Vergne über Duell mit Audi: "Habe kapiert, dass es im Sport nicht immer fair zugeht"
Timo Pape
Jean-Eric Vergnes Formel-E-Karriere ähnelt einer Metamorphose. Drei Jahre brauchte der Franzose für seinen ersten E-Prix-Sieg, vier Jahre für seinen ersten Titel, fünf für seinen zweiten. In dieser Zeit hat Vergne so einiges erlebt und gelernt - unter anderem im ewigen Duell seines Techeetah-Teams mit Audi.
Zu einem der intensivsten Momente während seiner Formel-E-Zeit dürfte das Saisonfinale 2019 in New York City zählen. Wie schon im Vorjahr lief alles auf das Titelduell DS Techeetah gegen Audi hinaus. Nachdem im Vorjahr der deutsche Hersteller die Oberhand behalten hatte, war Vergnes Team diesmal in einer besseren Position. Doch schon nach dem ersten Lauf lagen die Nerven blank…
Denn gleich in der Anfangsphase wurden beide DS-Piloten in Unfälle mit vermeintlicher Audi-Beteiligung verwickelt, die Vergne wenig später im Rennen zur viel diskutierten Funkaffäre animieren sollten. Am Samstag hatte Techeetah daraufhin offiziell Protest gegen Audi eingereicht. Einen Tag später erklärte sich Vergne öffentlich mit Blick auf seinen Funkspruch, den Audi "ausgegraben" hätte, um ihm zu schaden.
"Audi war extrem angepisst, dass mein Team gestern Protest gegen sie eingelegt hat. Also haben sie etwas gefunden, um wiederum gegen uns zu protestieren. So einfach ist das", sagte Vergne damals. Audi bestritt gegenüber 'e-Formel.de', Protest eingelegt zu haben, und wurde auch im offiziellen Dokument der FIA nicht erwähnt. Bis zuletzt blieb die Faktenlage unübersichtlich.
Stimmung zwischen Audi & Techeetah weiterhin angespannt
Mit einem halben Jahr Abstand blickt Vergne bei den Kollegen von 'auto motor und sport' auf die Vorkommnisse von New York zurück. Offenbar haben sie Spuren hinterlassen, denn so richtig scheint sich die Stimmung zwischen DS und Audi noch immer nicht beruhigt zu haben. "Ich weiß nicht recht", meint Vergne.
"Nach diesem Wochenende habe ich ein paar Dinge kapiert. Nämlich, dass es im Sport nicht immer fair zugeht. Ich war nicht enttäuscht, sondern eher traurig", so der Franzose weiter. "Wir haben beide Fehler gemacht, sowohl Audi als auch mein Team. Aber es ist Teil des Spiels, dass deine Gegner versuchen, dich zu destabilisieren. Es geht immer härter zu im Motorsport."
Nichtsdestotrotz ist Vergne nach zwei Formel-E-Meistertiteln in Folge entspannter denn je. "Natürlich wird der Druck weniger. Ich habe es mir selbst bewiesen, dass ich es draufhabe." Das Gefühl des Sieges sei unbeschreiblich. "Ich will dieses Gefühl wieder auskosten. Aber ich muss den Gedanken verdrängen, dass ich es allen bewiesen habe. Das ergibt nämlich negativen Druck."
In der Ruhe liegt die Kraft
In den vergangenen Jahren ist Vergne als Fahrer spürbar gereift, wenngleich er sich auch weiterhin ab und an zu markigen Manövern und Sprüchen hinreißen lässt. Aus einem frustrierten Formel-1-Absteiger, der oft zu viel wollte und Fehler machte, ist trotz alledem einer der konstantesten Piloten der Formel E geworden. "Ich habe mich sowohl als Mensch als auch als Sportler verändert", sagt Vergne. "Ich rege mich auch nicht mehr über Dinge auf, die ich nicht ändern kann. Da bin ich inzwischen ganz entspannt."
In der Formel E setze sich am Ende immer die Qualität durch, ist Vergne überzeugt und blickt dabei auf seine eigene Vergangenheit zurück. "In der Schule war ich ziemlich faul. Ich hatte das Glück, dass ich manches schnell kapiert habe, zum Beispiel Mathe. Also habe ich nur zehn Minuten für die Hausaufgaben gebraucht, wo andere zwei Stunden lang dransaßen. Es geht nicht um Quantität, es geht um Qualität", so Vergne.
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