Einsteiger-Guide zur Race at Home Challenge: Darum geht's beim Simracing in der Formel E
Tobias Bluhm
Inmitten der Coronavirus-Pandemie, die auch in der Formel E für zahlreiche Rennabsagen gesorgt hat, gehen die Fahrer der Elektroserie seit Kurzem virtuell auf die Strecke. Im Rahmen der "Race at Home Challenge", einer eigenen Simracing-Meisterschaft, will die Formel E in den kommenden Wochen Spenden für UNICEF sammeln. Doch wie funktionieren E-Sports überhaupt?
Die Elektroserie schließt sich mit ihrer E-Sports-Meisterschaft zahlreichen anderen Rennserien an, die derzeit ebenfalls digitale Rennen austragen. Über die 2013 veröffentlichte (inzwischen aber mehrfach überarbeitete) Rennsimulation rFactor 2 sollen insgesamt acht virtuelle E-Prix stattfinden, an denen neben allen Formel-E-Stammfahrern auch ausgewählte Online-Piloten teilnehmen, die sogenannten Simracer.
Ein häufiges Missverständnis: Beim Simracing geht es um mehr als das einfache "Zocken" von Rennspielen. Im Zentrum steht vor allem der Realismus. Die digitalen Rennen sollen so nah wie möglich am Geschehen eines Offline-Rennens dran sein - von der Fahrphysik der Autos über die Qualität der TV-Ausstrahlungen bis hin zu teils hohen Preisgeldern.
Simracing genauso komplex wie Offline-Rennsport
So überrascht es wenig, dass Simracer ihren Job mindestens genauso ernst nehmen wie professionelle Rennpiloten. Der größte Vorteil liegt auf der Hand: Der E-Sport ist deutlich kostengünstiger als die Millionen-Projekte im Rennsport. Während sich ein guter Formel-E-Rennstall mit 30 bis 40 Millionen Euro jährlich über Wasser hält, reichen Simracing-Teams oftmals ein paar tausend Euro. Den größten Teil nimmt das Equipment der Fahrer ein, das in den meisten Fällen lediglich aus einem anschraubbaren Lenkrad, einem Pedalsatz, einem Rennsitz und selbstverständlich einem leistungsfähigen Computer besteht.
Wie im echten Sport braucht es viel Übung, um den Benzin- oder Energieverbrauch, das Schadensmodell, den Reifenabrieb, die Aufhängungseinstellungen, das Schleifen der Bremsen oder die Traktion zu meistern. Diese Komplexität unterscheidet das Simracing von Arcade-Rennspielen, in denen es lediglich darum geht, ein Gefühl für Geschwindigkeit zu kreieren. Kurzum: Simracing ist eine Wissenschaft für sich.
Reger Talentaustausch
Trotzdem sind E-Sports durchaus vergleichbar mit Sportveranstaltungen im tatsächlichen Leben. So gibt es beispielsweise gefeierte Persönlichkeiten, die sich in der Simracing-Szene einen ähnlich großen Namen gemacht haben wie Lewis Hamilton oder Sebastian Vettel im Offline-Rennsport. Zu ihnen zählt der Finne Greger Huttu, der seit Jahren für das namhafte "Team Redline" startet und 2017 unter anderem am Vegas eRace der Formel E teilgenommen hat. Übrigens: Team Redline besteht schon seit dem Jahr 1998 - 16 Jahre länger als die Formel E.
Auch gibt es einen wichtigen Erfahrungsaustausch zwischen Online- und Offline-Fahrern. Max Verstappen, Lando Norris oder Richie Stanaway starteten neben ihrer Motorsport-Karriere in vielen Simracing-Events. Gleichermaßen gibt es Simracer, die auch im echten Leben Erfolge feiern. Graham Carroll war einst ein ausgezeichneter Fahrer in der Schottischen Formel Ford, ehe ihm das Budget ausging und er in den E-Sport wechselte. Rudy van Buren wurde nach dem Gewinn eines Simracing-Turniers zum offiziellen Simulator-Fahrer von McLarens Formel-1-Team. Und Jann Mardenborough stieg vom Gran-Turismo-Spieler zum Nissan-Werksfahrer auf, wodurch er unter anderem das LMP2-Podium in Le Mans erreichte und zum Reservefahrer von Nissan e.dams wurde.
Achterbahn der Emotionen auch online möglich
Trotzdem ist klar, dass der Cyberspace-Motorsport auch Nachteile mit sich bringt. Einerseits existieren im Simulator keine G-Kräfte, die das Gefühl für einen Rennwagen beeinflussen. Andererseits ist das Gesichtsfeld, auch Field of View (FOV) genannt, am Bildschirm stark eingeschränkt. Zwar gibt es Mittel und Wege, solche Nachzüge zu begrenzen, zum Beispiel mit einem Elektromotor im Lenkrad-Gehäuse, der einen Widerstand beim Einlenken erzeugt. Dennoch können Kräfte und das Umfeld nicht vollständig simuliert werden.
Diese Nachteile halten E-Sportler allerdings nicht davon ab, sich mit ähnlicher Härte auf der virtuellen Rennstrecke zu duellieren. Unvergessen ist Max Verstappens iRacing-Überholmanöver in Spa-Francorchamps, das er wenige Wochen später gegen Felipe Nasr in der Formel 1 wiederholte. Die Erleichterung, die geistige Erschöpfung und die geteilte Freude über einen Rennsieg in einem 24-Stunden-Online-Rennen sind ähnlich groß wie im echten Leben.
Teilnahmebedingungen keine Hürde
Der E-Sport und das Simracing zeichnen sich durch ihre gute Zugänglichkeit aus. Die Formel E erlaubt wöchentlich 18 Simracern, an ihren Rennen teilzunehmen. In der Woche vor jedem "Race at Home" findet dafür innerhalb von rFactor 2 eine Qualifikation im Zeitfahren-Format statt, die allen Interessenten die Chance auf den Einzug ins Finalrennen gibt. Die Teilnahme ist nicht schwer - schnell zu sein ist das Problem.
Wer an der Race at Home Challenge teilnehmen möchte, kann sich über die eigens von rFactor 2 eingerichtete Registrierungsseite mit seinen persönlichen Daten für die Qualifikation anmelden. Die Voraussetzung hierfür sind selbstverständlich der Besitz der Rennsimulation und des Formel-E-Erweiterungspakets, die jeweils über die Plattform "Steam" erhältlich sind. Die Qualifikationsphase findet jeweils von Dienstag bis Donnerstag vor einem Rennen statt.
Der nächste Lauf der Race at Home Challenge startet am Samstag um 16:30 Uhr deutscher Zeit. Wir betten dir die Übertragung des Events wie immer hier auf e-Formel.de ein und begleiten die Veranstaltungen mit einem ausführlichen Vor- und Nachbericht sowie allen Ergebnis- und Gesamtwertungstabellen auf unserer Themenseite.
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