Team-für-Team-Halbzeitanalyse zur Formel-E-WM 2024/25: Porsche gegen Nissan
Tobias Wirtz

Jake Osborne / Spacesuit Media
Das erste Hälfte der Formel-E-Saison 2024/25 liegt hinter uns - höchste Zeit für unsere Team-für-Team-Halbzeitanalyse. Oliver Rowland führt die Fahrerwertung der Elektromeisterschaft nach elf von 16 Rennen souverän an, während in der Teamwertung Porsche mit einem Doppelpodium in Shanghai die Spitzenposition wieder übernommen hat. Wie die elf Formel-E-Rennställe insgesamt aufgestellt sind, liest du hier.
Seit dem Saisonauftakt in Sao Paulo absolvierte die Formel E insgesamt 349 Rennrunden, auch wenn nur acht Fahrer alle Umläufe des Jahres auch wirklich zurückgelegt haben. Die meisten Sessions gewann Rowland (12), der auch die meisten Qualifying-Duelle fuhr (13). Die beste Durchschnittsposition im Qualifying ging jedoch an Wehrlein (5,0). Im Rennen war wieder Rowland klar der beste Fahrer mit einem Schnitt von 4,7.
Abgesehen von den Zahlen, Daten, Fakten und Statistiken spielten sich noch einige weitere interessante Geschichten auf und neben der Formel-E-Strecke ab. Diese beleuchten wir in unserer traditionellen Halbzeitanalyse.
Hackordnung in der Formel E kurz nach der Saisonhalbzeit 2024/25
Platz 1 | TAG Heuer Porsche | 191 Punkte
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In der elften Formel-E-Saison greift Porsche erstmals nach der Weltmeisterkrone der Teams. Grund dafür ist, dass neben Pascal Wehrlein auch Teamkollege Antonio Felix da Costa seit Saisonbeginn an in Qualifying und Rennen konkurrenzfähig ist. In Shanghai standen beide Porsche-Piloten bereits zum dritten Mal in dieser Saison gemeinsam auf dem Podium - in der Vorsaison war ihnen dies nicht ein einziges Mal gelungen.
Dabei zeigen sich die beiden trotz einigem Unfallpech - Wehrlein in Sao Paulo und Jeddah, Felix da Costa in Jeddah, Monaco und Tokio - ansonsten äußerst konstant und belegen nach dem elften Saisonlauf die Positionen 2 und 3 in der Fahrerwertung.
Platz 2 | Nissan | 191 Punkte
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Erster Verfolger von Porsche ist das Nissan-Werksteam. Nur ein einziger Punkt beträgt der Rückstand nach elf von 16 Rennen.
Der Hauptunterschied zum direkten Konkurrenten: Bei Nissan punktet nur einer der beiden Fahrer regelmäßig. Während Oliver Rowland mit 171 Punkten die Fahrerwertung souverän anführt, ist sein Teamkollege Norman Nato mit nur 20 WM-Zählern auf Platz 19 der Fahrerwertung. Der Franzose ist in allen Statistiken weit hinter Rowland: Duellteilnahmen (3 vs. 8), durchschnittliche Qualifying-Position (12,4 vs. 5,4), durchschnittliches Rennergebnis (13,6 vs. 4,7), Führungsrunden (8 vs. 116).
Natürlich hatte Nato auch einiges an Pech, beispielsweise als er in Miami die Ziellinie als Erster überquerte, jedoch nachträglich eine Zeitstrafe erhielt, weil er seinen Attack-Mode nicht komplett aufgebraucht hatte. Dennoch schafft er es bislang weder im Qualifying noch im Rennen, das Potenzial des vermeintlich stärksten Paketes, das es in der Formel E in der Saison 2024/25 gibt, auszunutzen. Wenn Rowland seine Performance beibehalten kann und bei Nato der Knoten platzt, kann das Team ein gewichtiges Wort im Kampf um den WM-Titel mitreden.
Platz 3 | DS Penske | 145 Punkte
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DS Penske liegt nach elf von 16 Rennen auf dem dritten Platz der Teamwertung.
Ähnlich wie bei Porsche, liegen beide Fahrer in der Gesamtwertung eng beieinander: Nur drei Punkte trennen Jean-Eric Vergne auf WM-Platz 5 von seinem Teamkollegen Max Günther auf der sechsten Position. Insbesondere Vergne ist unheimlich konstant: Neunmal fuhr er in dieser Saison bereits in die Punkte, womit er Günther hinter sich lassen konnte, obwohl dieser im Gegensatz zu Vergne bereits zwei Rennsiege in dieser Saison feierte.
