Formel E

Technik-Analyse: Das Robocar kann mehr als nur gut aussehen

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Über 700 PS Leistung, Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in unter zwei Sekunden und ein Arsenal an Sensoren und Kameras: Den Fahrzeug-Enthusiasten und Technik-Geeks dürfte beim kürzlich vorgestellten Robocar schon mal das Wasser im Munde zusammen laufen. Hinzu kommt der unvergleichbare futuristische Look des autonomen Rennautos. Neben einem attraktiven Aussehen bringt das überaus markante Chassis aber auch einige aerodynamische Kniffe mit sich. Eine Analyse.

Bis Anfang Februar blieb uns eine detaillierte Heckaufnahme des Robocars verwehrt. Das ist im Motorsport keine große Überraschung, schließlich finden Ingenieure dort den größten Spielraum für Aerodynamik-Innovationen. Ein Blick auf den Roborace-Diffusor reicht bereits, um zu erahnen, wie viel Power unter der Haube schlummert. Doch nicht nur der Diffusor, sondern auch der geschwungene Heckflügel, die Gurney-Kante und selbstverständlich die pillenartige Form machen das Auto so interessant.

Was Venturi mit Roborace zu tun hat

Zur Wiederholung: Ziel der Aerodynamik im Motorsport ist es, den Fahrtwind mit so wenig Widerstand und Verwirbelungen wie möglich um das Auto zu leiten. Das Fahrzeug soll so windschnittig wie möglich designt werden, um keinen Widerstand zu produzieren, gute Topspeed-Werte zu erzielen und somit schneller als die Konkurrenz zu sein. Gleichzeitig soll Anpressdruck entstehen, der das Auto in Kurven schneller macht.

Übrigens: In der Aerodynamik gilt ein Tropfen als ideale Körperform. An ihm kann die Luft nahezu perfekt und mit dem geringst möglichen Widerstand vorbeiströmen. Das ebenfalls tropfenförmige Zentralstück des Robocars hat also durchaus einen Hintergrund.

Besonders interessant wird die Aerodynamik jedoch erst unter dem Fahrzeug. Während die Luft an der Oberseite um den Robocar-"Tropfen" und zwischen den Aufhängungsstreben entlangfließt, strömt auch unter dem Auto Luft am Unterboden entlang. Unter dem Fahrzeug wird der Luftstrom durch einige Luftleitbleche zum Diffusor am Heck des Fahrzeugs geleitet.

Dort kommt der so genannte Venturi-Effekt zum Tragen: Da die Luft unter dem Auto etwas schneller als über dem Auto fließt (die komplizierten physikalischen Hintergründe ersparen wir euch an dieser Stelle), generiert der Diffusor einen Unterdruck. Dieser saugt das Auto regelrecht auf den Asphalt und sorgt für jede Menge Abtrieb auf der Hinterachse. Die Finnen des Diffusors sorgen lediglich dafür, dass die Luft so wenig wie möglich verwirbelt wird.

Mit Kniffen aus den 70ern in die Zukunft

Eine weitere Spezialität des Robocars ist der minimalistische Heckflügel oberhalb des Diffusors. Aufnahmen zeigen, dass auf der Oberseite des Flügels eine Gurney-Kante angebracht wurde. Höchstwahrscheinlich ist jener Flap wohl auch der einzige Grund für den Heckflügel, der ansonsten wohl ausschließlich einen ästhetischen Zweck erfüllen dürfte.

Die Gurney-Kante ist ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Eingeführt wurde sie einst vom US-amerikanischen Rennfahrer Dan Gurney, der im Übrigen auch die Tradition des Verspritzens von Siegerchampagner ins Leben gerufen hat. Gurney präsentierte seinen kleinen Flügel bei IndyCar-Testfahrten 1971: Am hinteren Ende montierte sein Team eine sehr kleine Blechklappe, die im 90-Grad-Winkel zum restlichen Flügel stand.

Die Funktion dieser Klappe ist die Vergrößerung der Anpresskraft bei geringfügiger Erhöhung des Luftwiderstands. Durch die kleinen Luftwirbel hinter dem Flap, die durch aufsetzen der Gurney-Kante entstehen, wird der Luftfluss um den Heckflügel entscheidend verändert, der Flügel virtuell "verlängert" und der Abtrieb erhöht. Flugzeug-Enthusiasten kennen das Prinzip womöglich unter dem Namen MiniTED.

Die Gurney-Kante hat sich bis heute im Motorsport gehalten. Insbesondere auf Strecken, die viel Abtrieb fordern, setzen Teams den kleinen Flügel auf den Heckflügel auf. Auch das Robocar kann von den Vorteilen der Gurney-Kante profitieren - in der Formel E ist ein derartiges Fahrzeugteil verboten.

Erste Testfahrt noch in diesem Monat

Nach wie vor liegt das Herzstück des Fahrzeugs jedoch unter der Haube. Während das Chassis wie aus einem Guss zu sein scheint, findet die wahre Magie unter der Außenhaut statt. Vier Motoren, dutzende Sensoren und der wohl beste Computer auf dem Markt treiben das Robocar an. Aber das Auge isst bekanntlich mit.

In den kommenden Tagen soll das Auto erstmals auf die Strecke gehen - ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum ersten Roborace. Das bestätigte Roborace-CEO Denis Sverdlov im Rahmen der Robocar-Launch-Party gegenüber 'Engadget'. Weitere Informationen zur Serie findet ihr auf unserer Themenseite 'ROBORACE'.

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