Formel E

Satirischer Blick in die Glaskugel (1/2): Das passiert in der Formel-E-Saison 2019/20

Timo Pape

Timo Pape

Die Formel-E-Saison 2019/20 steht in den Startlöchern und wartet mit neuen Rennen, neuen Teams und neuen Fahrern auf. Zwischen dem Saisonstart in Saudi-Arabien am 22./23. November und dem finalen "Double-Header" von London im Juli 2020 wird wieder viel im Umfeld der Elektrorennserie passieren, so viel ist sicher. Wie in jedem Jahr haben wir einen satirischen Blick in die Glaskugel geworfen und prophezeien, was in den nächsten Monaten womöglich auf dich zukommen wird. In Teil 1 von 2 befassen wir uns mit den ersten sieben Läufen bis einschließlich Rom E-Prix. Noch einmal ausdrücklich der Hinweis: Dieser Artikel ist Satire. Alle Geschichten und Ereignisse sind frei erfunden und mit einem Zwinkern zu verstehen.

Diriyya E-Prix (Rennen 1)

Am Freitag, dem 22. November, startet die sechste Formel-E-Saison. Ja, am Freitag. Eurosport und das ZDF, das den Saisonauftakt im Live-Stream zeigen will, sind überrascht, weil sie fest von Samstag ausgegangen waren. Das TV-Team von Eurosport landet erst zum Rennstart in Riad und kann somit nicht mehr rechtzeitig übertragen. Aus München wird stattdessen Watts gesendet.

Das Wetterradar zeigt, dass sich über der gesamten Arabischen Halbinsel genau eine Wolke befindet, die in etwa den Durchmesser des Straßenkurses von Diriyya misst. Kurz vor dem 1. Freien Training zieht sie über die Strecke, bleibt dort für mehrere Stunden stehen und regnet sich ab. Beide Trainings sowie das Qualifying müssen abgesagt werden. Rennleiter Scot Elkins beschließt, auf das altbewährte Lotterie-System der Formel E zurückzugreifen, um die Startaufstellung zu bestimmen. Nio hat Glück und geht von den Plätzen 1 (Oliver Turvey) und 2 (Ma Qing Hua) ins Rennen.

Während des E-Prix geht es drunter und drüber, weil alle irgendwie an Ma vorbei müssen - bis zum Rennende insgesamt dreimal. So häufig wird sonst nur Neel Jani im Porsche überrundet, bei dem scheinbar alle Schwierigkeiten des neues Teams zusammenlaufen. Er verlässt Porsche nach dem ersten Rennen. Weiter vorn leisten sich DS Techeetah und das neue Mercedes-Team zunächst ein packendes Duell um die Spitze. Am Ende erhalten die Techeetah-Fahrer jedoch mehrere Strafen, und Mercedes fährt einen ungefährdeten Doppelsieg ein. Überraschenderweise spielt der Veranstalter während der Siegerehrung die brasilianische Hymne für das deutsch-britische Team ab. Lucas di Grassi, der im Rennen Dritter wurde, freut sich und widmet den Pokal seinem Präsidenten.

Diriyya E-Prix (Rennen 2)

Da es auch am Samstag pünktlich zum 1. Freien Training anfängt zu regnen - der Wind hat über Nacht gedreht, sodass die eine Wolke zurück ist -, müssen beide Trainings abgesagt werden. Ein Drainage-System gibt es nicht, weil der Scheich schlichtweg nicht mit Regen gerechnet hat. Kurz vor dem Qualifying fährt ein gewaltiges Räumungsfahrzeug unter Getöse und tiefschwarzem Rauch über die Strecke, um das kniehohe Wasser vom Kurs zu schieben - und bleibt liegen. Ein zweites Räumungsfahrzeug - ebenfalls mit Rohöl betrieben - muss das havarierte Vehikel abschleppen. Die Kritik einiger Journalisten im Media Center, dass die CO2-Bilanz der Saison 2019/20 schon jetzt höher als die der Formel 1 sei, lässt der Veranstalter nicht gelten und verweist auf seine Glycerin-Generatoren.

Weil erneut kein Qualifying stattfinden kann, lässt Rennleiter Elkins in umgekehrter Reihenfolge des Vortages starten - die erste Pole-Position für Porsche am allerersten Rennwochenende in der Formel E! Im Auto sitzt nach dem Abgang von Neel Jani dessen Landsfrau Simona de Silvestro. Porsche möchte damit auf die Rechte von Frauen in Saudi-Arabien aufmerksam machen, die ja inzwischen Auto fahren dürfen. Im Rennen fährt Mercedes einen ungefährdeten Doppelsieg ein und postet ein Foto der gesamten Belegschaft in Brackley - auch weil diesmal die britische Hymne ertönt. In Stuttgart kann man sich über den gelungenen Saisonstart aufgrund dieses Fauxpas nur bedingt freuen. Toto Wolff schlägt wütend auf den Tisch.

