Formel E

Performance-Analyse zur Formel-E-Saison 2017/18: Klarer Sieg für Lucas di Grassi & Audi

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Mit dem "Double-Header" in New York City ging im Juli die vierte Formel-E-Saison zu Ende, in der sich mit Jean-Eric Vergne der vierte Fahrer zum Champion krönte. In der Teamwertung ging der Pokal nach einer fulminanten Aufholjagd in der zweiten Saisonhälfte noch an Audi Sport ABT Schaeffler. Aber spiegelt die Gesamtwertung das wahre Kräfteverhältnis der Saison in der Formel E wider?

Die vierte Saison hindurch haben wir die Zeiten der Fahrer und Teams in sämtlichen Sessions analysiert. Zum Saisonabschluss wollen wir daher einmal einen Blick auf das zusammengefasste Ergebnis nach zwölf Rennen in zehn Städten werfen, ähnlich wie wir es bereits zur Saisonhalbzeit getan haben. Die jeweilige schnellste Rundenzeit einer Session (Freie Trainings, Qualifying und Rennen für jeden E-Prix) entspricht dabei 100 Prozent. Der Abstand der Rundenzeiten der einzelnen Piloten zu jener 100-Prozent-Marke bildet daraus resultierend einen Wert, der Rückschlüsse auf die fahrerische Einzelleistung und die Konkurrenzfähigkeit der Fahrzeuge zulässt. Eine genaue Erklärung findest du am Ende dieses Artikels.

Fahrer-Rating: 19 Fahrer innerhalb von 1 Prozent

Nicht nur die meisten Rennen der vierten Saison der Formel E waren eine knappe Entscheidung, auch die Zahlen unserer Performance-Analyse bestätigen, dass nur minimale Unterscheide zwischen weiten Teilen des Feldes bestanden. So liegt erst der 20. Fahrer in unserem Rating im Mittel mehr als einen Prozentpunkt hinter dem Sieger zurück. Wer während der Saison unsere Performance-Analyse verfolgt hat, wird über den Sieger 2017/18 nicht überrascht sein: Es handelt sich um Vizemeister Lucas di Grassi, der mit einer Gesamt-Performance von 99,58 Prozent der klare Sieger unseres Ratings ist.

Neben ihm auf dem virtuellen Siegerpodest steht mit 99,44 Prozent angesichts der Gesamtwertung ein Überraschungsmann: Jaguar-Pilot Mitch Evans. Der Neuseeländer ließ mehrfach mit einer guten Performance aufhorchen, holte er doch die erste Pole-Position und das erste Podium für das britische Team. Für den ganz großen Wurf mangelte es Evans aber an Konstanz und an Rennglück. Auf dem dritten Platz folgt mit 99,38 Prozent der "Fahrer des Jahres" unseres Leser-Votings, Daniel Abt.

Dahinter schließt sich Sebastien Buemi an (99,35), der mit seinem Renault e.dams in dieser Wertung die beiden Kundenfahrzeuge von Techeetah hinter sich lassen konnte. Auf Platz 5 und 6 liegen erst die beiden Titelkontrahenten Jean-Eric Vergne (99,33) und Sam Bird (99,30). Hier zeigt sich, dass der pure Speed auf eine Runde - in unserem Performance-Rating analysieren wir ja nur die schnellste Rundenzeit eines Fahrers in jeder Session - nicht direkt mit dem Ergebnis der Gesamtwertung zusammenhängt. So holte Bird mehr als doppelt so viele und Vergne gar fast dreimal so viele Punkte wie Evans, der beide in der Performance-Wertung jedoch klar distanzierte. Vergne wurde bei den e-Formel.de Season Awards vollkommen zurecht zum "Mr. Konstanz" gewählt - als einziger Pilot im gesamten Feld beendete er jedes Rennen auf einem der ersten zehn Plätze.

