Formel E

Shell-E-Fluids-Entwickler im Interview: "Formel E ist super, um Produkte unter extremen Bedingungen zu testen"

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Der Energiekonzern Shell engagiert sich in der Formel E und ist dabei mit seinem Logo auf den Autos von Nissan und Mahindra zu sehen. Im Exklusiv-Interview mit 'e-Formel.de' beschreibt Christopher Dobrowolski, E-Fluids Coordinator bei Shell Global Solutions Deutschland, die Entwicklung von Schmierstoffen zum Einsatz in der Formel E und Elektroautos im Allgemeinen. Der Diplom-Ingenieur aus Hamburg arbeitet seit acht Jahren für Shell und koordiniert dort seit Mai 2018 die Entwicklung von E-Fluids.

Christopher, was genau sind eigentlich E-Fluids?

E-Fluids sind Schmierstoffe, die speziell für elektrische Antriebsstränge designt wurden, etwa für das Getriebe oder die Batterie. Die Integration von elektrischen Bauteilen im Getriebe wird immer wichtiger. Das gilt nicht nur für den Rennsport, sondern noch mehr für die Serie. So ist es möglich, ein Fahrzeug kompakter zu designen, was auch Kostengründe hat. Der Schmierstoff, der ursprünglich nur fürs Getriebe gedacht war, muss auf einmal auch die Kühlung der elektrischen Komponenten sicherstellen. Und die Kompatibilität mit zum Beispiel kupferhaltigen Bauteilen, wie sie in Elektromotoren vorkommen, muss gewährleistet werden. Diese Kombination war in der typischen Getriebewelt in dieser Form bislang nicht vorhanden. Auf einmal redet man über elektrische Leitfähigkeit von Getriebeölen. Das hat jahrelang niemanden interessiert, das brauchte man auch nicht. Und diese Kombination aus konventionellen Eigenschaften mit jenen, die ein Elektromotor mit sich bringt nennen wir E-Fluid.

Reden wir im Bereich E-Fluids ausschließlich über synthetische Schmierstoffe?

Ja. Die Antriebsstränge in der Formel E aber auch auf der Straße brauchen hauptsächlich synthetische Schmierstoffe. Das hat den Hintergrund, dass vor allem die Grundölauswahl einen riesigen Einfluss darauf hat, wie gut oder schlecht ein Öl zum Beispiel oxidiert. Oder wie stabil es aus thermischer Sicht ist. Wenn man eher niedriglegierte Grundöle nimmt, dann ist es ein bisschen wie bei Rotwein und Glühwein: Ein Glühwein, den man auf dem Weihnachtsmarkt kauft, besteht aus Rotwein und Kräutern, die einen entsprechenden Geschmack hineinbringen. Man kann natürlich super gute Kräuter nehmen und damit den Geschmack eines schlechten Rotweins kaschieren. Aber man merkt am nächsten Tag dennoch, dass es nicht die beste Basis war. Dieselbe Thematik haben wir bei Schmierstoffen. Wenn ich von vornherein ein gutes Basisprodukt wähle, dann performt es auf lange Zeit gesehen einfach besser. Deswegen reden wir hier vermehrt über synthetische Schmierstoffe. Nur die synthetischen Produkte schaffen es, die geforderten Belastungen überhaupt aufzunehmen.

Ihr seid technischer Partner von Nissan e.dams und Mahindra und auch mit eurem Logo auf den Autos vertreten. Viele Leute wundern sich, da sie Shell eher mit Verbrennungsmotoren verbinden. Was macht ihr aktuell in der Formel E und welche Produkte kommen in den Rennern zum Einsatz?

Man assoziiert das Label Shell natürlich erst einmal mit Tankstellen und Petrochemie. Wir selbst verstehen uns aber eher als Energielieferant. Es geht darum, den Energiebedarf in verschiedenster Weise zu decken, und das möglichst effizient. Das gilt auch für das Elektroauto. Es muss die Energie möglichst effizient nutzen - ein Bereiche, der uns sehr stark tangiert und den die Formel E abdeckt. Deshalb macht es Sinn, dass sich eine Firma wie Shell in der Formel E engagiert. Wir haben viel Tradition im Motorsport: Formel 1, DTM, Rallye und noch mehr. In der Formel E kann Shell zeigen, dass elektrische Mobilität einen durchaus emotionalen Faktor hat, der Leute begeistert.

