Rezension: Die Formel-E-Doku-Serie "Formula E: Driver" auf Prime Video
Tobias Wirtz

FIA Formula E
Die Formel E hat Anfang Mai die vierteilige Dokutainment-Reihe "Formula E: Driver" vorgestellt. Die vier Piloten Jake Dennis, Mitch Evans, Antonio Felix da Costa und Dan Ticktum wurden in der Saison 2024 von einem Kamerateam begleitet. e-Formel.de hat sich die vier Episoden für dich angesehen und ordnet sie für dich ein.
Die exklusiv auf der Streaming-Plattform Prime Video verfügbare Serie verspricht neben Blicken hinter die Kulissen der Formel-E-Rennen auch private Einblicke in das Leben der vier Piloten. Ein Rezept, das einem durchaus bekannt vorkommt: Mit einem ähnlichen Konzept ("Drive to Survive" bei Netflix) begann vor mehreren Jahren der Höhenflug der Formel 1 bei jüngeren Zielgruppen und insbesondere in den USA.
Nach einem Einspieler, in dem alle vier Protagonisten vorgestellt werden, beginnt die erste Folge mit einem Rückblick auf das Saisonfinale 2023, als Jake Dennis in London Weltmeister wurde.
Im Anschluss geht es um Dennis beim Saisonauftakt in Mexiko-Stadt. Es folgt ein Sprung nach Monaco, wo Mitch Evans mit der Kamera begleitet wird, bevor es um das nächste Rennen in Diriyah geht. Hier sind Dennis und Evans die beiden Hauptdarsteller, aber auch Cassidy wird eine größere Rolle eingeräumt. Insbesondere die Freundschaft zwischen ihm und Evans wird thematisiert.
Es folgt der Sprung nach Cascais in Portugal, wo Felix da Costa als Charakter eingeführt wird, inklusive einem Rückblick auf den Kapstadt E-Prix 2023. Auch Porsche-Teamchef Florian Modlinger wird eingeführt. Es folgt der Sao Paulo E-Prix.
Ticktum, der zwar anfangs als einer der vier Protagonisten vorstellt wurde, kommt im weiteren Verlauf der Episode überhaupt nicht mehr vor.
Die zweite Folge beginnt hingegen mit Dan Ticktum und zeigt ihn im Londoner Stadtteil Knightsbridge, wo er aufgewachsen ist. Es folgen ein paar "Funkspruch-Highlights" aus dem Jahr 2023 und persönliche Einschätzungen Ticktums durch Journalist:innen und Moderator:innen. Anschließend geht es nach Tokio. Ticktum und Teamkollege Sergio Sette Camara spielen dort zunächst die Hauptrolle, bevor zu Felix da Costa umgeschwenkt wird.
Im Rennen geht es darum, dass sich Felix da Costa nach vorn arbeiten will und ausgerechnet mit Sette Camara zusammenkommt. Auch Ticktum kommt vor. Nach dem Tokio-Rennen folgt erneut ein Umschnitt nach Cascais, wo Felix da Costas Reaktion auf den Porsche-Test von Nico Müller dargestellt wird.
Danach geht es ein weiteres Mal um Ticktum, der in Misano sogar auf das möglicherweise vakante Porsche-Cockpit von Felix da Costa schielt. Einmalig wird hier einem Qualifying ein größerer Umfang eingeräumt. Im Rennen werden Ticktum und Felix da Costa fokussiert. Nach der Zieldurchfahrt wird kurz auch das Podium für Dennis angesprochen, bevor die nachträgliche Disqualifikation von Felix da Costa thematisiert wird. Im zweiten Misano-Rennen ist Dennis das Hauptthema, aber auch der nach einem Unfall erneut punktlose Felix da Costa wird gezeigt.
Evans kommt in dieser Folge quasi gar nicht vor.
Episode 3 beginnt in Monaco, wo erneut Evans vor dem Rennen in seiner Wahlheimat von der Kamera begleitet wird. Es folgt ein kurzer Rückblick auf seinen Crash mit Cassidy in Rom 2023. Außerdem geht es um seine Familie - unter anderem seinen Vater, der bei einem Highspeed-Unfall mit einem Porsche in Neuseeland beinahe sein Leben verloren hätte.
Es folgt ein kurzer Rückblick auf Evans' Rennen in Misano, bevor es um das Rennen in Monaco geht. Insbesondere die Attack-Mode-Strategie von Jaguar in diesem Rennen wird ausführlich dargestellt, Evans' Sieg steht im Scheinwerferlicht. Im Anschluss wird kurz Dennis' 20. Platz in Monaco thematisiert.
Es folgt das Rennen in Berlin, wo der Fokus auf dem Weltmeister von Saison 9 liegt. Nach einem Kontakt mit Felix da Costa ist das Rennen für ihn vorzeitig beendet. Der Diskussion zwischen den beiden auf dem Weg zur Interviewzone nach dem Rennen wird ausführlich Platz eingeräumt. Es folgt das zweite Rennen in Berlin, dieses Mal mit dem Fokus auf Felix da Costa, der zum Sieg fährt. Weiter geht es mit dem "Double-Header" in Shanghai, auch hier steht der Portugiese im Fokus.
