Formel E

Turbulentes Racing in den USA: Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Portland E-Prix 2023

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Racing-Formula-E-Dennis-Cassidy-Portland

In einem wendungsreichen, taktischen Rennen in Portland hatte Nick Cassidy (Envision) die beste Strategie: Der Neuseeländer überquerte den Zielstrich des Laufs auf dem ersten Platz, obwohl er den E-Prix nur von Position 10 aus starten konnte. Eine energiesparende Fahrweise und clevere Positionierung auf der Strecke brachten ihm den Sieg ein. Doch wie ist seine Leistung im Vergleich zu den anderen Piloten einzuschätzen? Unser Fahrer-Rating.

Nach jedem Lauf der Formel-E-Saison 2023 vergeben unsere Redakteur:innen Punkte auf einer Skala zwischen 1 und 10 für alle Piloten. Anschließend werden sie nach ihrem durchschnittlichen "Rating-Score" sortiert. Die besten zehn Leistungen kommentiert unser Formel-E-Reporter Tobias Bluhm. In die Wertung fließen ausschließlich die individuellen fahrerischen Leistungen ein, nicht das Potenzial des Autos oder äußere Umstände.

Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Portland E-Prix 2023

1. Jake Dennis | Avalanche Andretti | 9.7 Punkte

Zum ersten Mal in dieser Saison steht im Fahrer-Rating ein Pilot ganz oben, der nicht das Rennen gewonnen hat. Denn auch, wenn es nicht zum Sieg beim Heimrennen seines Teams genügte, präsentierte sich Jake Dennis in den USA mal wieder in meisterlicher Form. Im Qualifying konnte er sich die Pole-Position sichern, nachdem er zuvor schon in den Freien Trainings mit guten Zeiten aufhorchen ließ.

Ironischerweise könnte ausgerechnet der Start auf der Pole-Position der Grund für seinen verpassten Sieg sein. Dennis führte die ersten Runden des E-Prix an und ließ erst ab Runde 4 seinen Konkurrenten den Vortritt. Durch die Führungsarbeit musste er sich zum Energiesparen zwischenzeitlich bis auf Platz 6 zurückfallen lassen, ehe er im Schlussspurt Rang 2 sicherte. Späte Angriffe auf Cassidy scheiterten, doch die 21 Punkte für Position 2 und die Pole-Position dürften seinen WM-Ambitionen gewiss helfen!

FAZIT: Dennis fuhr eigentlich das perfekte Rennen, letztlich scheiterte es jedoch an seinen frühen Führungsrunden. Dennoch: Er bleibt weiter auf Titelkurs!

2. Nick Cassidy | Envision Racing | 9.0 Punkte

Der Neuseeländer ist in dieser Saison kaum zu bremsen: Ein Sieg in Berlin, ein Sieg in Monaco und nun ein Sieg in Portland lassen ihn vom Titel in der Formel E träumen. Allein in dieser Saison sammelte er mehr Punkte (153) als in seinen zwei vorausgegangenen Elektro-Jahren zusammen (kumuliert: 144)! Das zeugt davon, wie gut der "Kiwi" in diesem Jahr fährt.

In Portland hatte er die beste Taktik von allen Fahrern. Ausgehend von Startplatz 10 rollte er binnen weniger Runden das Feld auf. Nach nur drei Runden war er schon in den Top 4 unterwegs, nach elf Runden führte er zum ersten Mal einen Umlauf an. Die Safety-Car-Phasen halfen seiner Strategie, die bestens aufging, als er in Runde 21 die Führung an Antonio Felix da Costa (Porsche) abgab und dieser zeitgleich das Tempo anzog.

FAZIT: Das Taktik-Spiel hat Cassidy gewonnen - und zugleich eine gute Ausgangslage im Kampf um den WM-Titel.

3. Antonio Felix da Costa | TAG Heuer Porsche | 8.7 Punkte

Es ist nicht ganz fair, Antonio Felix da Costa aufgrund dieses Fahrer-Ratings als "in Portland schlechteren Fahrer" im Vergleich zu Dennis und Cassidy zu bezeichnen. Denn der Portugiese fuhr seinerseits ebenfalls ein exzellentes Rennen und hätte für den Sieg womöglich nur eine Runde länger abwarten müssen, ehe er das Tempo anzieht. Auch er meisterte die Taktikspielchen, hielt sich in genau den richtigen Momenten zurück und wirkte zu fast allen Zeitpunkten des Rennens kampflustig.