Beim Shanghai E-Prix gelang dem Team etwas Historisches: Erstmals feierte es einen Doppelsieg in der Formel E. Wenn es der Mannschaft von Jay Penske und Phil Charles gelingen sollte, hierauf aufzubauen, liegen auch Porsche und Nissan an der Spitze noch in Reichweite.
Platz 4 | Neom McLaren | 113 Punkte
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McLaren ist eine weitere Überraschung in der Saison 2024/25: Dank des neuen Nissan-Antriebes ist dem Team ein großer Sprung nach vorn gelungen. Mit 113 Punkten hat McLaren nach elf Rennen bereits zwölf Zähler mehr gesammelt als in der gesamten Vorsaison.
Insbesondere Taylor Barnard überzeugt in seiner ersten Formel-E-Saison als Stammfahrer: Fünfmal stand der junge Brite in dieser Saison bereits auf dem Podium, pulverisierte dabei diverse Rekorde und ist nun der jüngste Pole-Sitter und auch der jüngste Fahrer, der je auf einem Formel-E-Podium stand. Sein Teamkollege Sam Bird hingegen fällt ein wenig ab: Nur 27 Zähler konnte der Routinier zum Teamergebnis beitragen. Während Barnard WM-Vierter ist, liegt Bird nur auf Gesamtrang 17.
Sollte der 38-jährige Bird im Spätherbst seiner Formel-E-Karriere das Potenzial des Fahrzeugs in den kommenden Rennen besser nutzen, ist McLaren noch einiges zuzutrauen: Der Rückstand auf DS Penske beträgt lediglich 32 Zähler.
Platz 5 | Mahindra Racing | 103 Punkte
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Vor etwas mehr als einem Jahr belegte Mahindra in unserer Halbzeitanalyse noch den elften und letzten Platz - ohne einen einzigen WM-Punkt. Das hat sich in der Saison 2024/25 massiv geändert.
Konstant im vorderen Feld, aber weitgehend unbemerkt: So lässt sich die bisherige Saison von Mahindra beschreiben. In den ersten elf Rennen gab es zwar nur ein einziges Podium für die Mannschaft von Fred Bertrand, als Nyck de Vries am Monaco-Sonntag Zweiter wurde. Aber de Vries und Teamkollege Edoardo Mortara landeten bislang insgesamt schon elfmal in den Top 10.
Damit sammelten sie bereits jetzt mehr als doppelt so viele WM-Punkte wie in jeder der drei vergangenen Saisons. Erstmals seit der Gen1-Ära ist für das indische Team damit ein Platz unter den Top 5 der Gesamtwertung in Reichweite.
Sollten beide Fahrer weiterhin so konstant punkten wie bislang, ist für Mahindra bei nur zehn Zählern Rückstand auf McLaren, die derzeit Platz 4 belegen, in der Saison 2024/25 noch sehr viel drin.
Platz 6 | Maserati MSG Racing | 89 Punkte
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Maserati MSG Racing liegt nach elf Saisonrennen im absoluten Mittelfeld der Formel E. Dabei sind die Rückstände nach vorne wie nach hinten sehr knapp.
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen: So könnte man die Saison von Stoffel Vandoorne bislang zusammenfassen. Bereits achtmal schaffte es der Formel-E-Weltmeister von 2022 in dieser Saison in die Punkteränge. Neben seinem überraschenden Sieg in Tokio ist Vandoorne sonst jedoch eher im vorderen Mittelfeld unterwegs: Dreimal wurde er bereits Zehnter, dazu einmal Neunter, zweimal Siebter und einmal Sechster. In der Gesamtwertung liegt er somit auf Platz 11.
Auch sein Teamkollege Jake Hughes stand in dieser Saison bereits als Dritter in Jeddah auf dem Podium. Insgesamt fehlt ihm jedoch bislang noch die Konstanz: Nur viermal schaffte es der Brite in die Punkteränge.
Sollte auch Hughes in den verbleibenden Rennen etwas konstanter in die Punkte fahren, könnte dies die beste Saison für das Team seit dem Einstieg des italienischen Sportwagenherstellers werden. Das Ergebnis aus der Vorsaison, als man insgesamt 81 Punkte sammelte, konnte man bislang bereits um acht Zähler übertreffen.