Platz 7 geht mit 99,26 Prozent an Felix Rosenqvist, der sich anfangs nach Siegen in Hongkong und Marrakesch noch Chancen auf den Titel ausrechnen durfte, aber in der zweiten Saisonhälfte durchgereicht wurde und die Fahrerwertung auf dem sechsten Rang abschloss. Hinter ihm liegt der erste Pilot, der nicht alle Rennen der Saison bestritt und mit Fug und Recht als "Rückkehrer der Saison" bezeichnet werden darf: Jose Maria Lopez. In seinen 10 Rennen - er trat erst in Marrakesch die Nachfolge von Neel Jani an - kam er auf 99,09 Prozent. In der Gesamtwertung reichte es nur zu Platz 17, was allerdings diversen Kollisionen und Ausfällen geschuldet war.

Andre Lotterer beendet Rookie-Saison als Neunter

Den neunten Platz belegt der von unseren Lesern als "Bester Rookie" ausgezeichnete Andre Lotterer, der mit 99,06 Prozent ein sehr ordentliches Ergebnis in seiner Debüt-Saison hingelegt hat. Mit Vergne konnte er besonders zu Saisonbeginn noch nicht mithalten, aber im weiteren Verlauf schaffte er es immer wieder, seine fahrerische Klasse aufblitzen zu lassen. Auf dem zehnten Platz liegt mit 99,03 Prozent Nelson Piquet jr. Der Meister der ersten Saison stand klar im Schatten seines jungen Teamkollegen Evans, auch wenn Piquet von diversen technischen Problemen, unter anderem mit seinem Gurt, geplagt wurde. So schied der Brasilianer in den letzten sieben Saisonrennen fünfmal aus - öfter als jeder andere Fahrer in der gesamten Saison.

Ein kurzer Blick auf die übrigen deutschen Piloten: Nick Heidfeld belegt mit 98,85 Prozent Platz 15, Maro Engel mit 98,64 Prozent Platz 18. Engel fehlen dabei immer noch weniger als ein Prozent zu Sieger di Grassi, selbst Dillmann auf Platz 19 (98,61) liegt noch innerhalb dieser Grenze.

Die rote Laterne, Platz 25, geht mit 96,69 Prozent an Neel Jani, der in Hongkong für Dragon fuhr, das Team jedoch nach dem Rennwochenende wieder verließ. Er liegt dabei schon eine ganze Ecke hinter NIO-Ersatzfahrer Ma Qing Hua, der auf 97,00 Prozent kommt. Der eklatante Performance-Unterschied dieser beiden Fahrer zum übrigen Feld wird erst klar, wenn man sich vor Augen ruft, dass der 23. unseres Fahrer-Ratings, Luca Filippi, auf 98,41 Prozent kommt.

Zur Veranschaulichung haben wir die Prozentzahlen anhand der Gesamtdistanzen aller E-Prix der Saison in Meter umgerechnet. So liegt am Ende Saison di Grassi mit einer Gesamtdistanz von 1.144,984 Kilometern etwas mehr als 1,5 km (was im Mittel rund einer halben Runde entspricht) vor Evans, der seinerseits 750 Meter vor Abt liegt. 333 Meter zurück liegt Buemi, Vergne fehlen dann noch mal 200 Meter, Bird weitere 419 Meter. Es folgt Rosenqvist mit 430 Metern Rückstand, bevor Lopez weitere 2 Kilometer fehlen. Damit liegt er mit insgesamt 1.139 Kilometern weniger als 6 Kilometer hinter di Grassi.

Im Vergleich dazu verliert Jani auf die Saison umgerechnet mehr als 33 km auf di Grassi, bei Ma sind es rund 29,6 km. Den engsten Kampf im Feld liefern sich übrigens Tom Blomqvist (Platz 22) und Filippi (Platz 23): Nach einer gesamten Saison mit 24 leergefahrenen Akkus liegen weniger als neun Fahrzeuglängen zwischen den beiden.

