Power-Ranking: Unsere Fahrer-Bewertung nach dem Monaco E-Prix
Tobias Bluhm
Die Serie von acht verschiedenen Siegern aus acht Rennen in der Formel E ist beendet. Im neunten E-Prix der Saison kürte sich Jean-Eric Vergne (DS) am vergangenen Wochenende in Monaco zum ersten Fahrer, der in diesem Jahr zwei Läufe gewinnen konnte. Die Jagd auf den Titel ist damit eröffnet. Vier Rennen vor Saisonschluss hat mathematisch betrachtet noch jeder einzelne Fahrer (!) die Chance, den Titel zu gewinnen. Neun Piloten könnten bereits beim kommenden E-Prix in Berlin die Spitze der Meisterschaft übernehmen.
Dass die Elektroserie in diesem Jahr so unvorhersehbar wie noch nie ist, zeigt auch ein Blick auf das Zeitentableau von Monaco. Auf der kurzen Piste in direkt am Hafen lagen alle Fahrer im Qualifying innerhalb von nur einer Sekunde (Distanz zwischen Platz 1 und 22: 0,970 Sekunden). Welche Piloten aktuell besten in der Erfolgsspur sind, soll unser e-Formel.de Power-Ranking feststellen. Nach jedem Rennen bewerten unsere Redakteure hierfür die Einzelleistungen aller Fahrer - ganz unabhängig vom Material oder unverschuldeten Ausfällen und vollkommen subjektiv. Starke Rennen mit unzureichenden Ergebnissen können somit wertgeschätzt werden, auch wenn unsere Bewertung selbstverständlich keine Aussagekraft über die tatsächliche Meisterschaftssituation treffen kann und soll.
Die Einzelwertungen werden für jeweils drei Rennen beibehalten, um einen Performance-Trend darstellen zu können. Auch die E-Prix von Rom und Paris spielen im aktuellen Ranking also noch eine Rolle. Eine ausführliche Erklärung der Berechnung unseres Power-Rankings haben wir dir auf Deutsch und Englisch bereitgestellt. Wie zuletzt bekommen wir auch in dieser Ausgabe des Power-Rankings Unterstützung von einem unabhängigen Medienkollegen von außerhalb unserer Redaktion. Dieses Mal hat Sam Smith von 'e-racing365' seine Einschätzung zum E-Prix eingereicht. Thank you, Sam!
Das e-Formel.de Power-Ranking nach dem Monaco E-Prix
Tageswertung: 6.6 Punkte | Gesamtwertung: 7.8 Punkte
"Es ist unmöglich, in Monaco zu überholen", hieß es vor dem Rennen. Die Strecke zu kurz, die Kurven zu eng, die Geraden zu schmal, die Chancen auf Überholmanöver zu gering. "Das wird eine Prozession", hieß es, "ein Rennen ohne Platzwechsel". Andre Lotterer war das egal.
Nach der zugegebenermaßen alles andere als zufriedenstellenden Qualifikation, in der sich Lotterer aus Gruppe 1 nur für den 22. Platz qualifizierte - und das Rennen nach Strafen gegen Mortara und Günther von Rang 20 aufnahm -, pflügte der Deutsche durch das Feld und holte bis zur Veröffentlichung des finalen Resultats unbeeindruckt aller vorausgegangenen Annahmen ganze 13 Positionen auf. Selbstverständlich hat er seine Aufholjagd zu einem gewissen Anteil auch seinem Fahrzeug und dem berühmten Quäntchen Glück zu verdanken.
