Verpasste Chancen, große Sprünge: Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum New York City E-Prix 2021
Tobias Bluhm
Mit einem "Double-Header" in New York City läutete die Formel E am vergangenen Wochenende die Schlussphase ihrer Saison 2021 ein. Im Fährhafen von Brooklyn gewannen Maximilian Günther (BMW) und Sam Bird (Jaguar), doch auch auf den hinteren Positionen ereigneten sich zahlreiche teils kuriose Geschichten.
In unserem e-Formel.de Fahrer-Rating werfen unsere Redakteur:innen nach jedem Formel-E-Event einen Blick auf die Leistungen der 24 Fahrer. Auf einer Skala von 1 bis 10 vergeben sie Punkte an jeden Piloten; der Durchschnittswert aller Stimmen ergibt das Endergebnis unseres Votings. Wie üblich erhielten wir auch für die Bewertung des New York E-Prix Unterstützung von einer externen Medienkollegin. Dieses Mal war es Sat.1-Moderatorin Andrea Kaiser. Vielen Dank!
Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum New York City E-Prix 2021
Nick Cassidy | 9.5 Punkte
Rennergebnis: Platz 4 / Platz 2
Fahrerwertung: Platz 5
Inzwischen besteht kein Zweifel daran, dass Nick Cassidy voll und ganz in der Formel E angekommen ist. Nach den erwartbaren Startschwierigkeiten als Virgin-Teamkollege von Robin Frijns findet sich der Neuseeländer inzwischen bestens in der Elektrorennserie zurecht. Die Pole-Position am Samstag, zahlreiche Führungsrunden bis zum Vergne-Unfall, und ein zweiter Rang am Sonntag sprechen für sich.
Während Cassidy am ersten Tag mit dem Energiemanagement zu kämpfen schien - kein überraschender Sachverhalt, schließlich führte er das Rennen an -, hielt er sonntags dem hohen Druck von Antonio Felix da Costa (DS Techeetah) und den zwei Porsche-Piloten stand. Dank Mitch Evans' Fahrfehler kurz vor dem Ende des Rennens übernahm Cassidy Platz 2, den er bis zum Schluss nicht mehr abgab.
FAZIT: Cassidy zeigte in New York wohl die beste Einzelleistung seiner bisherigen Saison. Mal sehen, was er in London aus Qualifying-Gruppe 1 ausrichten kann.
Sam Bird | 9.3 Punkte
Rennergebnis: Platz 9 / Platz 1
Fahrerwertung: Platz 1
Sam Bird erlebte in New York ein zweigeteiltes Wochenende. Samstags zerlegte er seinen Jaguar-Boliden im 1. Freien Training, wodurch seine Mechaniker:innen mit dem Aufbau eines komplett neuen Monocoques beginnen mussten. Gerade einmal sechs Sekunden vor Beginn des Parc ferme vor dem Qualifying war sein Auto fahrbereit - eine brillante Leistung seines Teams!
Durch die mangelnde Feinabstimmung (und offenbar einen nicht vollständig befestigten Transponder auf der Fahrzeugnase) qualifizierte sich Bird nach einem Crash mit Oliver Rowland (Nissan) zwar nur auf Startrang 20. Dennoch arbeitete er sich im Rennverlauf auf einen überragenden neunten Platz vor. Zudem sammelte er einen Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde.
Besser lief es nur am Sonntag, als er sich zunächst die Pole-Position vor seinem Teamkollegen Mitch Evans sicherte. Bird führte anschließend jede Runde des Rennens an, gewann souverän vor Nick Cassidy und katapultierte sich somit vom 13. auf den ersten Platz der Gesamtwertung.
FAZIT: Bockstark, wie sich Bird nach dem Crash im Freien Training zurückkämpfte. Immerhin ein Engländer hatte somit am Sonntagabend Grund zur Freude.
Maximilian Günther | 8.3 Punkte
Rennergebnis: Platz 1 / Platz 10
Fahrerwertung: Platz 14
Nach dem einen oder anderen Fehltritt in den vorausgegangenen Rennen wird Maximilian Günther die Rückreise aus New York zweifelsfrei mit einiger Genugtuung angetreten haben. Für seinen ersten Sieg der Saison 2021 hätte er sich wohl keine passendere Location aussuchen können, schließlich gelang ihm am Samstag vor den Augen von Michael Andretti, Besitzer von Günthers möglicherweise zukünftigem Rennstall Andretti Autosport, der erste "große Sprung" des Jahres.
