Formel E

Performance-Analyse zur Saisonhalbzeit: Lucas di Grassi knapp vorn, Audi dominant

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

In Punta del Este fand Mitte März das sechste von zwölf Saisonrennen der vierten Formel-E-Saison statt. Jean-Eric Vergne konnte mit seinem zweiten Saisonsieg seinen Vorsprung ausbauen, sodass er als Meisterschaftsführender zu den Rennen nach Rom und Paris reisen wird. Seine direkten Konkurrenten um den Titel, Felix Rosenqvist, Sam Bird und Sebastien Buemi, ließen in den letzten beiden Rennen Federn und verloren ein bisschen den Anschluss. Aber spiegelt der aktuelle Stand in der Gesamtwertung das wahre Kräfteverhältnis der Formel E wider?

Seit den Testfahrten in Valencia haben wir für alle bisherigen Sessions der Saison die Zeiten der Fahrer und Teams analysiert. Zur Saisonhalbzeit wollen wir daher einmal einen Blick auf das zusammengefasste Ergebnis nach sechs Rennen in fünf Städten werfen. Die schnellste Rundenzeit einer jeden Session (Freie Trainings, Qualifying und Rennen jedes E-Prix) entspricht dabei 100 Prozent. Der Abstand der Rundenzeiten der einzelnen Piloten zu jener 100-Prozent-Marke bildet daraus resultierend einen Wert, der Rückschlüsse auf die Einzelleistung und die Konkurrenzfähigkeit der Fahrzeuge zulässt. Eine genaue Erklärung findest du am Ende dieses Artikels.

Fahrer-Rating: 13 Piloten innerhalb von 0,3 Sekunden

Ein Blick auf die Ergebnislisten der bisherigen Rennen zeigt: Das Feld liegt dicht beieinander. So standen in dieser Saison bereits elf der insgesamt 22 gestarteten Piloten mindestens einmal auf dem Podium. Unser Performance-Rating bestätigt dies. Hier liegt zwischen den ersten 13 Fahrern ein Unterschied von nur 0,44 Prozent. Im Mittel entspricht das bei den fünf Strecken, auf denen diese Saison bisher gefahren wurde, nur etwas mehr als 0,3 Sekunden pro Runde. Viel enger geht es nicht.

An der Spitze liegt mit 99,46 Prozent der amtierende Champion, Lucas di Grassi. Zuverlässigkeitsprobleme seines Audi verhinderten jedoch mehrfach, dass er diese Performance auch in Zählbares umsetzen konnte. In der Fahrerwertung liegt er somit nur auf Platz zehn. Hinter ihm folgt mit 99,41 Prozent Mitch Evans, der den starken Eindruck von Jaguar in dieser Saison bestätigt - vor allem mit Blick auf die Rennpace. Dem Sechstplatzierten der Meisterschaft wurden seine schlechten Startpositionen zum Verhängnis - sei es durch Fahrfehler im Qualifying oder durch technische Gründe. So war Startplatz 5 beim Saisonauftakt in Hongkong sein bislang einziger Startplatz in den Top 8. Der dritte Platz in unserem Performance-Rating geht an di Grassis ewigen Rivalen Sebastien Buemi mit 99,38 Prozent, der den vierten Platz in der Gesamtwertung belegt.

Spitzenreiter Vergne nur 4., Abt auf Rang 5

Dann erst folgt der Formel-E-Gesamtführende Jean-Eric Vergne im Techeetah (99,32), kurz vor Daniel Abt mit 99,31 Prozent. War Abt zu Saisonbeginn noch der Fahrer mit der besten Pace, so zeigte seine Formkurve zuletzt ein wenig nach unten - trotz seines Sieges in Mexiko-Stadt. Man sollte jedoch bedenken, dass er ohne die Disqualifikation in Hongkong und das Gurtproblem in Punta del Este wohl auf dem zweiten Platz der Gesamtwertung liegen würde. Hinter Abt folgt der Drittplatzierte der Meisterschaft, Sam Bird, mit 99,25 Prozent.

Auf den siebten Platz hat es Felix Rosenqvist mit 99,22 Prozent geschafft. Der zweifache Saisonsieger rechnet sich dennoch Titelchancen aus, beträgt sein Rückstand auf Vergne doch lediglich 30 Punkte. Bei 174 noch zu vergebenen Zählern ist für den jungen Schweden noch alles drin. Es folgt der Champion aus Saison 1, Nelson Piquet jr. (99,20 Prozent), der mit der Performance seines jungen Teamkollegen Evans bislang kaum mithalten konnte. Drei vierten Plätzen hat er es jedoch zu verdanken, dass er in der Fahrerwertung noch unmittelbar vor Evans auf dem fünften Rang liegt. Piquet ist übrigens der einzige Pilot unter den ersten zwölf Fahrern der Gesamtwertung, der in dieser Saison noch nicht auf dem Podium stand. Alex Lynn im zweiten DS Virgin belegt mit 99,11 Prozent den neunten Platz vor NIO-Pilot Oliver Turvey, der mit 99,04 Prozent die Top 10 komplettiert.