Trotzdem ist Lotterer momentan unangefochten der konstanteste Fahrer der Formel E. Unsere Jury hat er zum dritten Mal infolge mit seiner Fahrerleistung überzeugt. Natürlich profitierte er im Fürstentum von einigen Ausfällen und Strafen, die ihm schlussendlich den siebten Platz bescherten. Dennoch: Andre Lotterer ist vier Rennen vor Saisonende einer der vielversprechendsten Anwärter auf den Titel und hält sich weiterhin im "Game of Thrones" um den Formel-E-Titel 2018/19. Und das, obwohl er bisher noch keinen einzigen E-Prix gewonnen hat…
Tageswertung: 0.0 Punkte | Gesamtwertung: 5.4 Punkte
Robin Frijns darf wohl nicht sonderlich zufrieden mit dem Ergebnis seines Monaco-Rennens sein. Der Frankreich-Sieger profitiert in unserem Power-Ranking noch stark von seinen Wertungen aus Paris und Rom, wo er weitaus mehr überzeugte. "Monte Carlo ist einfach kein gutes Pflaster für mich", sagte Frijns nach einem ruppigen Rennen, das er trotz einiger waghalsiger Manöver nach einem Unfall mit Alexander Sims (BMW) mit einem Schaden an seinem Auto nicht beenden konnte. Trotzdem hält er mit nur sechs Punkten Rückstand auf Vergne Anschluss an die Spitze der Meisterschaft. Dass er auch in New York um den Meisterpokal kämpfen kann, muss Frijns trotzdem noch beweisen.
Tageswertung: 5.6 Punkte | Gesamtwertung: 5.2 Punkte
Ähnlich konstant wie Lotterer fährt in dieser Saison Jaguar-Mann Mitch Evans - nur leider stets fünf Positionen weiter hinten. Nachdem seine lange Punkteserie zuletzt in Paris riss, fand sich der Neuseeländer beim Zieleinlauf in Monaco zum dritten Mal in dieser Saison auf Platz 7 im Klassement wieder. Durch die nachträgliche Disqualifikation Antonio Felix da Costas wurden daraus sogar noch Rang 6 und wichtige acht Zähler für sein Punktekonto.
Bei nahezu jedem E-Prix hamsterte Evans auf diese Art und Weise Punkte. Zum wiederholten Male stellte er in Monaco zudem seinen Teamkollegen in den Schatten: Ganz egal ob Nelson Piquet jr. oder Alex Lynn - Evans beendete die E-Prix stets vor seinem Teampartner. Und auch im Qualifying-Vergleich steht es 6:3 für den 24-Jährigen. Evans ist gut in Form und rangiert damit verdientermaßen weiterhin in den Top 6 der Fahrerwertung. Aus fahrerischer Sicht wäre Evans klar ein Titelkandidat. Nur fehlt ihm derzeit noch das Auto, um im Titelkampf eine bedeutende Rolle zu spielen.
Tageswertung: 8.4 Punkte | Gesamtwertung: 4.5 Punkte
Verdientermaßen ist Oliver Rowland derzeit der am besten platzierte "Rookie" im Zwischenstand der Formel-E-Fahrer. Zum zweiten Mal sicherte er sich in dieser Saison einen zweiten Platz. Zum zweiten Mal musste er sich nur Formel-E-Veteran Jean-Eric Vergne geschlagen geben. Man male sich nur aus, was er erreicht hätte, wenn er seine Pole-Position behalten hätte und vor dem Franzosen gestartet wäre…
Der erste Sieg des 26-Jährigen liegt schon lange in der Luft. Neunmal beendete er in diesem Jahr eine Session auf dem ersten Platz. Zuvor gelang dieses Kunststück in den ersten neun Rennen einer Saison einzig seinem Teamkollegen Buemi (Saisons 3 und 4) und Jean-Eric Vergne (Techeetah, Saison 4). Es wird Zeit, dass an einem Wochenende alles zusammenläuft und dass er auch die finale, entscheidende Session auf dem ersten Platz beendet. Wie ein echter Titelkandidat tritt Rowland momentan zwar noch nicht auf. Chancen auf einen Rennsieg in der nahen Zukunft hat er trotzdem.
