Formel E

Technik: NextEV und das Dilemma des Doppelmotors

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Hinter NextEV liegen schwere Monate. Seit Saisonbeginn fährt das chinesische Team dem Feld hinterher und konnte eher durch Glück zwölf magere Punkte sammeln. Bedeutet: Letzer in der Gesamtwertung. Dabei stellte das Team im vergangenen Jahr noch das Auto für Nelson Piquet jr., den ersten Formel-E-Meister. Für die zweite Saison setzte man auf das "Doppelmotor-Konzept", welches dem Rennstall zum Verhängnis geworden ist.

Die Idee hinter dem Doppelmotor ist einfach erklärt. Die Antriebsachse (sprich: die Hinterräder) bekommt separat von zwei Motoren gleichzeitig Leistung. Das sorgt trotz geringer Drehzahlen (8.000 Umdrehungen/Minute, andere Motoren drehen derzeit auf circa 20.000) für ein erhöhtes Drehmoment auf beiden Hinterrädern und damit für mehr Leistung beim Herausbeschleunigen aus Kurven.

Die Fahrzeuge haben damit durch eine FIA-Begrenzung quasi nicht mehr Leistung als die Konkurrenz, jedoch wird diese früher und in effizienteren Mengen an die Antriebsachse abgeben als bei anderen Teams.

Ein Manko hat das Konzept jedoch: Die Balance ist deutlich schwerer zu finden. Denn durch die zwei sperrigen Motoren wird das ohnehin schon hecklastige Formel-E-Fahrzeug noch weiter aus dem Gleichgewicht gebracht. Beim Bremsen wirkt sich dies beispielsweise durch blockierende Vorderräder aus, sollte man kein richtiges Setup finden, um das hohe Drehmoment auszugleichen.

Es ist ein Teufelskreis: Zu viel Gewicht bedeutet zu wenig Leistung, zu wenig Leistung bedeutet langsamer zu sein. Fügt man durch einen zweiten Motor neue Heckpower hinzu, um die Gewichtsprobleme auszugleichen, wird die Balance nur noch weiter aus der Bahn geworfen.

Doppelmotor sollte in Saison 3 Vorteile bringen

Weshalb entscheidet man sich also für solch ein schweres Doppel-Aggregat, wenn es die Konkurrenz doch auch mit einem einzelnen Motor hinbekommt? Die Antwort: NextEV wollte das Auto, wie ein technischer Experte gegenüber 'Current E' verrät, bereits für die dritte Saison, in der ein großer Leistungssprung auf 250 kW erwartet wurde, mit größeren und leistungsstärkeren Aggregaten vorsorgen. Diese Antizipation ist nach einem Update der "Technical Road Map" jedoch für die Katz.

Momentan seien die Motoren so groß und sperrig, dass das Chassis auf die Antriebsstränge drückt und diese beschädigt, so der NextEV-Mitarbeiter. "Leider war das Chassis schon homologiert, als wir diesen Fehler erkannten." Es ist also weniger das Gewicht, sondern primär die Position der beiden Antriebe im Auto, die das Handling so schwer machen. Die scheibenförmigen Motoren nehmen, anders als ein Sternmotor, sehr viel Raum im Heck ein.

Und NextEV hat ein weiteres Problem: Man kann nicht mehr auf die Technik der ersten Saison zurückgreifen. Das Team muss das laufende Jahr mit dem übergewichtigen und sperrigen Doppelmotor beenden. Einzig durch das Sammeln von Daten aus dem Simulator und den einzelnen Sessions kann man nun versuchen, eine Balance für das Auto zu finden.

Nichtsdestotrotz bleibt Teamchef Steven Lu für das kommende Rennen in Buenos Aires hoffnungsvoll. Das Ein-Gang-Getriebe soll dank des hohen Vollgas-Anteils der Runde endlich ausgenutzt werden können. Auch werden beide Piloten innig hoffen, dass durch hohen Temperaturen die Konkurrenz mit Batterieproblemen zu kämpfen haben wird.

"Wir haben für die dritte Saison ein paar Möglichkeiten", blickt Lu gegenüber 'Omnicorse.it' in die Zukunft. Eine Entscheidung über den Antriebsstrang der dritten Generation soll laut dem Chinesen bald fallen. Für die verbleibenden Rennen der zweiten Saison muss NextEV jedoch vorsichtig sein und kann nur in kleinen Schritten weiterentwickeln. Ein Erfolgserlebnis wäre dem frustrierten amtierenden Meister Piquet jr. und seinem Teamkollegen Oliver Turvey zu gönnen.

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