Nick Heidfeld nur auf Position 13

Es folgen mit jeweils 99,03 Prozent Andretti-Pilot Antonio Felix da Costa und Jose Maria Lopez im Dragon. Auf dem 13. Platz ist mit Nick Heidfeld der zweite Deutsche zu finden, der mit 98,93 Prozent deutlich hinter den Erwartungen und seinem Teamkollegen Rosenqvist zurückbleibt. Fahrfehler und die mangelnde Zuverlässigkeit seines Mahindra sorgten dafür, dass bis auf den dritten Platz beim Saisonauftakt in Hongkong nicht viel für ihn zusammenlief. Direkt dahinter befindet sich mit 98,90 Prozent Venturi-Pilot Edo Mortara, der nach der starken Vorstellung in Hongkong nicht mehr glänzen konnte und nur noch Rang 9 in der Fahrerwertung belegt. Nur auf dem 15. Platz befindet sich Nicolas Prost (98,89), der trotz eines potenziellen Siegerautos seit fast zwei Jahren auf ein Podium wartet. Ganz im Gegensatz zu Andre Lotterer, der quasi im gleichen Fahrzeug - Techeetah bezieht identische Kundenmotoren von Renault - in Chile Platz 2 holte und mit 98,79 Prozent unmittelbar folgt. Nach dem schwierigen Saisonauftakt wäre in Santiago sogar der Sieg für den gebürtigen Duisburger im Bereich des Möglichen gewesen.

Danach kommt mit Jerome d'Ambrosio (98,72) der zweite Dragon-Fahrer, dessen Formkurve nach dem desaströsen Saisonauftakt für das Team von Jay Penske zuletzt nach oben zeigte und der in Punta del Este zum zweiten Mal in dieser Saison in die Punkte fahren konnte. Es folgt Tom Blomqvist mit 98,64 Prozent nur unwesentlich vor Kamui Kobayashi (98,58 Prozent). Blomqvist ersetzte Kobayashi bei Andretti, der auf Wunsch von Andrettis Titelsponsor MS&AD, einer japanischen Versicherungsgruppe, den Hongkong E-Prix bestritten hatte.

Auf den letzten drei Plätzen liegen Maro Engel (98,57), Luca Filippi (98,51) und Neel Jani (96,69). Engel und Filippi schaffen es derzeit nicht, die Leistung des Fahrzeugs in gute Rundenzeiten umzumünzen. So lag keiner von beiden bei einem der bisherigen Rennen überhaupt einmal über 99 Prozent. Bezeichnend ist, dass ihre jeweiligen Teamkollegen in dieser Saison bereits auf dem Podium gestanden haben. Jani liegt weit abgeschlagen am Ende des Feldes. Dies ist jedoch auch der extrem schwachen Pace von Dragon beim Saisonauftakt geschuldet, schließlich war Hongkong Janis einziger E-Prix.

Teamwertung: Audi klar vorn, 4 Teams innerhalb 1 Zehntelsekunde

In der Performance-Wertung der Teams ist das Feld bei Weitem nicht so nah beieinander: Audi belegt hier mit 99,68 Prozent klar den ersten Platz. Erster Verfolger der Ingolstädter ist auch hier Jaguar mit 99,53 Prozent. Es folgt eine weitere Lücke, bevor mit Renault (99,43), DS Virgin (99,39), Techeetah (99,38) und Mahindra (99,37) vier Teams quasi auf Augenhöhe liegen. Der Unterschied zwischen diesen Teams beläuft sich umgerechnet auf deutlich weniger als eine Zehntelsekunde pro Runde.

Danach kommt wieder eine deutliche Lücke zu NIO (99,15 Prozent). Es folgen Venturi (99,07) und Andretti (99,06), erneut mit nahezu identischer Performance. Am Ende des Feldes liegt mit 98,92 Prozent das Dragon-Team, das allerdings auch immer noch dem massiven Rückstand beim Saisonauftakt hinterherläuft.

Erklärung des Berechnungssystems (Explanation of the calculation system)

Für jede Session (Freie Trainings, Qualifying und Rennen) wird die jeweils absolut schnellste Rundenzeit durch die persönliche Bestzeit jedes Fahrers geteilt. Das Ergebnis wird anschließend in Prozentpunkte umgerechnet. Für jeden Fahrer werden die Prozentwerte sämtlicher Sessions addiert und durch die Anzahl der Sessions geteilt. Da viele Piloten nur in einem der beiden freien Trainings mit der vollen Leistung von 200 kW fahren, betrachten wir nur das jeweils stärkste Ergebnis der beiden freien Trainings. So ergibt sich der durchschnittliche Performance-Wert. Bei den Teams ist das Vorgehen identisch, nur dass hier pro Session allein die schnellere Bestzeit der beiden Fahrer gewertet wird.

Leistet sich ein Fahrer im Qualifying, wo es nur einen Versuch gibt, einen Unfall oder einen größeren Fahrfehler, fließt diese Session nicht in die Wertung ein, um das Ergebnis nicht zu verfälschen. Gleiches gilt für einen frühen Ausfall im Rennen.

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In order to work out a respective driver's performance rating, each session's (Free Practice, Qualifying, Race) overall best time is divided by the driver's personal best laptime. The result is then converted into percentages, from which we can, through addition of all percentages and division by the number of sessions, calculate an average "performance percentage". Most drivers don't use the maximum power output of 200 kW during both Free Practices, so we use just the best result of the two Free Practices. The calculation method is similar for the teams, whereas we only pick the better of their two available times.

In case a driver runs into trouble during the qualifying session (i.e. crashes out, makes a serious mistake), his time is excluded from our assessment, expunging possible outliers. The same is done for the race, if a driver has to retire quite shortly after the start.

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