Formel E

Satirischer Blick in die Glaskugel (2/2): Das passiert in der Formel-E-Saison 2019/20

Timo Pape

Timo Pape

Die Formel-E-Saison 2019/20 steht in den Startlöchern und wartet mit neuen Rennen, neuen Teams und neuen Fahrern auf. Zwischen dem Saisonstart in Saudi-Arabien am 22./23. November und dem finalen "Double-Header" von London im Juli 2020 wird wieder viel im Umfeld der Elektrorennserie passieren, so viel ist sicher.

Wie in jedem Jahr haben wir einen satirischen Blick in die Glaskugel geworfen und prophezeien, was in den nächsten Monaten garantiert (nicht) auf dich zukommen wird. Im zweiten Teil unserer Satire-Saisonvorschau (zu Teil 1) befassen wir uns mit der zweiten Saisonhälfte, also den Rennen Paris bis London. Noch einmal ausdrücklich der Hinweis: Alle Geschichten und Ereignisse in diesem Text sind frei erfunden und mit einem Zwinkern zu verstehen.

Paris E-Prix

Mitte April reist die Formel E ein weiteres Mal an den Invalidendom in Paris. Mitch Evans ist schon da. Wer Teil 1 gelesen hat, weiß warum. Am Donnerstag vor dem Rennen machen alle Teams sowie die Führungsriege der Formel E eine Exkursion ins Nobelrestaurant "Le Stresa", in dem am 3. März 2011 die Idee zur Formel E geboren wurde. Vor dem Restaurant treffen sie bereits auf Nico Prost, der versucht, mit Helm auf einen Espresso zu trinken. In einer Ecke im Restaurant sitzt zufällig auch FIA-Präsident Jean Todt und genießt ein mit Blattgold überzogenes Steak. "Was die Araber können, können wir Franzosen schon lange", murmelt er. Jamie Reigle, der neue CEO der Formel E, huldigt seinem Vorgänger Alejandro Agag und kniet vor der eingerahmten Serviette nieder, auf der seinerzeit die Idee zur Formel E niedergeschrieben wurde.

Am frühen Morgen des Rennsamstags dann der Schock: Über Nacht haben Jugendliche sämtliche Formel-E-Autos in Brand gesetzt, weil man das in Paris eben so tut. Der E-Prix kann demnach nicht stattfinden. Neu-Boss Reigle will seine erste große Entscheidung treffen und ordnet an, dass alle Jaguar I-Pace eTrophy-Piloten ihre Cockpits an die richtigen Rennfahrer übergeben sollen. Doch welche Formel-E-Fahrer kommen infrage? Die Auswahl fällt schwer, da zu diesem Zeitpunkt der Saison nur noch fünf Fahrzeuge im Markenpokal an den Start gehen - zweimal Saudi, zweimal Brasilien und das "nicht-mehr-Viessmann-dafür-ran-racing-powered-by-CBMM-Niobium-Jaguar-I-Pace-eTrophy-Team-Germany".

Am Ende sollen einfach die schlechtesten Fünf der Meisterschaft fahren, um das Stammpersonal der eTrophy nicht allzu derbe zu demütigen. Nio beordert dafür Ma Qing Hua in die erste Reihe zurück. Jaguar-Driving-Academy-Papa Christian Danner legt jedoch sein Veto ein und fordert, dass Ma in der Am-Kategorie gewertet wird. Kurz vor Rennstart beginnt es heftig zu hageln, sodass hinter dem Safety-Car gestartet wird. Leider hagelt es auch die nächsten 20 Minuten, sodass das Rennen hinter dem Safety-Car zu Ende geht - eines der spektakuläreren eTrophy-Rennen der bisherigen Saison. Safety-Car-Pilot Bruno Correia sieht als Erster die Zielflagge und ist somit bester Pilot in der Am-Kategorie. Nach diesem Renndebakel sind die Fans an der Strecke so frustriert, dass sie auch alle Jaguar-Fahrzeuge anstecken. Die Formel E beschließt, zu diesem Katastrophenwochenende einfach gar nicht zu kommunizieren und lässt es somit auch nicht in die Gesamtwertung eingehen.