Tageswertung: 2.4 Punkte | Gesamtwertung: 3.7 Punkte
Im Power-Ranking rückt Sebastien Buemi nach dem Monaco E-Prix zwei Positionen auf. Dabei hatte er am Wochenende schwer mit seinem Nissan-Renner zu kämpfen, in dem er - anders als sein Teamkollege Rowland - nicht das Tempo der Spitze mitfahren konnte. Der zweimalige Sieger im Fürstentum verlor Runde um Runde mehr Zeit auf das Quartett an der Front des Feldes und geriet schon bald in die Klauen der lauernden Konkurrenz hinter ihm.
Eine gefühlte Ewigkeit verteidigte sich Buemi dennoch mit aller Kraft gegen Bird, Evans, Frijns, Sims und Co., die an jeder Ecke des Kurses nach einem Weg vorbei am Schweizer suchten. Auch einer Full-Course-Yellow-Phase trotzte Buemi, der mit Platz 5 für sich das wohl bestmögliche Resultat aus dem E-Prix herausholte. Auch seine Verteidigungsleistung wird von unseren Redakteuren wertgeschätzt, wenngleich uns seine fehlende Pace Rätsel aufgibt. Noch relevanter ist jedoch seine Konstanz: In den letzten drei Rennen heimste Buemi stets gute Ergebnisse ein. Zwar kann er, anders als beispielsweise in Santiago, derzeit nicht mehr um Siege kämpfen. Wiederholte Punkteergebnisse bedeuten trotzdem, dass er den Anschluss an die Führungsgruppe hält.
Tageswertung: 5.2 Punkte | Gesamtwertung: 3.7 Punkte
Pascal Wehrlein erlebt in der Formel E weiterhin eine ausgezeichnete Rookie-Saison. In Monaco war er zum wiederholten Male in den Kampf um den Rennsieg involviert. Anders als sein Teampartner Jerome d'Ambrosio, der es im Fürstentum trotz nachträglicher Strafen und Ausfälle mehrerer Fahrer nur auf Platz 11 schaffte, ist Wehrlein nach dem Desaster-Qualifying von Hongkong endgültig zurück im Tagesgeschäft der Elektroserie. In Monaco kostete ihn ein selbstverschuldeter Fahrfehler, bei dem er sich in Kurve 1 verbremste, alle Chancen auf einen Zieleinlauf auf den ersten zwei Plätzen.
Nach seinem Ausrutscher setzte er dennoch den Formel-1-Veteran Felipe Massa unter enormen Druck, was letztendlich sogar dazu führte, dass dem Brasilianer 150 Meter vor der Ziellinie der Strom ausging. Um Haaresbreite wäre Wehrlein somit sogar aufs Podium gekommen: Am Ende fehlten ihm nur 0,178 Sekunden - umgerechnet 5,7 Meter - auf Massa.
Ohne das Performance-Tief zur Saisonmitte wäre Wehrlein, der es auch in Rom und Paris jeweils nur auf den 10. Platz schaffte, klar besser für den Titelkampf aufgestellt. Aber: In Berlin geht er in der statistisch betrachtet erfolgsversprechenden dritten Qualifying-Gruppe an den Start. Seine Ausgangsposition für den Heim-E-Prix in der Hauptstadt könnte damit kaum besser sein. Auch wenn Wehrlein momentan "nur" Gesamtelfter in der Fahrerwertung ist, wäre es klar zu früh, den Schwaben schon jetzt abzuschreiben.
Tageswertung: 9.4 Punkte | Gesamtwertung: 3.6 Punkte
Die e-Formel.de Jury ist sich einig: Jean-Eric Vergne fuhr in Monaco das beste Rennen aller Fahrer. In der Qualifikation verhalfen ihm eine rasend schnelle Runde und eine Strafe gegen Rowland zum ersten Startplatz, den er bis zum Zieleinlauf nicht abgeben sollte. Gekonnt managte er bei seinem Start-Ziel-Sieg den Abstand zu seinen Konkurrenten und hatte - trotz sich stets verändernder Abstände - immer eine Antwort auf den herannahenden Rowland parat. So beendete er den E-Prix mit überragender Gelassenheit und Coolness.