Santiago E-Prix

Wegen anhaltender Massenproteste in der chilenischen Hauptstadt sagt die Formel E im Januar das für Januar geplante Rennen ab. Punta del Este würde gern einspringen, doch die Vorbereitungszeit würde nicht ausreichen. Schließlich ist schon Januar, und die Absage kommt sehr überraschend. Somit wird der dritte Saisonlauf gänzlich gestrichen. Der Asphalt im O'Higgins-Park bricht bei 57,4 Grad Celsius Lufttemperatur - ein neuer globaler Höchstwert - trotzdem auf. Di Grassi freut sich über die Absage, weil er bei dieser Hitze zwangsläufig wieder ohne seine feuerfeste Unterwäsche hätte fahren müssen, was höchstwahrscheinlich eine Strafe nach sich gezogen hätte.

Mexico City E-Prix

Am Abend vor dem Rennen in Mexiko fangen sich mehrere Fahrer eine Lebensmittelvergiftung ein. Lucas di Grassi, der seinen eigenen Salat aus Europa dabei hat, ist hingegen topfit, verpasst aber trotzdem den Sprung in die Super-Pole, weil er halt nur Rennen kann. Besser macht es Oliver Turvey, der im eigentlich hoffnungslos unterlegenen Nio seine zweite Pole-Position der Saison holt. Auf seiner schnellsten Runde ist er mehr als drei Sekunden schneller als sein Teamkollege Ma. Porsche ist nach einem enttäuschenden Rennen von Simona de Silvestro in Diriyya unter Zugzwang und setzt Salvador Duran ins Auto. Der Mexikaner provoziert jedoch bereits in der ersten Runde einen Massencrash in der letzten Schikane, bei dem fast die Hälfte des Feldes ausfällt. Eine Strafe erhält Duran nicht, weil er ohnehin nur für dieses Rennen eingeplant war. Entsprechend entspannt gibt er sich anschließend am Mikrofon und winkt seinen Fans zu.

Die beiden Mercedes kommen wie durch ein Wunder unbeschadet durch die Unfallstelle und fahren einen zu keinem Zeitpunkt gefährdeten Doppelsieg ein - zum dritten Mal in Folge Nyck de Vries vor Stoffel Vandoorne. Diesmal soll die richtige Hymne ertönen, doch niemand hört sie wegen des Lärms im Forosol-Stadion, denn Duran winkt noch. Die beiden Nissan-Piloten beenden das Rennen wegen eines Rechenfehlers nicht. Sebastien Buemi flucht am Funk: "Merde!" Pascal Wehrlein sieht den schimpfenden Schweizer und dreht daraufhin solange Donuts, bis auch seine Energie verbraucht ist. Später erklärt er, dass er keine Veränderungen möge, und 2019 sei ja schon sehr spannend gewesen.

Di Grassi überholt auf den letzten 20 Metern vor der Zieldurchfahrt drei Konkurrenten und wird noch Dritter. Nachdem er mit Peace-Zeichen auf das Podium hochgefahren ist, werden jedoch beide Audi wegen eines Formfehlers disqualifiziert. Jean-Eric Vergne rückt aufs Treppchen vor, ist jedoch sichtlich angefressen, weil es erst sein erster Pokal der Saison ist. Dabei hatte er sein Team bislang in allen drei Rennen angewiesen, seinen neuen Teamkollegen Antonio Felix da Costa auf der Strecke zu stoppen, um wenigstens vor dem Portugiesen zu landen.

Marrakesch E-Prix

Vor dem einzigen Rennen in Afrika fällt Jaguar-Pilot Mitch Evans bei einer PR-Aktion von einem Kamel und bricht sich die Nase. Die Briten beordern Alex Lynn nach Marrakesch, der auf Anhieb die Pole-Position holt und seinen eigentlichen Nachfolger James Calado klar in den Schatten stellt. Im Rennen dominieren jedoch die beiden Mercedes - eine Demonstration der Macht. Dann der Schock: De Vries fährt Vandoorne in die Karre, beide scheiden aus. Toto Wolff schlägt wütend auf den Tisch und entlässt den Formel-2-Meister, der als Gesamtführender nach Marrakesch gereist war. Jerome d'Ambrosio nutzt die Gunst der Stunde und macht einige Plätze gut.

Porsche hatte vor dem Rennen Brendon Hartley von Dragon abgeworben, der bislang nicht so richtig in Fahrt gekommen war. Bei seinem ersten E-Prix für die Stuttgarter zeigt er eine ansprechende Leistung und fährt in die Top 10. Das Dragon-Team, das in Marrakesch erstmals mit Lackierung antritt, blüht diesmal richtig auf: Nico Müller setzt sich am Ende gegen d'Ambrosio durch und gewinnt das Rennen. Sein neuer Teamkollege Jose Maria Lopez, den Dragon anstelle von Hartley ins Auto gesetzt hat, fällt hingegen nur auf, weil er mehrfach die Attack-Zone verpasst. Hinter Müller und d'Ambrosio kommt als Dritter Sam Bird ins Ziel.