Erneut spielt Dan Ticktum in einer Episode fast überhaupt nicht mit.
Die vierte und letzte Episode beginnt mit dem London E-Prix. Zunächst gibt es aber einen Rückblick auf Berlin und Shanghai und einen Besuch von Felix da Costa bei seiner Mutter vier Wochen zuvor. Hier geht es zunächst um die Massenkollision in Rom 2023, in die auch Felix da Costa verwickelt war.
Im Anschluss folgt ein Umschnitt nach Portland, wo der Kampf zwischen Cassidy und Evans um den Titel sowie Ticktum thematisiert werden. Die beiden unglücklichen Situationen für Jaguar - sowohl die Kollision von Jake Hughes und Evans als auch der Dreher von Cassidy - und der Sieg für Felix da Costa nehmen eine größere Rolle ein. Danach ist Ticktum wieder im Fokus, bevor es um das zweite Portland-Rennen geht.
Es folgt ein Umschnitt nach Monaco mit Rückblicken auf die Finalrennen der vergangenen drei Saisons, die alle zu Ungunsten von Evans ausgingen. Nun rückt der Fokus nach London. Vor dem letzten Rennen geht es um die angespannte Lage bei Jaguar, wo beide Fahrer Champion werden können und wollen. Natürlich spielen hier auch die Teamtaktik bei Jaguar sowie die Kollision zwischen Felix da Costa und Cassidy eine Rolle.
Auch in dieser Episode wird wieder einer der vier Protagonisten - Dennis - überhaupt nicht gezeigt.
Fazit & Meinung von Tobias Wirtz
"Formula E: Driver" erinnert natürlich an das Vorbild "Drive to Survive", kommt aber insgesamt deutlich weniger reißerisch daher. Dennoch: Wer sich bereits vorher intensiv mit der Formel E auseinandergesetzt hat und darauf achtet, wird ähnliche "Tricks" wiedererkennen, die auch bei der Netflix-Dokumentation über die Formel 1 angewendet werden.
So werden Auszüge aus der Funkkommunikation zwischen Fahrer und Team sowie des Live-TV-Kommentars über Bilder der Onboard-Kameras gelegt, um die Geschichte, die erzählt werden soll, zu unterstützen. Wahrheitsgetreu ist das dabei längst nicht immer. Ein weiteres Beispiel: Während eines Rennens sind plötzlich Kameraaufnahmen zu sehen, die eindeutig aus den Trainingssessions stammen. Mit der Wahrheit nimmt man es hier also nicht immer so genau.
Auch klingen manche Aussagen so, als wenn sie aus unterschiedlichen Interviews zusammengesetzt wurden. Beispielsweise sagt Mitch Evans über Portland: "Die Strecke ist eng und kurvig" - dabei ist der Kurs in Oregon die wohl flüssigste, breiteste und mit Abstand schnellste Strecke, auf der die Elektrorennserie je gefahren ist.
Möglich ist aber auch, dass dies an der deutschen Synchronisierung liegt - für Zuseher:innen in Deutschland ist nur diese verfügbar - die englischsprachige Originalfassung ist nicht abrufbar. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um einen Fehler bei der Übersetzung handelt.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Fokussierung auf die vier genannten Fahrer. Keine einzige Episode beschäftigt sich tatsächlich mit allen vier Fahrern. Als sich Cassidy gegen Saisonende als Hauptfavorit auf den Titel herausstellt, wird er quasi - heimlich, still und leise - als Mitprotagonist eingeführt. Der spätere Weltmeister Pascal Wehrlein hingegen kommt bis zum Schluss lediglich in einer Nebenrolle als Teamkollege von Felix da Costa vor.
Aber die Serie tut genau das, was sie soll: Sie unterhält die Zuschauer:innen und zeigt einige interessante Blicke hinter die Kulissen. Auch wenn man im Hinterkopf behalten muss, dass - wie ein Mitarbeiter eines Formel-E-Teams es mir gegenüber in Monaco ausdrückte - die Serie keine Dokumentation, sondern "Dokutainment" ist. Ich vergebe daher 7 von 10 möglichen Punkten.
Ob das wirklich ausreicht, um das gewünschte Ziel zu erreichen, viele neue Fans anzulocken, die sich mit dem Thema Formel E bislang kaum auseinandergesetzt haben? Davon bin ich nicht überzeugt.
2 Kommentare
Jürgen ·
Tatsächlich ist die Englische Version der Serie jetzt auch in Deutschland verfügbar.
EffEll ·
@Jürgen: klasse, darauf habe ich gewartet und bisher nur die ersten zwei Folgen gesehen. Mit der deutschen Synchro ging das gar nicht. Dann hat sich das warten ja gelohnt, denn selbst ein VPN für GB und USA brachte da keine Abhilfe...
Einen Kommentar schreiben