Seoul E-Prix

Mit dem ersten Rennen in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul soll alles besser werden. Viele Teams setzen bei ihren PR-Aktionen im Vorfeld auf echten Future-Tech-Shit. Sam Bird lässt sich zum Cyborg umbauen und tritt fortan mit dem Fahrerkürzel TRM für "Terminator" an. BMW geht noch einen Schritt weiter und besucht mit seinen Fahrern ein Klonlabor. Die Früchte dieser Idee soll das Team schon bald ernten: Vor dem Rennen können die beiden Günthers und die beiden Sims theoretisch mit doppelt so vielen Journalisten sprechen. Trotzdem wollen alle nur mit den Günthers reden - die beiden Sims starren gelangweilt Löcher in die Luft und spielen schließlich Sching, Schang, Schong.

Am Renntag hat der Veranstalter Schwierigkeiten, das gigantische Olympia-Stadion zu füllen und beschließt, nur eine Tribüne zu nutzen, und die dafür richtig! Unglücklicherweise entzündet sich ein Handy koreanischen Fabrikats selbst. Panik bricht aus, der Block muss geräumt werden. Somit erwartet die Formel-E-Fahrer im Stadion gähnende Leere. Die Rennaction kann sich ansonsten aber sehen lassen, denn Nissan ist plötzlich ganz vorn dabei. Die Japaner hatten zunächst mit Unterstützung der Regierung Schiffe vor der Küste Südkoreas in Stellung gebracht und dann ihren Doppelmotor von Saison 5 wieder eingebaut.

"Haltet uns doch davon ab, wenn ihr könnt", wird Nissan Motorsportchef Mike Carcamo vom südkoreanischen Staatsfernsehen zitiert. Die ganze Sache schlägt hohe Wellen, denn es wird gemunkelt, Carcamo habe für alle Fälle auch noch Kontakt mit Nordkorea aufgenommen. Deshalb ballt Toto Wolff nur wütend die Faust, geht aber nicht persönlich rüber in die Nissan-Box. So nimmt letztlich alles seinen geordneten Lauf. Nissan und Mercedes machen die Super-Pole unter sich aus und kämpfen auch im Rennen um den Sieg. Am Ende setzt sich Lewis Hamilton gegen Sebastien Buemi durch, während Oliver Rowland für Platz 3 Stoffel Vandoorne niederringt. Am Ende gibt es ein großes Feuerwerk.

Jakarta E-Prix

Nächste Station: Indonesien. Wobei - Jakarta ist weg. Versunken im Ozean. Bereits das dritte Rennen der Saison muss abgesagt werden. Der Schuldige ist schnell gefunden: Alejandro Agag. Auf seiner Suche nach Renn-Locations für sein neues Baby Extreme E hinterließ der ambitionierte Abenteurer in Grönland, Brasilien, Saudi-Arabien und im Himalaya bereits so viel CO2, dass der globale Meeresspiegel in wenigen Monaten erheblich angestiegen ist. Sein letztes Ziel für ein SUV-Rennen, eine Insel im Indischen Ozean, ist inzwischen auch nicht mehr auffindbar.

Agag beauftragt die Swiss E-Prix Operations AG, eine schwimmende Ponton-Strecke zu entwerfen. Zwar noch mehr Plastik im Meer, aber darauf kommt es doch nun auch nicht mehr an. Agag hat gut lachen, denn er hat ja auch noch gut zwei Jahre Zeit bis zu seinem XE-Rennen. Für die Formel E kommt die brillante Idee mit der Schwimmstrecke hingegen zu spät - der Jakarta E-Prix fällt buchstäblich ins Wasser. Dabei hatten sich die lokalen Promoter schon seit New York 2019 so gefreut.

Berlin E-Prix

Für die erste große Schlagzeile sorgt der DFB, der mitbekommen hat, dass das Formel-E-Rennen von Berlin in diesem Jahr nicht parallel zum DFB-Pokalfinale stattfinden soll. Geht gar nicht. Das Spiel wird verlegt, um wieder terminlich mit dem E-Prix zu kollidieren. Auch die DTM reaktiviert ihren Lauf in Oschersleben und setzt den 21. Juni an, um Streckenposten aus ganz Brandenburg abziehen zu können, die eigentlich bei der Formel E arbeiten sollten.