Platz 7 | Andretti | 88 Punkte
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Nur einen einzigen Punkt hinter Maserati MSG Racing liegt nach elf von 16 Saisonrennen Andretti.
Im Gegensatz zum Porsche-Werksteam hat das US-amerikanische Kundenteam Probleme, konstant die Performance des Paketes zu zeigen. Während es Ex-Weltmeister Jake Dennis zumindest im Qualifying fünfmal in die Duellphase geschafft hat und damit fast auf Augenhöhe mit Felix da Costa und Wehrlein ist, die dies je sechsmal schafften, wartet Neuzugang Nico Müller immer noch auf sein erstes Qualifyingduell.
Im Rennen läuft es besser für den Schweizer, der hier in dieser Saison bereits 57 Positionen im Vergleich zu seinem Startplatz gutmachen konnte und damit mit Abstand den ersten Platz in dieser Statistik belegt. Dennoch ist Platz 15 in der Gesamtwertung sicherlich eine Enttäuschung - sechs Positionen hinter seinem Teamkollegen, der in Monaco das bislang einzige Podium für Andretti in dieser Saison feierte.
Sollte Dennis konstanter werden und Müller in den verbleibenden Läufen im Qualifying besser performen, damit er das Rennen nicht immer von hinten aufrollen muss, ist für Andretti noch einiges drin. Selbst McLaren auf WM-Platz 4 liegt aktuell nur einen einzigen Rennsieg vor dem US-Team.
Platz 8 | Jaguar Racing | 83 Punkte
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Jaguar Racing darf man nach elf von 16 Rennen in der Saison 2024/25 als den großen Verlierer bezeichnen: Der amtierende Weltmeister in der Teamwertung durchlebt trotz zweier Siege in Sao Paulo und Shanghai eine grottenschlechte Saison.
Nachdem Jaguar in den beiden Vorsaisons ein überlegenes Paket hatte, ist das Team mit seinem Gen3-Evo-Antrieb bislang nur Mittelmaß. Insbesondere die Saison von Mitch Evans, der in den vergangenen Jahren stets bis zum Saisonende um den Titel kämpfte, spricht Bände: Nach seinem überraschenden Sieg beim Saisonauftakt in Sao Paulo, den er vom letzten Startplatz aus einfuhr, hat der Neuseeländer bis zum heutigen Tag keinen einzigen WM-Punkt erzielt. Er ist damit nur 18. in der Gesamtwertung und hat nach dem Shanghai E-Prix nun auch rechnerisch keine Chance mehr auf dem WM-Titel.
Nicht viel besser sieht es bei Teamkollege und Landsmann Nick Cassidy aus: Obwohl seine Formkurve nach oben zeigt und er in China sogar seinen ersten Formel-E-Sieg seit mehr als einem Jahr feiern konnte, ist er lediglich WM-Siebter. Viel zu wenig für dem ehrgeizigen Cassidy, der daher Medienberichten zufolge das Team auch nach der laufenden Saison verlassen wird.
Was ist noch möglich für Jaguar? Auf Maserati MSG Racing fehlen aktuell nur sechs WM-Punkte - das müsste für die erfolgsverwöhnte Truppe das absolute Mindestziel in einer verkorksten Formel-E-Saison 2024/25 sein.
Platz 9 | Envision Racing | 62 Punkte
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Was für das Jaguar-Werksteam gilt, könnte man so auch 1:1 auf sein Kundenteam Envision Racing übertragen. Nach elf Saisonläufen liegt der Teamweltmeister von 2023 nur auf dem neunten Platz.
Insbesondere im Qualifying tun sich Sebastien Buemi und Robin Frijns sehr schwer: Mit den Durchschnittspositionen 14,7 und 16,6 belegen sie hier nur die Plätze 19 und 22. Kein einziger Fahrer in der Formel E qualifiziert sich so schlecht, wie Ex-Champion Sebastien Buemi.
Aber auch im Rennen läuft es kaum besser für die grün lackierten Boliden: Zwar konnte Buemi in Monaco sensationell gewinnen, aber außer dort landete das Team nur ein einziges Mal unter den Top 6. Auch in Tokio sorgte Buemi mit Platz 4 für einen Ausreißer nach oben - erneut in einem Regenrennen, sodass er bislang auf 47 Punkte kommt.
