Formel E

Zu viel geführt, "Preis bezahlt" - Formel-E-Champion Vandoorne trauert möglichem Sieg in Sao Paulo nach

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Jean-Eric Vergne und Stoffel Vandoorne reisen mit 21 Punkten im Gepäck von der Formel-E-Premiere in Brasilien ab - ein gutes Teamergebnis für DS Penske. Dennoch hadern beide Piloten nach dem Rennen, bei dem ihrer Ansicht nach deutlich mehr möglich gewesen sei. Insbesondere der amtierende Formel-E-Champion Stoffel Vandoorne ist über sein Abschneiden enttäuscht. Seine Begründung dafür mutet kurios an.

Beide Fahrer des Teams gingen in Qualifying-Gruppe A an den Start. Während Jean-Eric Vergne als Fünfter den Einzug in die Qualifying-Duelle knapp verpasste, erzielte Stoffel Vandoorne die Bestzeit in der Gruppe. Anschließend gewann er seine beiden Duelle gegen Jake Hughes und Edoardo Mortara souverän und rang im Finale auch Porsche-Pilot Antonio Felix da Costa mit 0,063 Sekunden Vorsprung nieder - die erste Pole-Position des Jahre für ihn.

Besonders auffällig war dabei die Konstanz des Belgiers, die er schon im Jahr seines Titelgewinns bei Mercedes unter Beweis gestellt hatte: Jede seiner drei Runden in der Duellphase lag im Bereich von nur 0,025 Sekunden. Auch für das Team Penske war die Pole-Position etwas Besonderes: Erstmals seit Jerome d'Ambrosio beim Mexico City E-Prix 2016 stand wieder ein Fahrer des US-Teams auf dem ersten Startplatz. Teamchef Jay Penske musste somit 90 Rennen und mehr als sieben Jahre darauf warten.

Vandoorne sammelt ungewollt erst Führungskilometer der Saison

Im Rennen kam Vandoorne zunächst gut in Tritt. Er hatte jedoch mit einem ungewöhnlichen Problem zu kämpfen: Niemand wollte ihn überholen. So sammelte er in den ersten 14 Runden des Rennens zwar seine ersten zwölf Führungsrunden der Saison, verbrauchte aber auch deutlich mehr Energie als die anderen Fahrer der Spitzengruppe. Diese profitierten vom ausgeprägten Windschatten der Gen3-Boliden und konnten so insbesondere auf den langen Geraden des Kurses viel Energie sparen.

Das Energiesparen nahm im zweiten Renndrittel der angesetzten Renndistanz groteske Züge an: So verlangsamte Vandoorne in Führung liegend bereits einige hundert Meter vor dem Ende der Geraden. Die hinter ihm fahrenden Piloten taten es ihm aber gleich, sodass der Belgier weiterhin in Führung blieb. In der 15. Runde schoben sich schließlich Nick Cassidy und Antonio Felix da Costa am DS-Fahrer vorbei, der jedoch zu diesem Zeitpunkt schon mehr als zwei Prozentpunkte Energie-Rückstand hatte.

In der Folge musste Vandoorne folgerichtig Energie sparen und verlor weiter an Boden. Auch die beiden Jaguar-Piloten ließ er kampflos vorbei, bevor ihn wenige Runden vor dem Ziel auch noch Teamkollege Vergne überholte. Es gelang ihm jedoch, den Porsche des WM-Führenden Pascal Wehrlein auf Distanz zu halten, sodass Vandoorne das Rennen auf dem sechsten Platz beendete.

Vandoorne "enttäuscht über den 6. Platz"

"Um ehrlich zu sein, bin ich natürlich etwas enttäuscht über den sechsten Platz, wenn man bedenkt, dass ich von der Pole-Position gestartet bin", sagt Vandoorne. "Wir wussten, bevor wir hierher kamen, dass es nicht unbedingt ein Vorteil ist, das Rennen anzuführen. Besonders auf einer Strecke wie dieser, wo man wirklich Energie sparen muss. Wenn die Strecke so schnell ist wie hier, können die Verfolger durch Windschattenfahren viel Energie sparen. Und genau das ist passiert."

