Porsche-Motorsportleiter Enzinger: "Formel E muss konsequent bleiben"
Timo Pape
"Natürlich war ich erst einmal skeptisch", gibt Fritz Enzinger mit Blick auf die Formel E offen zu. Der Porsche-Motorsportleiter und Konzern‑Motorsportchef der Volkswagen AG ist inzwischen jedoch überzeugt vom Konzept der Elektroserie, in der sich seine Porsche-Mannschaft seit drei Rennen betätigt.
"(Ich) konnte mir - wie viele andere auch - nicht vorstellen, dass diese Serie innerhalb von so wenigen Jahren eine derartige Popularität erlangt", erklärt Enzinger seine anfängliche Skepsis. Rennen seien immer laut gewesen, in den Boxen und an der Strecke habe es eben nach Benzin und Abgasen gerochen. "In der Formel E vermischt sich das Zwitschern der Elektromotoren mit den Abrollgeräuschen der Reifen. Das klingt völlig anders. Insofern war das Liebe auf den zweiten Blick", gesteht der Österreicher. "Aber jüngere und folgende Generationen werden das unbefangener wahrnehmen. Irgendwann machen Kinder nicht mehr 'Brumm-brumm', wenn sie mit Autos spielen."
Besonders reizt den 63-Jährigen an der Formel E die "fantastische Leistungsdichte", die tendenziell sogar noch zunehme. Enzinger spielt dabei auf die hohe Hersteller-Dichte in der jüngsten FIA-Serie sowie die Einheitsbauteile an, die für ausgeglichene und packende Rennen sorgen. "Daraus ergibt sich ein sehr enger Entwicklungskorridor, lediglich der Antriebsstrang mit dazugehöriger Leistungselektronik erlaubt eine Differenzierung. Aber genau auf diese zukunftsweisenden Detailentwicklungen kommt es an, um für die Serie zu lernen. Die Formel E ist eindeutig das wettbewerbsstärkste Umfeld, um die Entwicklung von High-Performance-Fahrzeugen in puncto Umweltfreundlichkeit, Effizienz, Sparsamkeit und Nachhaltigkeit voranzutreiben."
Nicht nur deshalb schätzt Enzinger die Formel E als sehr zuschauerfreundlich ein. "Die Renndauer von unter einer Stunde macht die Serie sehr TV-freundlich und somit attraktiv für Zuschauer und Sponsoren. Vor Ort lässt sich der einzigartige Eventcharakter erleben. Das Angebot in Sachen Kulinarik und Entertainment ist riesig." Zudem lasse sich ein Rennbesuch gut mit einer Städtereise verknüpfen, da die Formel E ihre E-Prix ausschließlich in schillernden Metropolen austrägt. "Unterm Strich ist die Formel E für ein ausgesprochen breites Publikum attraktiv", findet Enzinger.
Enzinger begrüßt Kostendeckelung in der Formel E
Die Formel E ist für ihn auf einem guten Weg, müsse jedoch auch einige Aspekte beachten, um nachhaltig erfolgreich zu sein. "Sie muss konsequent bleiben, sowohl hinsichtlich der Technik als auch des Stadtrennen-Formats", erklärt Enzinger. "Es gibt eine Roadmap für 2023 - damit weiß jeder, wohin die Reise geht. Das Konzept der Gleichteile bleibt unverändert. Das muss angesichts der Werksengagements auch strikt gehandhabt werden, sonst läuft das Ganze finanziell aus dem Ruder."
Das Reglement der Formel E limitiert die Größe der operativen Einsatzmannschaft auf 20 Mitarbeiter - in Enzingers Augen ebenfalls eine gute Sache: "Effizienz bedeutet daher auch Mehrfachfunktionen. Zum Vergleich: Im LMP-Programm waren wir mit operativ 60 Leuten an der Strecke. Das Testen ist in der Formel E auf 15 Tage im Jahr begrenzt. Auch hier dominiert Effizienz als oberstes Gebot", erklärt der Routinier.
Im Gegensatz zu Neueinsteiger Mercedes hat Porsche einen anderen Ansatz gewählt: kein "Kundschafterteam" ein Jahr vor dem Werkseinstieg, sondern ein weißes Blatt Papier. "Das wäre einfach nicht der Porsche-Weg. Eine wichtige Erkenntnis aus dem erfolgreichen Langstreckenprogramm mit dem Le-Mans-Prototyp 919 war die ungeheure Bedeutung des Teamspirits. Ich denke, den konnten wir auf die Formel-E-Mannschaft übertragen. Es entstand erneut eine richtige Start-up-Aufbruchsstimmung."
"Die Experten haben sich über die zurückliegenden anderthalb Jahre super zusammengefunden und mit Akribie neue, Porsche-eigene Prozesse aufgesetzt", blickt er zurück. "Die betriebsstrategischen Herausforderungen und diejenigen für die Software sind immens. Das TAG Heuer Porsche Formel-E-Team ist eine waschechte Weissacher Werksmannschaft, das war auch mir sehr wichtig. Natürlich bezahlen wir dafür einen Preis: Andere Hersteller besitzen einen Erfahrungsvorsprung", so Enzinger.
Bislang liegt Porsche in seiner Debütsaison mit 18 Punkten für Andre Lotterers zweiten Platz beim Auftaktrennen in Saudi-Arabien auf Rang 9 von 12 in der Teammeisterschaft. Mercedes mit einem Jahr HWA-Erfahrung führt die Gesamtwertung indes an, doch die Saison 2019/20 ist noch lang. Es wird spannend zu sehen, welcher Ansatz langfristig mehr Früchte trägt.
Foto: Porsche
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