WEC-Boss Gerard Neveu bekommt Wind von der Sache und lacht sich ins Fäustchen. Endlich kann er es seinem alten Rivalen Agag heimzahlen, wenngleich der gerade noch irgendwo in der Südsee herumschippert und die Polkappen zum Schmelzen bringt. Egal. Neveu verlegt auch die 24 Stunden von Le Mans auf den 21. Juni 2020. Jean Todt verschluckt sich an seinem goldenen Steak und läuft rot an. Ein Desaster zudem für alle Piloten, die parallel in beiden Serien an den Start gehen.

Für das Rennen in Berlin-Tempelhof hat sich Ex-Trulli-Pilot Trulli ein Cockpit erklagt. Sein Argument: Er hätte als Gründungsmitglied der Formel E ja wohl noch ein Anrecht auf seinen damaligen Slot, den vor Jahren Jaguar übernommen hat. Die Formel E gibt ihm Recht - große Namen aus der Formel 1 kurbeln schließlich die Ticketverkäufe an. Bringt aber in diesem Fall auch nichts, denn kaum jemand ist bereit, den doppelten Kartenpreis wie im Vorjahr zu bezahlen. Letztlich werden die Gold-Tickets kostenlos an einer Universität verteilt. Doch auch von den Studierenden kommt fast niemand. So bleibt die Tribüne an Start/Ziel beinahe leer. Für die Fernsehbilder ist das natürlich suboptimal, denkt sich das ZDF, das erstmals seit dem Rom E-Prix 2019 wieder ein Rennen live im Free-TV überträgt.

Nach seiner zweiten Pole-Position in Tempelhof verbremst sich Jarno Trulli in Kurve 1, knallt auf der Kurveninnenseite gegen die Mauer und bleibt quer auf der Strecke stehen. Es folgt eine Massenkarambolage, in die alle deutschen Fahrer, alle deutschen Teams und alle Kundenteams deutsche Hersteller involviert sind. Rote Flagge - und auf dem Lerchenberg beginnt das große Zittern! Das ZDF-Team vor Ort versucht verzweifelt, die lange Unterbrechung mit spannenden Infos zu füllen und zerrt sogar Lothar Matthäus vor die Kamera, der eigentlich eine Demorunde im Formel-E-Auto drehen sollte, sich aber nicht traute. Nach 40 Minuten gibt der Sender auf und liest in den letzten fünf Minuten Sendezeit einfach e-Formel.de vor. Als das ZDF vom Sender muss - die nächste Sendung steht an -, geht das Rennen weiter.

Zwischen den verbliebenen Fahrern - Vergne, Felix da Costa, Hartley, Müller, d'Ambrosio, Turvey, Dillmann, Buemi, Rowland, Evans, Calado, Massa und Mortara - entwickelt sich ein für Tempelhofer Verhältnisse spannendes Rennen: Ohne Überholmanöver oder weitere Zwischenfälle geht der E-Prix zu Ende. Meister Vergne gewinnt vor seinem Teamkollegen Felix da Costa und d'Ambrosio, der von einer nachträglichen Disqualifikation Felipe Massas profitiert. Nico Rosberg freut sich, denn mittlerweile ist sogar in seinem Greentech-Hangar die Stimmung besser als im E-Village. Einige Stunden nach dem Rennen trifft Daniel Abt am Alex zufällig Jarno Trulli und wirft ihm einen Döner ins Gesicht.

New York E-Prix

Rostige Stahlkolosse, der Geruch von Müll und Fisch und eine Rennstrecke im abgelegenen Hafen von Brooklyn - New York City ist jedes Jahr aufs Neue das Kronjuwel im Rennkalender der Formel E! Im 1. Freien Training leistet sich Mitch Evans einen Fehler und rutscht mit geringer Geschwindigkeit in die TecPro-Barriere. Seine Hand ist trotzdem durch. Jaguar muss erneut einen Ersatz für ihn finden, kann aber so kurzfristig nicht mal Alex Lynn einfliegen, der Red Hook wie jedes Jahr gerockt hätte. Der einzige verfügbare Ersatzfahrer ist Ma Qing Hua. Nio signalisiert, für Geld alles zu machen, doch Jaguar entscheidet sich jedoch, lieber nur ein Auto einzusetzen. Im Qualifying erreichen die beiden Virgin-Piloten die erste Startreihe. Richard Branson, der am Abend zuvor auf dem lila-angestrahlten Empire State Building verkündete, dass das alles einmal ihm gehören werde, grinst wie der Joker.