Es gibt also gewisse Schnittmengen zwischen der Formel E und dem Elektroauto für die Straße?

Ja, absolut. Allein schon aus meiner technischen Perspektive als Entwickler für E-Fluids ist die Formel E wirklich eine super Art und Weise, Produkte unter sehr extremen Bedingungen zu testen. Genauso war es ja auch schon immer in der Formel 1. Die Formel E ist nur viel jünger. Man hat hier noch mehr und bessere Möglichkeiten, insbesondere was Schmierstoffe angeht. Die Teams können ihre eigene Schmierstoffauswahl treffen. Das heißt, man kann für einzelne Antriebsstranglösungen dedizierte Produkte entwickeln und direkt sehen, wie diese Produkte performen. Je nachdem, ob ein Antriebsstrang mehr oder weniger kompakt ist, mehr oder weniger Öl benötigt, oder auch mehr oder weniger schnell dreht. Der vielleicht größte Unterschied zwischen der Formel E und der Serie ist, dass die meisten Elektrofahrzeuge eher über eine Lebensdauerschmierung verfügen oder dafür ausgelegt sind. In der Formel E hingegen ist es so, dass man versucht, einen Schmierstoff über die Renndauer hin zu designen. Der muss nicht fünfzehn Jahre und länger halten. Aber hier gibt es viel schneller viel mehr Belastung für das Fluid. So können wir in einer Art Zeitraffer mitverfolgen, wie sich ein Fluid verhält.

Wie viel von den unterschiedlichen Schmierstoffen wird in einem Formel-E-Fahrzeug benötigt?

Das kann ich so pauschal gar nicht beantworten, weil es sehr unterschiedlich ist. Die Teams haben die Möglichkeiten, ihre Getriebe unterschiedlich zu designen. Das hat natürlich auch einen riesigen Einfluss darauf, wie groß oder klein das Schmierstoffvolumen ist. Es hat auch einen großen Einfluss, wie ein Kühlkreislauf aussieht. Das sind alles Faktoren, die den einzelnen Teams obliegen und dementsprechend einen Einfluss auf die Einsatzmenge des Schmierstoffes haben.

Auch auf die Entwicklung des Schmierstoffs, der auf die einzelnen Bedürfnisse zugeschnitten ist?

Ja, genau. Wenn ich zum Beispiel einen Antriebsstrang habe, der wenig Schmierstoff benötigt, also sehr kompakt ist, dann muss ich den Schmierstoff so designen, dass er auch wirklich ein Rennen übersteht. Wenn ich einen größeren Kühlkreislauf habe, wo vielleicht noch irgendwo ein Ölsumpf drin ist, ist das anders. Das Fluid beruhigt sich, bis es wieder angezogen und in die jeweiligen Bereiche hineingepumpt wird. Das hat definitiv einen riesigen Einfluss.

Die Elektromobilität ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Mercedes-Benz hat sogar bekanntgegeben, Verbrennungsmotoren nicht mehr weiterzuentwickeln und künftig nur noch auf Elektromobilität zu setzen. Inwieweit wird der Geschäftszweig E-Fluids ein weiteres Standbein für Shell als Unternehmen?