FAZIT: Das Podiumsresultat - sein drittes in dieser Saison - hat sich Antonio Felix da Costa voll und ganz verdient.

4. Mitch Evans | Jaguar TCS Racing | 7.6 Punkte

Teamintern harmoniert es bei Jaguar 2023 weiterhin nicht. In Portland schien Sam Bird zwischenzeitlich das bessere Tempo als Mitch Evans zu haben, doch dieser wollte seinen Teamkollegen nicht vorbeilassen. Eine Strafe spülte Bird ohnehin aus den Punkten. Doch das Rennen der "Raubkatzen" wäre wohl anders verlaufen, wenn die Piloten die Plätze getauscht hätten.

Doch genug mit den Konjunktiven: Fakt ist, dass Mitch Evans mal wieder ein sehr gutes Rennen fuhr. Der Neuseeländer erzielte sein sechstes Top-4-Ergebnis in den letzten sieben Rennen (die einzige "Nullnummer" kam infolge des Unfalls mit Bird in Jakarta). Er fuhr die schnellste Runde und holte im Verlauf des E-Prix sagenhafte 16 Positionen auf. Ein technisches Problem - laut Angaben des Teams ein Stromausfall der Bordelektronik - hatte zuvor eine Teilnahme am Qualifying unmöglich gemacht.

FAZIT: Eine sagenhafte Aufholjagd wie diese ist wohl fast nur in Portland möglich. Doch dank Platz 4 bleiben Evans' WM-Hoffnungen am Leben!

5. Maximilian Günther | Maserati MSG | 7.3 Punkte

Zwar nicht ganz so gut wie in Jakarta, wohl aber besser als in der ersten Saisonhälfte war Maximilian Günther in Portland unterwegs. Der Deutsche war auf Kurs für ein Podium, als er bei einem Racing-Zwischenfall mit Sam Bird von der Strecke gedrängt wurde und auf Platz 9 zurückfiel. Die Stewards sprachen dafür durchaus überraschend eine Strafe gegen Bird aus. Günther verhalf sie zurück auf Position 6: Ein gutes Ergebnis!

FAZIT: Mit seiner Punkteausbeute in Portland darf Günther zufrieden sein. Offenbar stimmte seine Einschätzung, dass Maseratis "Knoten" beim Berlin E-Prix geplatzt ist - seitdem läuft's!

6. Lucas di Grassi | Mahindra Racing | 7.3 Punkte

Schon im Freien Training sorgte Lucas di Grassi mit guten Rundenzeiten für Aufsehen: Platz 10 und 15 waren weitaus besser als das, was Fans in dieser Saison von Mahindra Racing gewohnt sind. Im teils chaotischen Rennen konnte der Brasilianer seine ganze Formel-E-Erfahrung ausspielen. Das wurde insbesondere im Vergleich zu seinem Rookie-Teamkollegen Roberto Merhi klar. Mit Platz 7 erreichte di Grassi ein für seinen Rennstall hervorragendes Resultat!

FAZIT: Die ersten Punkte seit dem Saisonstart im Januar - herzlichen Glückwunsch!

7. Robin Frijns | ABT Cupra | 7.0 Punkte

Auch beim Kundenteam von Mahindra, ABT Cupra, lief es in den USA phasenweise richtig gut. Robin Frijns konnte im Zeitfahren eine ähnlich gute Pace wie di Grassi abrufen und qualifizierte sich auf einem aussichtsreichen neunten Rang. Im Rennverlauf mischte er unauffällig, aber dennoch stets sichtbar im Mittelfeld, mit. Am Ende wurde er dank der Bird-Strafe Zehnter und erzielte mal wieder WM-Punkte für das deutsche Team.

FAZIT: Es ist erst sein zweites Top-10-Ergebnis der Saison, und dennoch: Jedes Punkteresultat ist für ABT in diesem Jahr wie ein Podium. Hervorragende Leistung.