Sanya E-Prix

Die Formel E reist zum zweiten Mal auf die chinesische Badeinsel Hainan nach Sanya und freut sich in jedem zweiten Social-Media-Post darüber, endlich auf dem chinesischen Festland zu fahren. Nelson Piquet jr., der gerade als Tourist im Atlantis-Hotel residiert, weist in einer Instagram-Story auf die Müllberge am Strand von Sanya hin. Die Formel E droht ihm mit Rauswurf und vergisst dabei, dass man niemanden rauswerfen kann, der schon mal rausgeworfen wurde. Immerhin nehmen ihm die chinesischen Ordnungskräfte sein Smartphone ab - ein Teilerfolg für die Elektrorennserie. Bei einem PR-Stunt im Haifisch-Becken des Atlantis-Hotels verliert Mitch Evans einen Finger, was ihn jedoch nicht vom Rennstart am Folgetag abhält. Auch Andre Lotterer verletzt sich leicht auf einer Wasserrutsche. Statt jedoch Zuspruch im Social Web zu bekommen, macht sich Landsmann Daniel Abt über Lotterers Brusthaar lustig. Ex-Teamkollege Vergne gewährt ihm zum Troste immerhin einen Platz in seinem Bett.

Im Rennen glänzt vor allem einer: Lewis Hamilton. Nach dem Rauswurf von de Vries beorderte Toto Wolff den Formel-1-Star in die Formel E, um Mercedes endlich wieder an die Spitze zu führen. In der "Königsklasse" gewinne man ja auch so. Hamilton dominiert das Rennen und siegt vor Teamkollege Vandoorne, der damit die Gesamtführung in der Formel E übernimmt. Vergne stellt sein Auto auf der Strecke ab, um eine rote Flagge zu provozieren. Seine Hoffnung ist, dass die langsamen chinesischen Streckenposten so lange für die Bergung brauchen, dass es dunkel wird und das Rennen abgebrochen werden muss. So gewänne wenigstens niemand, wenn er schon nicht vorn sein kann.

Am Ende ist alles umsonst, denn Toto Wolff hatte im Vorfeld privat in die Ausbildung des Streckenpersonals investiert, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Zufrieden klatscht er in die Hände und verspricht seiner Frau Susie, Teamchefin des in dieser Saison bislang völlig chancenlosen Venturi-Rennstalls, ein Motorenupgrade für das nächste Rennen. Ma übertrifft sich diesmal selbst und wird nur einmal überrundet. Trotzdem ersetzt ihn Nio nach dem wichtigen Heimrennen, auf das man seit Monaten gewartet hat, und gibt Tom Dillmann sein Cockpit zurück. Hinter den beiden Mercedes wird Oliver Rowland im Nissan Dritter.

Rom E-Prix

Europa-Auftakt in der "ewigen Stadt"! An einem weitgehend unspektakulären Wochenende spielt Mercedes seine ganze Stärke aus und distanziert die Konkurrenz im Qualifying um mehr als eine Sekunde. Der einzige Fahrer, der halbwegs mithalten kann, ist Maximilian Günther. Der junge Deutsche, der mit seinem neuen BMW-Team bisher keinen Punkt holen konnte, liegt bis zur vorletzten Runde auf Platz 3. Dann lässt er sich jedoch auf Rang 5 zurückfallen - in Erinnerung an seine Glanzleistung vor einem Jahr an selber Stelle.

Beide Venturi kommen mit dem Motoren-Upgrade von Mercedes nicht klar und fallen aus. Schlichtweg zu viel Leistung für die Monegassen. Hamilton siegt vor Teamkollege Vandoorne, der nach der Zieldurchfahrt mit einer gebrochenen Antriebswelle ausrollt - großer Ärger bei Toto Wolff, der seinen Kopfhörer in die Ecke wirft. Das Podium komplettiert Mitch Evans. Nach dem Rennen wird bekannt, dass er sich bei einem Mauerkontakt den Zeh angebrochen hatte. Umso beachtlicher die Leistung des Jaguar-Fahrers.

Nach der ersten Hälfte der Saison 2019/20 liegt Mercedes unangefochten an der Spitze der Gesamtwertung. Vandoorne führt vor de Vries und Hamilton, der sich inzwischen voll und ganz mit der Formel E identifiziert: "Ich wusste nicht, dass es noch andere Rennserien gibt - diese passt eigentlich viel besser zu mir!", so der Brite, der nach dem Rom-Wochenende eine neue, nachhaltige Kollektion seiner Modelinie vorstellt und ein Treffen mit Greta Thunberg ankündigt. Was hinter den beiden Mercedes-Piloten in der Meisterschaft passiert, ist schlicht irrelevant. Die meisten Formel-E-Fans haben der Serie inzwischen aber ohnehin den Rücken gekehrt und schauen nun DTM, weil Mercedes dort nicht mehr mitfährt.

Den zweiten Teil unseres Glaskugel-Artikels findest du hier.

Foto: Jamie Sheldrick / Spacesuit Media

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