Nach mehreren Enttäuschungen in dieser Saison hat der Vorjahresmeister in Monaco endlich zurück zu alter Form gefunden. Es bleibt abzuwarten, ob er die Pace seiner Siegesfahrt auch in Berlin, Bern und New York spiegeln kann. Würde er dies schaffen, stehen Vergnes Chancen auf die erste Titelverteidigung in der Formel-E-Geschichte nicht schlecht.
Tageswertung: 0.0 Punkte | Gesamtwertung: 3.1 Punkte
Nach Maximilian Günthers toller Leistung in Paris zahlte der Deutsche bei einem rabenschwarzen Tag in Monaco erneut Lehrgeld. Er qualifizierte sich zwar für Startplatz 14. Jedoch musste er in der Startaufstellung, nachdem er beim obligatorischen Full-Course-Yellow-Test im 1. Freien Training zum wiederholten Male zu schnell unterwegs war, zehn Plätze zurück. Mit dieser Ausgangslage waren Hopfen und Malz bereits so gut wie verloren: Im hart umkämpften hinteren Mittelfeld geriet Günther mit einem Konkurrenten aneinander, beschädigte sich seinen Dragon und musste den E-Prix nach 29 Runden aufgeben. Kurz: ein Tag zum Vergessen.
Tageswertung: 0.4 Punkte | Gesamtwertung: 3.0 Punkte
Immer wieder zeigte HWA-Mann Stoffel Vandoorne in dieser Saison vereinzelne Glanzmomente. Nachdem er noch in Rom sensationell aufs Podium fuhr, tauchte der Belgier zuletzt jedoch wieder ins Mittelfeld der Formel E ab. In Monaco blieb der ehemalige Formel-1-Pilot ebenfalls auffällig unauffällig, war jedoch abseits der TV-Bilder in einige wilde Platzkämpfe verwickelt.
"Ich glaube, es gibt keine Stelle an meinem Auto, die nicht berührt wurde", resümiert Vandoorne mit einem Augenzwinkern. Im Rennen duellierte er sich am Ende der Top 10 auf Augenhöhe mit BMW, Jaguar und Audi, musste sich schlussendlich jedoch mit Platz 11 zufriedengeben, der dank der zwei Strafen gegen Daniel Abt (Audi) und Felix da Costa (BMW) zu Position 9 wurde. Nach dem guten Italien-Resultat ist das wohl weder für Vandoorne noch für HWA zufriedenstellend.
Tageswertung: 0.6 Punkte | Gesamtwertung: 2.9 Punkte
Es sollte einfach nicht sein: Nach einem starken Start in den E-Prix, bei dem Lucas di Grassi schon in der ersten Runde zwei Autos überholte und wenig später zwei weitere von Erfolg gekrönte Manöver setzte, musste der brasilianische Formel-E-Meister von 2017 in Monaco seinen zweiten Ausfall durch Fremdverschulden in den letzten vier Rennen beklagen. Im Platzkampf wurde er von Alexander Sims (BMW) in der Anbremszone vor der Hafen-Kehre in die Mauer gedrückt. Sims war zuvor mutmaßlich von Bird (Virgin) angeschoben worden.
Mit einem stark beschädigten Auto rollte di Grassi zwar noch wenige Meter weiter, stellte seinen Audi-Renner jedoch wenig später in der Schwimmbad-Schikane ab. Ein bitteres Ende seines Rennens, denn di Grassi war erneut auf Top-10-Kurs. Dem 34-Jährigen gehen somit erneut wichtige Punkte verloren, die in der so engen Formel E am Ende der Saison entscheidend werden könnten. Noch ist in der Meisterschaft alles offen. Will Lucas di Grassi aber ernsthaft im Titelkampf ein Wort mitreden, müssen wieder - wie zuletzt in Paris - mehr Punkte her.
0 Kommentare
Einen Kommentar schreiben