Ich denke, wir müssen uns alle darüber im Klaren sein, dass Elektrofahrzeuge in immer größeren Stückzahlen kommen. Vor diesem Aspekt macht es Sinn, von vornherein auch Technologien zu haben, die den Anforderungen dieser elektrischen Fahrzeuge entsprechen - ob es jetzt batterieelektrisch, Brennstoffzelle oder Hybrid ist. Das ist der Sinn der Shell E-Fluids. Wir haben diese Produkte bereits - sie existieren und funktionieren. Was man aber fairerweise auch sagen muss: Der Verbrennungsmotor verschwindet nicht sofort. Es mag sein, dass viele große Hersteller langfristig eine andere Strategie fahren wollen. Aber es gibt nicht nur Europa, sondern auch noch die USA und China und andere große Märkte, wo wir mit der Technologie von Verbrennungsmotoren noch gar nicht da sind, wo wir vielleicht auf dem europäischen Markt sind. Hybride benutzen ja auch einen Verbrennungsmotor, und dort sind Schmierstoffe für Verbrennungsmotoren auch immer noch ein sehr wichtiges Thema und Entwicklungspunkt für uns.

Die Formel E denkt derzeit über Fast-Charging in der nächsten Fahrzeuggeneration nach. Welche Rolle können E-Fluids beim schnellen Laden der Batterien spielen?

Insbesondere beim Fast-Charging kann sehr viel Wärme freigesetzt werden. Je effizienter die Wärmeabfuhr in einer Batterie, desto effizienter kann sie Energie aufnehmen oder wieder abgeben. Dabei spielen natürlich verschiedene Kühllösungen eine wichtige Rolle. Wir nennen die Produkte, die für direkte Batteriezellenkühlung benutzt werden können, Batterie-Thermal-Fluids. Mit Shell E-Fluids haben wir hier eine ganz gute Technologie entwickelt, die es insbesondere im Vergleich zu indirekten Kühllösungen wie Wasser-Glykol schafft, eine deutlich homogenere Wärmeabfuhr zu gewährleisten. Ich kann eine Batteriezelle mit einem Fluid umspülen, was ich mit einer indirekten Kühlung gar nicht hinbekomme. Batteriezellen haben ein sehr enges Temperaturfenster, in dem sie effizient funktionieren. Und je besser ich es schaffe, diese Bedingung zu erreichen, desto effektiver arbeitet so eine Batterie.

Wie lange entwickelt Shell schon in diesem Bereich?

Schon einige Jahre. Und interessanterweise sind diese Fragestellungen, was vor allen Dingen die Batterietechnologie angeht, auch in anderen Industriezweigen sehr bekannt. Ich rede zum Beispiel von stationären Anwendungen für Kraftwerke und Transformatoren. Hier geht es auch um die Kühlung von Hochvoltkomponenten über eine sehr lange Zeit. Jetzt ist es wirklich wichtig, dass wir Know-how aus Bereichen nehmen, die vielleicht gar nicht so offensichtlich sind für eine Batterie. Aber schmierstoffseitig ist das ein relevanter Bereich, und das müssen wir für die Automobilindustrie entsprechend anpassen: Technologie verstehen, sie adaptieren, sie reformulieren und dann auch für die Kunden zugänglich machen.

Wäre Fast-Charging in der Formel E denn noch vergleichbar mit der Serientechnologie?

Auch für den normalen Elektroauto-Fahrer wird Fast-Charging immer wichtiger. Insbesondere wenn man elektrische Fahrzeuge im Markt haben möchte, die auf lange Distanzen hin betrieben werden können. Wenn wir jetzt einmal an das Beispiel Porsche denken und Ladetechnologien mit 350 kW und mehr - das ist die Roadmap, auf der wir uns gerade bewegen. Das ist immer auch mit Temperaturmanagement und Wärmeabfuhr verbunden. Dementsprechend muss es ein System sein, bei dem Zahn in Zahn greift. Ich denke, das ist für die Formel E genau derselbe Punkt. Hier wird schon die Technologie einer direkten Batteriezellenkühlung eingesetzt. Jetzt müssen wir einmal schauen, was das bedeutet, wenn wir eine kleinere Batterie nehmen: Wie viel Energie will ich in welcher Zeit dort hineinbringen, und was bedeutet das dann für die Wärmeabfuhr. Kann das ein jetziges Batterietemperatur-Management schon leisten, das vielleicht auch schon in der Formel E eingesetzt wird? Oder kann man da etwas optimieren? Das sind Fragestellungen, mit denen wir uns gerade befassen.

Foto: Shivraj Gohil / Spacesuit Media

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