"Silly Season": Wer nächste Saison Formel E fährt & wer zittern muss (1/2)
Timo Pape
Saison drei ist rum, und Saison vier ist noch eine ganze Weile hin. Aber so richtig Off-Season ist eigentlich auch nicht. Viel mehr Silly Season. So nennt die Motorsportwelt gewöhnlich jene Zeit im Jahr, in der am wildesten spekuliert wird - zumeist über das berühmte "Personalkarussell". Auch in der Formel E gibt es diese völlig bekloppte Jahreszeit, und sie wird mit jeder Saison interessanter. Zwar ging es 2016 schon etwas früher los mit den Gedankenspielen, doch inzwischen diskutiert die Branche angeregt über mögliche Abgänge, Newcomer und Transfers innerhalb der Formel E. Wir haben alle zehn Teams für euch unter die Lupe genommen - und beginnen in Teil eins unseres Transferchecks mit ABT, Virgin, Dragon, Mahindra und Andretti. Teil zwei folgt am Samstag.
ABT Schaeffler Audi Sport
Beim deutschen Team ABT ist ein Mann zu 100 Prozent gesetzt: Lucas di Grassi. Der frischgebackene Formel-E-Champion und langjährige Audi-Werksfahrer wird in der kommenden Saison versuchen, seinen Titel zu verteidigen und die erste Meisterschaft mit Audi zu feiern. Teamkollege Daniel Abt sitzt nicht ganz so fest im Sattel, dürfte aber auch gute Karten haben. Es wird gemunkelt, man habe sich hinter den Kulissen bereits auf ein weiteres Jahr mit dem Deutschen verständigt, der eigentlich ohnehin Vertrag hat. Auch wenn Abt nicht die gewünschten Punkte einfahren konnte, lieferte er durchaus eine ansprechende Leistung in Saison drei ab.
Nichtsdestotrotz schwirrt auch der Name Loic Duval durch den Raum. Der Franzose, der für Audi bis 2016 in der WEC fuhr und seitdem in der DTM startet, könnte Dragon verlassen und bei seinem eigentlichen Arbeitgeber unterkommen. Vielleicht aber auch erst 2018, wenn die Zukunft der DTM (nach dem Abschied von Mercedes und der schwierigen TV-Situation) womöglich etwas klarer ist. Ähnliches gilt für Robin Frijns, der womöglich Andretti verlassen muss. Durch den GT-Sport hat Frijns gute Verbindungen zu Audi. Die besten Chancen hat wahrscheinlich trotz alledem Abt.
DS Virgin Racing
Vor der voraussichtlich letzten Saison mit DS als Hersteller haben eigentlich alle drei aktuellen Virgin-Fahrer - Sam Bird, Jose Maria Lopez und Alex Lynn - einen gültigen Vertrag für Saison vier. Allerdings hat der britische Rennstall ein Luxusproblem, denn nicht nur die beiden Stammfahrer haben überzeugt, sondern auch Ersatzpilot Lynn bei seinem Renndebüt in New York. Auch er hätte gern ein Stammcockpit in der Formel E. Sollte einer der beiden Stammfahrer gehen - Bird wird mit Jaguar in Verbindung gebracht, Lopez wegen eines künftigen Motorendeals langfristig mit Techeetah - dürfte Lynn wohl bei Virgin bleiben und aufsteigen. Wenn nicht, könnte sich der Brite ein anderes Team suchen, etwa NextEV oder Jaguar. Höchstwahrscheinlich werden wir im Dezember zumindest zwei der aktuellen drei Fahrer weiterhin in Diensten von DS Virgin sehen.
Faraday Future Dragon Racing
Jerome d'Ambrosio besitzt Berichten zufolge noch ein weiteres Jahr Vertrag beim US-Rennstall Dragon und steht fest. Teamkollege Loic Duval dürfte das Team dagegen verlassen. Hauptgrund sind seine Verpflichtungen mit Audi in der DTM, denn bei Terminüberschneidungen stünde er Dragon - wie schon diese Saison in Paris - nicht zur Verfügung. Zwischen ihm und seinem Teamchef Jay Penske soll es zudem gewisse Meinungsverschiedenheiten gegeben haben, und auch sportlich konnte Duval zuletzt nicht wirklich überzeugen. Ihn könnte möglicherweise Robin Frijns ersetzen, der bei Andretti vor dem Aus steht. Eine weitere Alternative wäre Mike Conway, der bereits beim Paris ePrix für Duval eingesprungen ist und bereits viel Erfahrung in der Formel E hat (vormals Venturi).
Mahindra Racing
Mahindra ist eines der wenigen Teams, bei denen ein Personalwechsel unwahrscheinlich ist. Sowohl Felix Rosenqvist als auch Nick Heidfeld haben eine erstklassige Saison gezeigt und fahren ein Auto, mit dem sie seit einigen Rennen sogar um Siege kämpfen können. Für beide Seiten gibt es offensichtlich keinen Grund, diese erfolgreiche Kombination der dritten Saison aufzusprengen. Dementsprechend gibt es derzeit auch keine potenziellen Fahrer, die beim Team anheuern könnten.
MS Amlin Andretti
Vor dem Werkseinstieg 2018 wird BMW seine Präsenz im Team verstärken. Das könnte auch das Personal betreffen. Antonio Felix da Costa gilt als gesetzt, denn als BMW-Werksfahrer, Formel-E-Evergreen und Sympathieträger im Fahrerlager könnte es kaum einen passenderen Piloten für die aktuelle Teamkonstellation geben. Sein aktueller Teamkollege Robin Frijns hingegen steht trotz deutlich überzeugenderer Saison auf der Kippe - wegen seiner Beziehungen zu Audi.
"Das Team ist sehr zufrieden mit meiner Leistung und wie ich arbeite, aber es ist kompliziert", sagt Frijns bei 'Motorsport.com'. "Ich bin Audi-Fahrer in der GT-Szene. Es könnte sein, dass ich bleibe, aber momentan sieht es eher nicht danach aus. Ich schaue mich um… das muss ich." Wegen einer Knie-Operation kann Frijns unglücklicherweise frühestens im September für potenzielle neue Teams testen.
Sollte der Niederländer Andretti verlassen, könnte womöglich Alexander Sims sein Cockpit übernehmen. Der aktuelle offizielle Ersatzfahrer des US-Teams hat bereits viel Formel-E-Erfahrung bei Testfahrten gesammelt und ist - im Gegensatz zu Frijns - BMW-Werksfahrer. Der Brite hat wohl recht gute Karten. Auch die aktuellen DTM-Piloten Timo Glock und Tom Blomqvist sollen auf der Kandidatenliste stehen. Ob sie irgendwann tatsächlich in die Formel E wechseln, hängt vermutlich auch von der Zukunft der DTM ab.
Und dann wäre da noch der aktuelle Titelsponsor Amlin, der erst kürzlich von der Mitsui Sumitomo Insurance Group übernommen wurde (Andretti passte die Lackierung entsprechend an). Der japanische Versicherungskonzern hat bereits versucht, Takuma Sato im Team zu platzieren. Nach einem Veto von dessen Arbeitgeber Honda soll das Unternehmen nun an Kamui Kobayashi interessiert sein. Viel Bewegung bei Andretti…
Am Samstag geht es weiter mit den übrigen fünf Formel-E-Teams NextEV, Jaguar, e.dams, Techeetah und Venturi.
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