten. Zum ersten Mal im Formel-E-Auto saß er tatsächlich am Rennwochenende. "Meine Pace war ganz ordentlich, denke ich - ähnlich wie die von Nelson Piquet jr., der an dem Wochenende den Titel gewann", gibt sich Turvey gewohnt demütig. "Das London-Rennen war eigentlich eine einmalige Sache, dann luden sie mich aber erneut ein zu den Testfahrten im Sommer. Dort konnten wir uns auf einen Deal für die nächste Saison verständigen."

Oliver Turvey bei seinem Formel-E-Debüt für NextEV im Rahmen des London E-Prix 2015.

Von fast ganz oben nach ganz unten

Seitdem ging es auf und ab für Turvey bei NextEV beziehungsweise Nio. Seine Highlights setzte er zweifelsohne in Mexiko. Nachdem er in Saison 3 sensationell die Pole-Position erobert hatte und das Rennen bis zu einem technischen Problem mit Siegchancen sogar anführte, schaffte er es ein Jahr später an selber Stelle auf den zweiten Platz - sein bislang einziges Formel-E-Podium. Dann ging es jedoch bergab mit Nio.

Im ersten Jahr des Gen2-Autos holte das Team schmale sieben Punkte und schloss Saison 5 auf dem letzten Platz der Teamwertung ab. Im Folgejahr lief es noch schlechter: Erstmals beendete mit Nio ein Formel-E-Team eine Saison ohne jeden Punkt. Ursache dafür war unter anderem eine grundlegende Umstrukturierung des Teams nach einem Besitzerwechsel. Zudem musste Nio mit einem eigentlich ausgedienten Dragon-Antriebsstrang des Vorjahres antreten.

Turvey will um Rennsiege & Meisterschaften kämpfen

Obwohl Turvey bisher sieglos in der Formel E blieb, ist sich das Fahrerlager seit Jahren einig, dass der 33-Jährige zu den Topfahrern der Serie zählt. "Es ist natürlich nett zu hören, dass man als der am häufigsten unterschätzte Fahrer angesehen wird. Aber ich möchte auch als einer der Topfahrer eingeschätzt werden! Ich möchte die Gelegenheit haben, Rennen zu gewinnen und hoffentlich eines Tages um den Titel kämpfen zu können."

Ein Schlüssel zum Erfolg Turveys ist übrigens auch sein technisches Verständnis. Der Cambridge-Absolvent von 2008 erklärt: "Ich denke, mein Ingenieurshintergrund hilft mir durchaus, um als Fahrer besser mit meinen Ingenieuren kommunizieren zu können. Ich habe ein Interesse an den technischen Aspekten. Als Fahrer bist du immer derjenige, der dem Team Feedback geben muss in den Bereichen, die es zu verbessern gilt. Das hat mir während meiner Karriere sicherlich oft geholfen."

Ob ihn diese Stärke irgendwann auch zu seinem ersten Formel-E-Sieg führen wird - ob nun mit Nio oder einem anderen Rennstall, bleibt abzuwarten.

Kommentar von Timo Pape: BMW sollte sich Porsche zum Vorbild nehmen

Aus meiner Sicht gehört Oliver Turvey in ein Topteam - und zwar seit Jahren. Es ist dem (vielleicht manchmal zu) höflichen Engländer hoch anzurechnen, dass er Nio trotz ausbleibender Fortschritte schon so lange die Treue hält. Nach dem absoluten Tiefpunkt in Saison 6 kann es zwar nur besser werden, trotzdem sollte Turvey endlich weiterziehen, sofern er mit seinen aktuell 33 Jahren noch etwas im internationalen Formelsport gewinnen möchte.

Natürlich sind mit Blick auf Saison 7 nicht mehr allzu viele Cockpits vakant. Venturi und Mahindra hätten theoretisch noch einen Platz frei, Dragon möglicherweise auch. Alle drei Teams wären jedoch wohl nicht der Fortschritt, den Turvey verdient hätte. Ein Topteam hat derzeit allerdings noch einen Sitz frei: BMW i Andretti Motorsport.

Für Turvey wäre BMW die erhoffte Gelegenheit, um Podiumsplätze und Siege zu kämpfen - vielleicht ja sogar um die Meisterschaft. Umgekehrt wäre der Routinier an der Seite des aufstrebenden Maximilian Günther aus meiner Sicht die perfekte Wahl für BMW. Kein verfügbarer Fahrer im gesamten Motorsport wäre erfolgsversprechender.

Die Krux: BMW schielt vermutlich eher auf den eigenen Fahrerkader - gerade wenn die Münchner Ende des Jahres ebenfalls die DTM verließen, wonach es aussieht. Dennoch: Um das Maximum aus dem Projekt Formel E herauszuholen, muss man vielleicht auch mal den unangenehmeren Weg gehen. BMW sollte sich ein Beispiel an Porsche nehmen, die sich aus Leistungsgründen für den Formel-E-erfahrenen und bewiesenermaßen schnellen Pascal Wehrlein entschieden haben - und gegen einen Fahrer aus den eigenen Reihen.

Foto: Shivraj Gohil / Spacesuit Media

Zurück

0 Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Was ist die Summe aus 3 und 9?
Advertisement