Frijns schafft es dagegen nicht, aus schwierigen Bedingungen Kapital zu schlagen. In Sao Paulo konnte er aufgrund eines Technikdefekts gar nicht am Rennen teilnehmen, danach kam er in den zehn Formel-E-Rennen in dieser Saison fünfmal in die Punkte. Er wurde dabei jedoch dreimal Achter und je einmal Neunter und Zehnter, sodass er lediglich 15 WM-Zähler sammeln konnte. In der Fahrerwertung reicht es damit nur für Platz 20.
Bei Envision muss definitiv viel passieren, damit sich das Team nach vorne orientieren kann. In Anbetracht der Tatsache, dass auch in diesem Jahr möglicherweise beide Stammfahrer aufgrund ihrer Verpflichtungen in der Langstrecken-Weltmeisterschaft für die beiden Rennen des Berlin E-Prix ausfallen und das Team daher auf deutlich unerfahrenere Ersatzpiloten angewiesen ist, ist die Hoffnung jedoch sehr gering, dass dies gelingen kann.
Platz 10 | Cupra Kiro | 55 Punkte
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Das Team Cupra Kiro, das in der vergangenen Saison noch unter dem Namen ERT an den Start ging, hat sich in dieser Saison deutlich verbessert. Dank Kundenantrieben von Porsche - auch wenn sie auf dem technischen Stand der Vorsaison sind - ist es bereits jetzt die erfolgreichste Saison des Teams seit 2016/17, wo man 59 Punkte sammelte.
Insbesondere an Dan Ticktum ist dieser Aufstieg klar festzumachen: Der Brite erzielte alle 55 WM-Zähler des Teams und damit bereits jetzt mehr als in seinen ersten drei Formel-E-Saisons zusammen. In Tokio gelang Ticktum das erste Podium für das Team seit Oliver Turvey beim Mexico City E-Prix 2018 vor mehr als sechs Jahren.
Sein Teamkollege David Beckmann fällt hingegen in seiner ersten vollen Formel-E-Saison deutlich ab: Zwar gelingt es auch dem Deutschen, im Qualifying hin und wieder das Potenzial des Autos zu zeigen, im Rennen hingegen macht sich seine fehlende Erfahrung bemerkbar.
Sollte das Team das Momentum nutzen - in Tokio und Shanghai fuhr Ticktum dreimal unter die Top 5 -, sind Envision und vielleicht sogar Jaguar für Cupra Kiro noch in Reichweite. Das hätte vor einem Jahr sicherlich niemand für möglich gehalten.
Platz 11 | Lola Yamaha ABT | 30 Punkte
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Auf dem letzten Platz der Teamwertung liegt nach elf von 16 Saisonrennen Lola Yamaha ABT.
Die britisch-japanisch-deutsche Koproduktion konnte zwar mit Lucas di Grassi beim Miami E-Prix sensationell einen zweiten Platz feiern. Insgesamt ist jedoch klar zu erkennen, dass ein technischer Rückstand gegenüber den anderen Herstellern in der Elektroserie besteht. Nur zweimal schaffte es ein Fahrzeug des Teams in dieser Saison in die Duellphase des Qualifyings.
Genau wie David Beckmann ist auch Rookie Zane Maloney bei Lola Yamaha ABT in dieser Saison noch ohne Punkte. Die fehlende Erfahrung des Mannes von der Insel Barbados macht sich hier deutlich bemerkbar. Immerhin ging es mit Platz 11 in Shanghai kürzlich ein wenig aufwärts, sodass der erste WM-Zähler für Maloney wohl nur eine Frage der Zeit sein sollte.
Di Grassi gelang es bei den beiden "Double-Headern" in Tokio und Shanghai jeweils einmal zu punkten. Alles in allem ist die Performance des Teams jedoch nicht so, dass es sehr realistisch erscheint, Cupra Kiro oder Envision noch einzuholen. Dafür ist der Rückstand einfach zu groß, sollte keine weitere, ganz große Überraschung passieren.
Endgültig entschieden ist jedoch bislang noch nichts: Im weiteren Verlauf des Jahres vergibt die Formel E noch bis zu 235 Punkte in der Teamwertung. Der WM-Kampf ist rein rechnerisch also noch vollkommen offen. Wir begleiten den Rest der Saison für dich wie gewohnt mit Livestreams der Freien Trainings und unserem Formel-E-Liveticker - darunter natürlich auch den "Double-Header" in Berlin am 12. und 13. Juli.
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