Team-Rating: Klarer Sieg für Audi Sport ABT Schaeffler

Bei den Teams gibt es keinen Zweifel über den Gewinner unseres Ratings: Das Meisterteam Audi Sport ABT Schaeffler dominierte in acht von zehn Städten unser Rating (wir werten "Double-Header" nur einmal). Lediglich in Santiago und Zürich holte jeweils ein anderes Team - Techeetah und Jaguar - den Sieg. Im Gesamtrating ergibt dies eine Performance von 99,75 Prozent für die Ingolstädter und damit einen ungefährdeten Sieg. Den zweiten Platz belegt mit 99,52 Prozent Jaguar, die nach dem Gewinn des Performance-Ratings in Zürich und einem sehr überzeugenden zweiten Platz in New York City den zwischenzeitlich verlorenen zweiten Gesamtrang zurückeroberten. Techeetahs Rückstand ist jedoch sehr gering. Die Chinesen erreichten 99,49 Prozent und verweisen damit das Renault-Werksteam e.dams mit 99,38 Prozent auf den vierten Platz.

Nur minimal schlechter sind in unserem Rating die Teams von Mahindra und DS Virgin, die ebenfalls 99,38 Prozent erreichten - Unterschiede gibt es hier erst, wenn man auch die dritte Nachkommastelle auswertet. Es folgt eine recht große Lücke zu Dragon (99,11), bevor am Ende des Feldes ein enger Dreikampf tobt. Trotz des Fehlens von Oliver Turvey beim zweiten New-York-Rennen konnte NIO diesen Kampf mit 98,97 Prozent für sich entscheiden und landete vor Venturi (98,94) und Andretti (98,88).

Umgerechnet auf die Gesamtdistanz aller Rennen ergibt sich folgendes Ergebnis: Audi hat rund 2,66 km Vorsprung auf Jaguar, die ihrerseits 370 Meter vor Techeetah liegen. Renault e.dams fehlen weitere 1.191 Meter. Mahindra liegt nur 72 Meter dahinter, DS Virgin dann sogar nur 16 Meter - rund drei Fahrzeuglängen sind nach einer gesamten Saison nahezu überhaupt nichts. Der Vorsprung der Briten auf Dragon beträgt etwas mehr als 3 Kilometer, und das Schluss-Trio folgt 1,6 km hinter den Amerikanern. NIO rettet 356 Meter Vorsprung auf Venturi ins Ziel, weitere 652 Meter dahinter liegt Andretti. Die Mission von BMW für die kommende Saison - sofern man nach dem Titel greifen möchte, muss also lauten: 9.969 Meter auf eine gesamte Saison aufholen - die fehlen dem Andretti-Team vor der Übernahme nämlich auf Audi Sport ABT Schaeffler.

Erklärung des Berechnungssystems (Explanation of the calculation system)

Für jede Session (Freie Trainings, Qualifying und Rennen) wird die jeweils absolut schnellste Rundenzeit durch die persönliche Bestzeit jedes Fahrers geteilt. Das Ergebnis wird anschließend in Prozentpunkte umgerechnet. Für jeden Fahrer werden die Prozentwerte sämtlicher Sessions addiert und durch die Anzahl der Sessions geteilt. Da viele Piloten nur in einem der beiden freien Trainings mit der vollen Leistung von 200 kW fahren, betrachten wir nur das jeweils stärkste Ergebnis der beiden freien Trainings. So ergibt sich der durchschnittliche Performance-Wert. Bei den Teams ist das Vorgehen identisch, nur dass hier pro Session allein die schnellere Bestzeit der beiden Fahrer gewertet wird.

Leistet sich ein Fahrer im Qualifying, wo es nur einen Versuch gibt, einen Unfall oder einen größeren Fahrfehler, fließt diese Session nicht in die Wertung ein, um das Ergebnis nicht zu verfälschen. Gleiches gilt für einen frühen Ausfall im Rennen.

--

In order to work out a respective driver's performance rating, each session's (Free Practice, Qualifying, Race) overall best time is divided by the driver's personal best laptime. The result is then converted into percentages, from which we can, through addition of all percentages and division by the number of sessions, calculate an average "performance percentage". Most drivers don't use the maximum power output of 200 kW during both Free Practices, so we use just the best result of the two Free Practices. The calculation method is similar for the teams, whereas we only pick the better of their two available times.

In case a driver runs into trouble during the qualifying session (i.e. crashes out, makes a serious mistake), his time is excluded from our assessment, expunging possible outliers. The same is done for the race, if a driver has to retire quite shortly after the start.

Zurück

0 Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 6 plus 2.
Advertisement