Formel E

Ross Brawn: "Formel-E-Rennen ziemlich lahm", doch F1 könnte elektrisch werden

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Dass die Formel 1 eines Tages zu einer vollkommen elektrischen Rennserie werden könnte, schien für lange Zeit undenkbar. Trotz der Hybrid-Motoren, die seit 2014 in der "Königsklasse" zum Einsatz kommen, hielten die Organisatoren der Serie bislang stets am Grundsatz der Verbrennungsmotoren fest. Die wachsende Beliebtheit der Formel E könnte die Formel 1 in Zukunft nun womöglich allerdings doch noch, so F1-Sport- und Technik-Chef Ross Brawn, Stück für Stück zu einem Wechsel zu Elektromotoren bewegen - trotz der "ziemlich lahmen" Formel-E-Rennen.

Im Interview mit 'F1 Fan Voice' verpackt der ehemalige Mercedes-Teamboss seine Kritik an der Formel E wie gewohnt hinter einigen warmen Worten: "Wir müssen respektieren, was die Formel E schon jetzt erreicht", erklärt er. "Aber wenn man sich die Größenordnung ansieht, dann kann man die Formel 1 und Formel E nicht vergleichen. Die Formel E ist noch eine sehr junge Serie, wenn es um die Fans und die Anziehungskraft geht."

Im Juli beendete die Formel E, die bislang einzige vollkommen elektrische Formel-Rennserie der Welt, ihre vierte Saison. Jean-Eric Vergne (Techeetah) krönte sich beim Saisonfinale in New York City zum Fahrermeister. Für die fünfte Saison führt die Formel E nicht nur ein neues Chassis ein, sondern auch eine neue Batterie und einen neuen E-Motor, der mit 250 kW zwar weiterhin deutlich weniger Power als die Formel-1-"Power Unit" liefert, für die Formel E allerdings einen großen Entwicklungsschritt im Vergleich zum Vorjahr (max. 200 kW) macht.

Trotzdem findet Brawn: "Im Moment liefert die Formel E einfach nicht das nötige Spektakel. Bei allem Respekt - sie ist einfach noch eine sehr junge Serie. Sie ist großartig, wenn es um das ganze Drumherum geht, aber die Rennen selbst sind im Vergleich zur Formel 1 ziemlich lahm. Die Autos sind nicht wirklich schnell, und es fehlen die entsprechenden Persönlichkeiten."

Formel 1 in 10 Jahren elektrisch?

Nichtsdestotrotz sieht der 63-Jährige die Notwendigkeit, die Formel 1 an der Spitze der technischen Entwicklungen zu halten. "Die Formel 1 wird sich selbstverständlich auch weiterentwickeln", sagt Brawn. "Wir brauchen eine gute Balance aus Sport, technischer Relevanz und Interaktion mit den Fans. Wenn wir in fünf oder zehn Jahren eine neue Antriebsgeneration benötigen, werden wir das Regelwerk eben anpassen. Ich sehe auch keinen Grund dafür, warum wir für immer bei Verbrennungsmotoren bleiben sollten. Wer weiß, was die Zukunft bereithält."

Hinter verschlossenen Türen arbeitet die Formel 1 seit mehreren Monaten an einem neuen Technischen Reglement für die Saison 2021. Auch die Motorenformel soll sich im Zuge der Anpassungen ändern, wenngleich die neuen Antriebsstränge auf den V6-Turbo-Hybriden der aktuellen Saison basieren sollen. Ein Wechsel zu vollkommen elektrischen Fahrzeugen ist in naher Zukunft also höchst unwahrscheinlich.

Nicht zuletzt würde es allerdings auch lizenzrechtlich schwer für eine "Elektro-Formel-1" werden. Schließlich besitzt die Formel E nach wie vor eine Exklusiv-Lizenz von der FIA, die es in den nächsten 21 Jahren ausschließlich der Formel-E-Mutterfirma FEH erlaubt, eine FIA-sanktionierte Formel-Serie mit Elektromotoren zu veranstalten. Ändern sich die Rahmenbedingungen nicht oder erteilt die FEH keine Sublizenz an die Formel 1, wäre frühestens ab 2039 der Weg frei für andere elektrische FIA-Formelserien…

"Die Speeds, die wir fahren, und die Piloten, die bei uns mitmischen, sind ein ganz anderes Kaliber als in der Formel E", schließt Brawn seine Bemerkungen ab. In den nächsten Jahren müssen Motorsportfans also ganz sicher keine Fusion von Formel 1 und Formel E befürchten. "Trotzdem macht die Formel E einen fabelhaften Job, was das Event angeht", betont der Brite noch einmal. "Es ist eine große Straßenparty."

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