Formel E

Porsche: Darum ist der Simulator so wichtig für die Rennstrategie in der Formel E

Timo Pape

Timo Pape

Der Porsche-Rennsimulator zählt laut einem Bericht im 'Porsche Newsroom' zu den modernsten der Welt. In ihm trainiert Werksfahrer Neel Jani das in der Formel E so wichtige Energiemanagement und berichtet darüber. Vor allem die verschiedenen Programme zum Energiemanagement spielen eine wichtige Rolle.

In einem großen fensterlosen Raum steht der drei Meter hohe Porsche-Simulator auf seinen schwarzen Hydraulikbeinen auf einer 19 Tonnen schweren Stahlplatte. Das Monocoque erinnert an eine Seifenkiste, verfügt aber über alle für Simulatortests entscheidenden Elemente des Formel-E-Rennwagens "Porsche 99X Electric". Im Cockpit wartet so auch das Original-Lenkrad des Elektroboliden - an jedem Knopf sind exakt dieselben Funktionen hinterlegt wie im realen Auto.

Für eine Testsession steigt Stammfahrer Neel Jani in den Simulator. Vor ihm entfaltet sich das 180-Grad-Panorama des Straßenkurses von Paris. Im Kontrollraum hinter dem Simulator haben Ingenieure vor ihren Computern Platz genommen und beobachten Jani durch Sicherheitsglas. "Loud and clear", bestätigt der Schweizer die Funkverbindung. Insgesamt vier Stunden lang wird der 35-Jährige heute den französischen Stadtkurs, auf dem am 18. April 2020 der neunte E-Prix der aktuellen Saison stattfindet, unter die virtuellen Räder nehmen.

Im Raum wird es laut, als Jani mit voller Geschwindigkeit über die Randsteine von Paris fährt. Er spürt im Simulator jeden Richtungswechsel, jeden Bremsvorgang und auch kleinste Unebenheiten. Nur die langanhaltenden G-Kräfte, die in der Realität beim Verzögern und in Kurven insbesondere die Nackenmuskulatur belasten, können nicht simuliert werden. Ähnlich wie auf See passen optische Wahrnehmung und Signale des Gleichgewichtsorgans somit nicht ganz zusammen. Das Gehirn muss abstrahieren - manchen Fahrern wird dabei sogar übel. Nach 45 Minuten gibt es die erste Pause. Das erste virtuelle Rennen des heutigen Tages für Jani auf dem 1,93 Kilometer langen Kurs ist vorbei.

Energiemanagement auch im Simulator entscheidend

Die im Simulator eingespeisten Profile basieren auf millimetergenauen Scans der Strecke und sind somit hochpräzise. Auf diese Weise kann das Training im Simulator eine detaillierte Streckenkenntnis vermitteln und erlaubt zugleich eine spezifische Basisabstimmung für die einzelnen Porsche-Rennwagen und die verschiedenen Strecken während der Saison. Die wichtigste Aufgabe der Formel-E-Vorbereitung im Simulator bildet allerdings die Erprobung verschiedener Softwareprogramme zum effizienten Energiemanagement. Zu jeder Sekunde muss möglichst viel elektrische Energie zur Verfügung stehen.

Zunächst geht es jedoch um das Setup für die Qualifikation. Im Qualifying-Modus steht Jani die maximale Leistung von 250 kW zur Verfügung. Auf einer einzelnen schnellen Runde spielt das Energiemanagement für die Reichweite nur eine untergeordnete Rolle. Ein guter Startplatz ist wichtig auf den oft engen Stadtkursen - gerade in Paris. "Wenn du weit hinten losfährst, hast du schlechte Karten", erklärt Jani.

Im Rennen sind die Anforderungen bedeutend komplexer. Die Batterie (52 kWh nutzbare Energie) ist beim Start vollständig geladen. Während des Rennens wird sie durch Rekuperation beim Bremsen kontinuierlich nachgeladen. Diese Energierückgewinnung erfolgt automatisiert über die E-Maschine an der Hinterachse: Wenn der Pilot auf die Bremse tritt, regelt ein Brake-by-Wire-System, ob oder in welchem Maß die hydraulische Bremse greift, und wann die E-Maschine an der Hinterachse verzögert, um kinetische in elektrische Energie umzuwandeln.

Variablen im Rennen fordern verschiedene Programme

Doch wann lässt sich welche Energiemenge am sinnvollsten rückgewinnen? Und wann ist die Energie einzusetzen, damit Jani und sein Porsche-Teamkollege Andre Lotterer optimal über die Runden kommen? Der Rennverlauf ist eine Rechnung mit zahlreichen Unbekannten. Die Software-Entwickler ertüfteln deshalb verschiedene Betriebsprogramme. Etwa für sparsames Fahren, wenn ein Pilot hinter einem Konkurrenten festhängt. Oder - und das ist das andere Extrem - für maximalen Boost im Attack-Mode, wenn per Reglement zwei- bis dreimal pro Rennen für vier Minuten jeweils 35 kW mehr zur Verfügung stehen.

Diese Energiemanagement-Programme gehören zu den am besten gehüteten Geheimnissen der Teams. Das Portfolio der Software-Funktionen wächst täglich, und die Fahrer müssen den Umgang damit sicher beherrschen. Denn im Rennen hängt alles von ihnen ab. "Die Ingenieure können uns von der Box aus kaum helfen", erklärt Jani, als er schließlich aus dem Simulator steigt. "Telemetrie ist in der Formel E verboten, wir müssen allein entscheiden, welchen Modus wir abrufen." Gut, dass es heutzutage moderne Simulatoren gibt, um den Ernstfall zu proben.

Foto: Porsche Newsroom

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