Topspeed & Windschatten: Was die Formel-E-Fahrer & -Teams vom Portland International Raceway erwarten
Timo Pape
Mit dem Portland E-Prix betritt die Formel E am kommenden Wochenende (24. Juni) Neuland. Die permanente, flüssige Rennstrecke verlangt den Fahrern nicht nur einen anderen Fahrstil ab, sondern stellt auch die Strategieabteilungen der Teams von Herausforderungen. Die einhellige Meinung vor dem USA-Rennen: Die nächste "Windschattenschlacht" mit hohen Endgeschwindigkeiten und etlichen Führungswechseln steht bevor.
Die Formel E ist seit ihrer Gründung 2014 Stammgast in den USA. Nach Rennen in Miami (1), Long Beach (2) und zuletzt fünf Auftritten in New York feiert die Elektroserie an diesem Wochenende Premiere auf dem Portland International Raceway (PIR). Der Kurs ist vielen US-amerikanischen Motorsportfans bekannt, da unter anderem die IndyCar-Serie regelmäßig zu Gast ist.
Während der PIR für die meisten anderen Rennserien Alltag ist, stellt er für die Formel E eine Ausnahme im Rennkalender dar. "Der Kurs sieht für eine Formel-E-Strecke sehr ungewöhnlich aus. So Rennen zu fahren, sind wir nicht gewohnt", prophezeit McLaren-Pilot Rene Rast. Nissan-Teamchef Tommaso Volpe erklärt: "Portland wird interessant, da es kein Straßenkurs ist."
"Das Layout ist anders als alles, was wir bisher in der Formel E gesehen haben", sagt sein Maserati-Pendant James Rossiter. "Es gibt eine große Anzahl schneller, weitläufiger Kurven, aber nur sehr wenige Bremszonen." Jaguar-Technikchef Phil Charles erläutert, warum gerade letztgenannter Punkt wichtig ist: "Es wird darauf ankommen, dass unsere Fahrer in der Lage sind, aus sehr hohen Geschwindigkeiten zu bremsen." Gleichzeitig beherberge die Strecke die längste Gerade in der Saison 2023.
"Vielleicht das strategischste Rennen des Jahres"
"Die Fans dürfen erwarten, dass wir mit hohen Geschwindigkeiten fahren, besonders im Qualifying", so Charles weiter. "Nach der langen Geraden folgt der kombinierte Komplex aus den Kurven 10 und 11. Der Streckenabschnitt zwischen den Kurven 4 und 7 ist ebenfalls eine große Herausforderung und wird sowohl für die Fahrer als auch für das Ingenieursteam ein sehr technischer Teil."
Das Energiesparen wird in Portland abermals eine zentrale Rolle spielen - da sind sich eigentlich alle Beteiligten einig. "Der Grip wird wahrscheinlich höher sein, und wird müssen darauf achten, Energie zu sparen. Vielleicht wird es das strategischste Rennen des Jahres", sagt Nissan-Pilot Norman Nato. "Dank der langen Geraden und der breiten Strecke, vor allem in den Kurven 1, 7 und 10, wird es einige Möglichkeiten zum Überholen geben."
Mit dem Faktor Energieintensität geht in dieser Formel-E-Saison noch ein anderer Aspekt einher: die große Bedeutung des Windschattens. "Ich erwarte ein ähnliches Maß an Windschattenfahren wie in Berlin", erklärt Max Günther. Jaguar-Manager Charles sieht es genauso und verspricht ein "wirklich taktisches Rennen, also viel Windschattenfahren und zahlreiche Überholmanöver."
"In Führung liegen nicht unbedingt die beste Strategie"
Das beutetet: "In Führung liegen könnte nicht unbedingt die beste Strategie sein", so Nissan-Fahrer Sacha Fenestraz. Der Windschatten ist demnach ein wichtiger Hebel, um die verfügbare Energie im Akku bestmöglich zu nutzen - aber nicht der einzige. "Wir suchen nach dem besten Weg, um auf diesem Kurs effizient und schnell zu sein", so Nissan-Teamchef Volpe. Das Auto für Portland abzustimmen, werde eine Herausforderung, "was die Strategie extrem wichtig macht".
Mit Blick auf die Show freuen sich die Fahrer jedenfalls auf das Wochenende. "Wir erwarten viele enge Aktionen und zahlreiche spannende Überholmanöver", meint Rast. Landsmann Günther stimmt ein: "Portland sieht sehr schnell aus, und die flüssige Streckenführung wird die Rennstrategie und den Rennstil stark beeinflussen, aber diese Herausforderung macht mir Spaß." Von einem "neuen Element beim Racing" berichtet auch sein Teamkollege Edo Mortara.
Vieles spricht somit für einen spektakulären ersten Portland E-Prix. Das 1. Freie Training findet durch die Zeitverschiebung zwischen Nordamerika und Europa um 2 Uhr (MESZ) in der Nacht von Freitag auf Samstag statt (live zu sehen auf e-Formel.de). 24 Stunden später ist Rennstart für die Formel E in Oregon.
Portland International Raceway - Formel-E-Strecke mit Tradition
Der Portland International Raceway wurde offiziell in den 1970er-Jahren wiedereröffnet, nachdem er mehrere Jahrzehnte lang brachlag. Eine große Überschwemmung hatte im heutigen Streckengebiet Verwüstung und lediglich noch Straßen hinterlassen, die in der Folge nur noch während des berühmten "Rose Festivals" in Portland als Rennstrecke genutzt wurden.
1975 wurde die Strecke zu einem Austragungsort für professionellen Motorsport ausgebaut, als die Trans-Am Series erstmals dort startete. In den folgenden Jahrzehnten kamen die IndyCar-Serie und die NASCAR Truck Series hinzu. In den 2000er- und 2010er-Jahren wurden die Veranstaltungen auf der Strecke deutlich weniger, doch zuletzt entwickelte sie sich wieder zu einem begehrten Austragungsort für die IndyCar- und die NASCAR Xfinity Series.
Der Kurs ist mit 3,221 Kilometern Länge einer der längsten, auf denen die Formel E je gefahren ist. Die Strecke unterscheidet sich geringfügig von der Variante der IndyCar-Serie, da die Formel E und die FIA beschlossen haben, die erste Kurve um 20 Meter zu verlängern - womöglich, um direkten Rundenzeitvergleichen aus dem Weg zu gehen.
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