Kurz vor dem Rennen legt Alejandro Agag mit seinem schwimmenden Fahrerlager-Postschiff St. Helena am Fährenterminal an. Alle Augen und Kameras sind nun auf ihn gerichtet, als er mit 13 Supermodels von Bord steigt. Er würde gern ein paar Hotlaps im BMW i8 auf der Strecke drehen, 13 bitte. Das Formel-E-Rennen kann warten. Mit gut einer Stunde Verspätung schalten die Ampeln endlich auf Grün. Robin Frijns hat wie in jedem Rennen Pech und scheidet in Runde 2 aus. Teamkollege Bird erwehrt sich immerhin eine Minute länger gegen die beiden Mercedes, hat letztlich aber keine Chance gegen die silberne Übermacht. Hamilton gewinnt vor Vandoorne und Bird.

London E-Prix (Rennen 1)

Endlich zurück an der Themse! Und dann auch noch mit einem "Double-Header" zum Finale! voestalpine ist sich nicht sicher, ob der London E-Prix jetzt nach dem Brexit noch zur Europa-Saison gehört oder nicht. Spielt aber eh keine Rolle mehr, denn die Trophäe - dieses Mal sogar im 4D-Druckverfahren hergestellt - ist ohnehin im Zoll hängen geblieben. Auch einige Fahrer und Journalisten haben Probleme bei der Anreise, kommen letztlich aber alle irgendwie auf die Insel. Boris Johnson stattet der Formel E wie schon 2015 einen Besuch ab und darf den Elektrorennwagen um den neuen ExCel-Kurs steuern. Er schließt beherzt seine Gurte und atmet einmal tief durch - so viel Rückhalt hat er lange nicht gespürt.

Das erste Rennen geht klar an Mercedes. Lewis Hamilton feiert seinen ersten Heimsieg in der Formel E vor Stoffel Vandoorne und ist vorzeitig Meister. Er bedankt sich bei Gott, kann sich aber nicht so richtig freuen. Da wäre mehr drin gewesen diese Saison, wenn er von Anfang an gefahren wäre. Das Podium komplettiert Oliver Turvey nach einer fahrerischen Glanzleistung. Anschließend disst Nio Dragon im Social Web, weil man die US-Amerikaner mit ihrem eigenen alten Antrieb aus dem Vorjahr geschlagen hat.

London E-Prix (Rennen 2)

Über Nacht hat es so richtig angefangen zu regnen. Cat and Dogs, wie der Brite sagt. Am Morgen ist bereits das gesamte Untergeschoss der ExCel-Arena geflutet, durch das ja eigentlich auch ein Teil der Strecke führt. Mit so viel Regen hätte gerade in England niemand gerechnet. Boris Johnson beschließt, das Rennen einfach komplett in der Messehalle auszutragen, in der sich bisher nur die Start- und Zielgerade befunden hat. CEO Reigle hat keine Handhabe und muss selbst mit anpacken, um in der Halle ein paar Pylonen aufzustellen. Bob the Bollard wird kurzfristig eingeflogen. Nachdem die ersten beiden Trainings bereits ausgefallen sind, müssen Quali und Rennen nach einem Dekret von FIA-Boss Todt mit Tempolimit 50 abgehalten werden. Sicherheit geht vor.

Mit aktiviertem Pitlane-Limiter jagen die 24 Fahrer auf der Suche nach der Bestzeit durch die Messehalle. Signifikante Zeitunterschiede kommen jedoch nicht zustande, weil die Strecke nur noch zwei kurze Geraden und zwei Kurven hat. Somit wird das Feld mächtig durcheinandergewürfelt. Brendon Hartley holt die Pole-Position vor Lokalmatador James Calado und Edo Mortara - heute darf jeder noch mal! Im Rennen tut sich fast nichts. Bis auf einen technischen Ausfall von Mortara entspricht das Rennergebnis der Startaufstellung. Eine spannende und atemberaubende Saison geht mit einem Dragon-Sieg zu Ende - wer hätte das gedacht?

Spaß beiseite: Das gesamte e-Formel.de Team wünscht dir eine grandiose Formel-E-Saison 2019/20!

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