Techeetah vor dem Aus - Teamchef Mark Preston plant neues Formel-E-Team für Gen3-Ära
Timo Pape
Dass der Name Techeetah wahrscheinlich nach sechs Jahren aus der Formel E verschwinden wird, ist kein Geheimnis. Hersteller DS Automobiles hat sich bereits vom chinesischen Lizenzinhaber abgespalten und wird kommendes Jahr mit dem Dragon-Team von Jay Penske zusammenarbeiten. Wie 'e-Formel.de' im Rahmen des Seoul E-Prix aus gut informierten Quellen erfahren hat, könnte Techeetah-Teamchef Mark Preston den zwölften Teamslot unter Umständen aber doch noch füllen - mit einem neu gegründeten Rennstall.
In den vergangenen Monaten schwanden die Hoffnungen, zum Start der Gen3-Ära im Januar 2023 wieder 24 Autos in der Startaufstellung zu sehen. Zwar kommt ABT Sportsline zurück in die Formel E, doch Techeetah - in seiner aktuellen Form - wird die Serie aller Voraussicht nach verlassen. Der Grund: fehlende Investoren. Die chinesische Kapitalgesellschaft Chinese Media Capital (CMC) hatte den Aguri-Rennstall von Mark Preston im Frühjahr 2016 über die Sportmarketing- und Management-Firma SECA gekauft und zur dritten Saison in Techeetah umbenannt.
Antriebsstränge bezog das Kundenteam in den ersten beiden Jahren von Renault und wurde damit 2018 sogar Meister. Mit Beginn der Gen2-Ära wurde Techeetah zum Werksteam des französischen Herstellers DS Automobiles - bis heute. Schon in der ersten Jahreshälfte 2021 plante das Team jedoch einen Verkauf an neue Investoren. Auslöser für die finanzielle Neustrukturierung war damals offenbar der Wunsch des SECA-Geschäftsführers Sheng Li, seine eigenen Anteile am Team zu verkaufen oder einen Co-Investor anzuwerben.
"Ich weiß nicht, was in der nahen Zukunft passiert, oder ob es im nächsten Jahr (2022) überhaupt noch ein Team gibt", sagte Techeetah-Fahrer Jean-Eric Vergne schon im Juni 2021 bei 'Autosport'. In den nächsten zwei Monaten verhandelte SECA mit dem potenziellen Investor Anthony di Iorio, Gründer und CEO des Blockchain-Unternehmens Decentral sowie Mitbegründer der Kryptowährung Ethereum. Der Kanadier begleitete das Techeetah-Team bei den Rennen in New York City, London und Berlin.
Preston will neues Team aufbauen
Di Iorio plante, nach dem Abschluss eines Deals mit SECA, die eine Minderheitsbeteiligung von maximal 25 Prozent behalten hätten, das Team umzubenennen. Daraus wurde jedoch nichts. Ein Grund für das Aus der Übernahmepläne soll dabei die Tatsache gewesen sein, dass sich die Verhandlungen über einen sehr langen Zeitraum hingezogen hatten. "Ich habe mein Bestes gegeben, aber es gab eine Fülle von Gründen, warum ich nicht in der Lage war, das Geschäft abzuschließen", erklärte di Iorio damals bei 'The Race'. Das geplante Investment galt als das seriöseste Angebot.
Im vergangenen Jahr scheint nicht mehr viel Nennenswertes passiert zu sein - einen Verbleib Techeetahs in der Formel E traut dem Team inzwischen kaum noch jemand im Fahrerlager zu. Team-CEO Mark Preston will jedoch noch nicht aufgeben. Der Australier ist seit dem ersten Formel-E-Rennen dabei, hatte vor der ersten Saison gemeinsam mit Aguri Suzuki das Team Amlin Aguri gegründet. Nach dem Verkauf an Techeetah blieb er Teamchef, gab diese Rolle vor der achten Saison an DS-Motorsportchef Thomas Chevaucher ab und konzentrierte sich als CEO des Teams fortan um die wirtschaftlichen Belange.
Nach unseren Informationen will Preston in der Formel E bleiben. Dazu müsste er die Teamlizenz von SECA kaufen - entweder direkt von den Chinesen oder über die Formel E, sollte SECA die Lizenz wie Audi an die Serie zurückgeben. Preston versucht derzeit hinter den Kulissen, ein neues Team auf die Beine zu stellen, denn ein Großteil seiner aktuellen Crew wandert zu DS Penske ab. Wie die Erfolgsschancen stehen, können wir nicht bewerten. 'e-Formel.de' bat Preston um eine Aussage zu diesem Thema. Unsere Anfrage blieb jedoch unbeantwortet.
Zeit wird knapp
Fakt ist: Die Zeit wird eng. Auch ABT hatte vor gut einem Jahr beim Saisonfinale in Berlin alle Hebel in Bewegung gesetzt, um nach dem Audi-Werksausstieg im Jahr 2022 weiter als Privatteam anzutreten. Das klappte bekanntlich nicht mehr. Selbst wenn Preston ein Team zusammenbekommt und die nötige Startlizenz erwerben würde, bliebe immer noch die Frage nach dem Antrieb.
Der einzige Hersteller, der aktuell noch kein Kundenteam für Saison 9 beliefert, ist Nio 333. Doch auch die Chinesen müssten nicht zwingend zustimmen, schließlich ist die Frist längst verstrichen, in der ein Hersteller ein Kundenteam annehmen muss. Ob Maserati einen Kunden beliefern könnte - und vor allem würde -, ist unklar.
Im Sinne des Sports bleibt zu hoffen, dass Preston Lösungen für all diese Herausforderungen findet, damit er auch sein 101. Formel-E-Rennen als Verantwortlicher im Paddock erleben kann, und damit die Fans wieder ein komplettes Starterfeld mit 24 Teilnehmern anfeuern dürfen. Dies hätte übrigens auch den Nebeneffekt, dass es zwei zusätzliche Cockpits in der umkämpften Formel E gäbe...
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