8. Sebastien Buemi | Envision Racing | 6.7 Punkte

Bei Envision Racing spielt Sebastien Buemi in diesem Jahr zwar inzwischen die zweite Geige. Doch das sollte nicht davon ablenken, welch gute Ergebnisse der Schweizer weiterhin erzielt. Auch in Portland sammelte er zweistellig Punkte und schloss somit die Lücke zur "Verfolgergruppe" in der WM. Dort bahnt sich ein ebenfalls spannender Kampf an: Vergne (97), Felix da Costa (93), Günther (78), Buemi (72) und Bird (62) dürften zu den Kandidaten für ein Top-5-Ergebnis in der "Endabrechnung" zählen.

FAZIT: Ein weiteres gutes Resultat von Sebastien Buemi, das ihm hoffentlich Schwung für die Zielgerade der Saison gibt.

9. Sacha Fenestraz | Nissan | 6.7 Punkte

Im Einzelzeitfahren war Sacha Fenestraz top - er qualifizierte sich für die erste Startreihe. Im Rennen verfolgte ihn jedoch das Pech. Schon in der ersten Phase des E-Prix lief Fenestraz seinem Teamkollegen Norman Nato auf, wodurch sein Frontflügel Schaden nahm. Der Boxenstopp unmittelbar nach dem Ende der ersten von zwei Safety-Car-Phasen kostete den jungen Franzosen viele Positionen, die er bis zum Zieleinlauf kaum wieder aufholen konnte. Am Ende stand mit Position 15 sein neunter "Nuller" in zwölf Rennen zu Buche.

FAZIT: Ein kaputter Frontflügel zerstörte Fenestraz' Wochenende voller Potenzial.

10. Pascal Wehrlein | TAG Heuer Porsche | 6.3 Punkte

Das hat sich Pascal Wehrlein wohl anders vorgestellt. Eigentlich hätte er in Portland Schützenhilfe von seinem Teamkollegen bekommen sollen, doch Wehrleins Tempo war nicht gut genug, um auch nur ansatzweise Chancen auf ein Podiumsergebnis zu haben. Stattdessen versprühte der "falsche" Porsche-Fahrer den Champagner auf dem Podest: Antonio Felix da Costa war seinem Teamkollegen in Portland durchaus überlegen.

Insbesondere im Kontext des WM-Kampfs ist Wehrleins Ergebnis bitter. Der Deutsche verlor nicht nur die Führungsposition in der Fahrerwertung, sondern rutschte sogar auf Platz 3 ab. Auch das Momentum ist vor Rom und London nicht mehr auf seiner Seite. Wehrlein muss nun zeigen, dass er den Mut und die Willenskraft hat, sich Dennis und Cassidy zu stellen.

FAZIT: Platz 8 ist zwar besser als nichts, aber nicht gut genug, wenn die Titelrivalen auf den ersten zwei Rängen ins Ziel fahren. Wehrlein benötigt eine Trendwende, wenn er weiter um die WM kämpfen möchte.

So hat die Redaktion abgestimmt:
Fahrer Tobias Bluhm Timo Pape Tobias Wirtz Durchschnitt
01. Jake Dennis 10 9 10 9,67
02. Nick Cassidy 10 8 9 9,00
03. Antonio Felix da Costa 9 8 9 8,67
04. Mitch Evans 7 7 9 7,67
05. Maximilian Günther 6 7 9 7,33
06. Lucas di Grassi 7 7 8 7,33
07. Robin Frijns 7 7 7 7,00
08. Sebastien Buemi 6 6 8 6,67
09. Sacha Fenestraz 7 6 7 6,67
10. Pascal Wehrlein 7 5 7 6,33
11. Jean-Eric Vergne 7 5 7 6,33
12. Norman Nato 6 7 6 6,33
13. Sam Bird 7 6 6 6,33
14. Rene Rast 5 6 7 6,00
15. Edoardo Mortara 6 6 6 6,00
16. Stoffel Vandoorne 6 5 6 5,67
17. Dan Ticktum 5 5 6 5,33
18. Sergio Sette Camara 4 6 5 5,00
19. Nico Müller 4 5 6 5,00
20. Jake Hughes 5 5 5 5,00
21. Andre Lotterer 4 5 5 4,67
22. Roberto Merhi 4 4 4 4,00

 
* Tie-Breaker bei Punktegleichstand: höhere Einzelwertung im Fahrer-Rating. Tie-Breaker bei identischen Punkten: besseres Rennergebnis.

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