"Ich habe den Preis dafür bezahlt, das Rennen zu lange angeführt zu haben", erklärt der Belgier auf Twitter. "Irgendwann war mein Energiedefizit im Vergleich zu meinen Konkurrenten zu groß. Das bedeutete, dass ich nicht mehr mit ihnen kämpfen konnte, und ich habe einige Plätze verloren."

"Auf der anderen Seite gibt es aber auch viel Positives von diesem Wochenende mitzunehmen, angefangen bei unserer Leistung im Qualifying", findet Vandoorne. "Ich freue mich sehr über meine erste Pole-Position mit dem Team, die auch meine erste mit dem Gen3-Auto ist." Nach dem Rennwochenende in Brasilien bleibt somit festzuhalten: Der amtierende Formel-E-Meister ist endlich in der Gen3-Ära und bei DS Penske angekommen.

Vergne: "Auto war praktisch unfahrbar"

Teamkollege Jean-Eric Vergne hatte ein relativ ereignisarmes Rennen. Der Franzose - von Position 7 gestartet - ging bereits am Start an McLaren-Pilot Jake Hughes vorbei. Wenige Meter später profitierte er von einer Kollision zwischen Edoardo Mortara und Mitch Evans, die den Maserati-Piloten zurückwarf. In der Folge fuhr Vergne konstant in den Top 6 und hielt sich aus allen Scharmützeln heraus.

Er überholte seinen Teamkollegen Vandoorne vier Runden vor dem Ziel und lag auf dem vierten Platz. Gegen Antonio Felix da Costa, der wegen eines Fahrfehlers zurückgefallenen war, war Vergne zwei Runden später aber machtlos - wie bereits beim Duell um den Sieg in Kapstadt.

"Es war ein schwieriger Tag. Das Qualifying war nicht gut, und im Rennen hatte ich große Probleme mit der Balance des Autos", beschreibt Vergne nach dem Rennen. "Das müssen wir untersuchen. Mein Auto war praktisch unfahrbar und übersteuerte durchgehend. Ich konnte nicht gut aus den Kurven herausbeschleunigen, das Handling war nicht gerade renntauglich. Es war ein Kampf, und ich habe nur versucht, durchzuhalten und Punkte für das Team zu holen. Das ist uns auch gelungen. Ich nehme diese Punkte gern mit und kämpfe weiter um die Meisterschaft."

Franzetti: "Lernen von Rennen zu Rennen dazu"

"Nach unseren beiden Podiumsplätzen nun ein doppeltes Punkteresultat nach Hause zu bringen, ist großartig für das Team und ein Momentum, auf dem wir im weiteren Verlauf der Saison aufbauen wollen", beschreibt Teamchef Jay Penske. "Die Runde, die Stoffel gefahren ist, um sich die Pole-Position zu sichern, war sehr beeindruckend. Auf dieser einzigartig anspruchsvollen Strecke waren es eine starke Leistung von Stoffel und eine großartige Aufholjagd von JEV, um auf beiden Seiten der Garage solide Punkte zu holen. Wir sind auf dem richtigen Weg."

"Wir sind mit unserem Rennergebnis in Sao Paulo zufrieden", erklärt auch Eugenio Franzetti, Direktor von DS Performance. "Wir sind hierher gekommen, um wichtige Punkte in der Team- und der Fahrermeisterschaft zu holen. Das haben wir geschafft, auch dank der fantastischen Pole-Position von Stoffel. Dieser erste Platz in der Startaufstellung verdeutlicht die hervorragende Leistung unseres Autos."

"Natürlich ist die Arbeit noch nicht beendet", so Franzetti weiter. "Jetzt haben wir einen Monat Zeit, um uns auf die Rennen in Berlin vorzubereiten. Ich bin mir sicher, dass wir dort einige sehr gute Ergebnisse einfahren können." Der "Double-Header" in der deutschen Hauptstadt findet am 22. und 23. April 2023 statt.

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