Formel E

Reportage: So emotional fühlt sich ein Formel-E-Qualifying in der Box an

Timo Pape

Timo Pape

Thomas-Chevaucher-James-Rossiter-DS-Techeetah-Box

Betretenes Schweigen, als Antonio Felix da Costa durch die Box von DS Techeetah schreitet. Keine Vorwürfe, aber auch kein aufmunterndes "beim nächsten Mal wird’s besser." Denn alle Beteiligten wissen, was Sache ist und dass es erst mal kein nächstes Mal gibt. Nach einem bärenstarken Qualifying mit den Startplätzen 1 und 2 für die beiden DS-Piloten am Samstag hat es an diesem Sonntag in Berlin-Tempelhof nicht sein sollen. Die kleine Resthoffnung auf die Titelverteidigung in der Formel E dahin.

Der zu diesem Zeitpunkt noch amtierende Meister, Felix da Costa, kommt sichtlich enttäuscht in die kleine VIP-Box, in der seine Familie mitgefiebert hat. Gleichzeitig nehmen ihn Freundin Ines und Mama Maria Antonia in den Arm. Ein feuchter Schmatzer auf jede Wange, Mitgefühl. Denn in erster Linie war die Strecke schuld, die sich nach Quali-Gruppe 1 ausnahmsweise nicht verbesserte, sondern sogar langsamer wurde. Viel geredet wird nicht, nur ein paar leise Worte auf Portugiesisch.

Ich komme mir ein bisschen fehl am Platz vor, diesen intimen Moment zu beobachten. Trotzdem bin ich dankbar, von DS Automobiles die Gelegenheit zu diesem besonderen Blick hinter die Kulissen bekommen zu haben. Selten erlebt man die Formel-E-Piloten so persönlich, bekommt derart tiefe Einblicke in die Gefühlswelt eines Profi-Rennfahrers.

Auch Teamkollege Jean-Eric Vergne weiß, dass ein dritter Meistertitel für ihn beim letzten Saisonrennen am Nachmittag nicht mehr realistisch ist. Er wirkt jedoch weniger traurig, sondern eher genervt, weil es nur sehr bedingt in seiner Macht lag, ein besseres Ergebnis zu erzielen. Und dann landete er auch noch knapp hinter seinem Garagennachbar Felix da Costa.

Nach und nach geht das Team auseinander. Während einige Ingenieure die Daten aus der Qualifikation auswerten, um beide Fahrzeuge auf das Rennen vorzubereiten, ziehen die Fahrer mit ihren Vertrauten mehr oder weniger wortlos von dannen. Dann begebe auch ich mich auf den Weg zurück ins Media-Center und lasse die vergangene Stunde Revue passieren.

Was passiert während eines Formel-E-Qualifyings?

Aus der Perspektive eines Formel-E-Teams verläuft das Qualifying deutlich stiller als am Fernsehbildschirm. Die meiste Zeit über ist es mucksmäuschenstill in der Garage. Kaum jemand spricht. Alle schauen sich auf diversen Bildschirmen das TV-Signal an und verfolgen, was die Konkurrenz tut. Hin und wieder gibt es Funksprüche zwischen den Renningenieuren und den beiden Piloten, die die ganze Zeit bis zu ihrem Einsatz im Auto sitzen.

DS hat mir einen Kopfhörer zur Verfügung gestellt, über den ich die Funkkanäle beider Fahrer mithören kann. Viel gefunkt wird jedoch erst, als Gruppe 2 an der Reihe ist, denn jetzt sind Felix da Costa und Vergne gefordert, sich zu qualifizieren. Der Renningenieur zählt einen Countdown herunter, dann erhalten die Fahrer gleichzeitig das Signal loszufahren.

Während der Aufwärmrunden erhalten sie zahlreiche Infos zu ihrer Position auf der Strecke. Auch zu anderen Piloten, die zeitgleich ihre schnelle Runde vorbereiten. Knapp wird es mit Blick auf die ablaufende Sessionzeit nicht - beide schalten wie geplant in den 250-kW-Modus und kommen mit ausreichend Zeitpuffer über die Start- und Zielgerade.

Totentanz mit 250 kW

Dann wird es für eine ganze Weile still. Kein Funk, keine Regung in der Box. Die Fahrer sind nun auf sich allein gestellt da draußen. Alle starren gebannt auf die Bildschirme. Es herrscht eine angespannte Atmosphäre. Hier und da zuckt ein nervöser Fuß. Man traut sich kaum zu atmen. Nach einer Minute und sieben Sekunden rast auf der Start- und Zielgerade, von der man aus der Garage nur einen kleinen Abschnitt sehen kann, ein schwarz-goldener Elektrorennwagen vorbei. Dann der zweite. Ernüchterung.

Obwohl erst zwei Gruppen ihre Rundenzeiten gesetzt haben, ahnen bereits alle im Team, dass es heute nicht zur Titelverteidigung reichen wird. Felix da Costa und Vergne fehlen am Ende der Gruppenphase gut fünf Zehntelsekunden auf die Bestzeit von Stoffel Vandoorne. Auf den Zeitenmonitoren stehen die Startplätze 15 und 16. Man hört noch vereinzelte Funksprüche während der Inlap, dann biegen beide Piloten vorwärts in ihre Boxen ein und steigen aus.

Nach ekstatischer Freude in der Box am Vortag endet die Formel-E-Saison 2021 mit einer Enttäuschung für das zweimalige Meisterteam DS Techeetah, das letztlich aber trotzdem noch Gesamtdritter wird. Es sind genau diese Emotionen, die den Sport so faszinierend machen. Danke, dass ich sie hautnah miterleben durfte.

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