Sonntags ließ Günther nach einem enttäuschenden 23. Startplatz eine blitzsaubere Aufholjagd folgen, bei der er sich auf Platz 10 vorarbeitete, obwohl im Rennverlauf nur Oliver Turvey (Nio) und Jean-Eric Vergne (DS Techeetah) ausgefallen waren.
FAZIT: Eine bessere "Bewerbung" für ein Formel-E-Cockpit 2022 hätte Maximilian Günther vor den Augen von Michael Andretti kaum schreiben können.
Robin Frijns | 7.5 Punkte
Rennergebnis: Platz 5 / Platz 8
Fahrerwertung: Platz 3
In New York stand Robin Frijns vermutlich zum ersten Mal vollständig im Schatten seines Teamkollegen Nick Cassidy. Dennoch zeigte der Niederländer zwei sehenswerte Leistungen und fuhr an beiden Renntagen in die Top 10. Neben ihm gelang dieses "Kunststück" nur vier anderen Piloten: Sam Bird, Nick Cassidy, Maximilian Günther und Andre Lotterer.
FAZIT: Ein insgesamt solides Rennwochenende von Robin Frijns, dank dem er sich in den Top 3 der Fahrer-WM hält. Auf seinen ersten Rennsieg des Jahres wartet er trotzdem noch.
Jean-Eric Vergne | 7.3 Punkte
Rennergebnis: Platz 2 / DNF
Fahrerwertung: Platz 6
Jean-Eric Vergne spielte im New-York-Samstagsrennen seine ganze Erfahrung aus. Statt zu einem frühen Angriff gegen den Rookie Nick Cassidy anzusetzen, wartete er ab, bis der Neuseeländer gegen Rennende Probleme bekam, seine Verbrauchsziele zu erreichen. Bei einem gewagten Manöver in Kurve 10 setzte er sich schließlich neben ihn, geriet jedoch mit Cassidy aneinander und verlor die Führung an Günther.
Die Rennkommissare entschieden frühzeitig, dass es sich bei diesem Zwischenfall um einen Rennunfall handelte und somit keine Untersuchung notwendig sei. Vergne beendete das Rennen auf Platz 2, womit er angesichts der Achterbahnform seiner bisherigen Saison zufrieden sein dürfte.
Sonntags raubte ihm ein technisches Problem die Chance auf ein besseres Qualifying-Resultat. Den Start nahm er nicht wahr, nachdem er auch im "Grid" keinen Vortrieb hatte.
FAZIT: Samstags zeigte Vergne die vielleicht beste fahrerische Leistung seit seinem Sieg in Rom. Sonntags machte ihm jedoch die Technik einen Strich durch die Rechnung.
Lucas di Grassi | 7.0 Punkte
Rennergebnis: Platz 3 / Platz 14
Fahrerwertung: Platz 12
Lucas di Grassi scheint in der zweiten Hälfte der Saison endlich in Form zu kommen. Auch dank des Cassidy-Vergne-Günther-Vorfalls feierte der Brasilianer in New York sein zweites Podium der Saison. Eine Zeitstrafe für das Verursachen eines Unfalls mit Sebastien Buemi (Nissan) kostete ihn sonntags jedoch die Gelegenheit auf ein besseres Resultat.
Ein weiterer Wermutstropfen: In London muss er aufgrund seines New-York-Ergebnisses in Qualifying-Gruppe 2 antreten, obwohl er die gleiche Punktezahl wie Stoffel Vandoorne (Mercedes) in Gruppe 3 hat. Beide haben gleich viele Siege, dritte, siebte und achte Plätze gesammelt, di Grassi wird in der Fahrer-WM jedoch wegen eines zusätzlichen Platz-9-Ergebnisses (Diriyya 1) auf Platz 12 gewertet.
FAZIT: Ein gutes Wochenende von Lucas di Grassi, der sich allmählich in der Fahrerwertung nach oben arbeitet.
Rene Rast | 7.0 Punkte
Rennergebnis: Platz 10 / Platz 20
Fahrerwertung: Platz 7
Es ist das alte Lied: Wären da nicht die Probleme im Qualifying, könnte Rene Rast wohl auch die Fahrer-WM anführen. Am Samstag qualifizierte er sich auf dem 22. Platz, weil er auf seiner schnellen Runde von Edoardo Mortara (Venturi) aufgehalten wurde. Anschließend kämpfte er sich jedoch mutig durch das Feld, um das Rennen auf Rang 10 zu beenden.
Sonntags lief das Zeitfahren besser, allerdings schlitzte ihm diesmal Sebastien Buemi in der Startphase einen Hinterreifen auf. Bei einem Boxenstopp montierte Audi ein bereits am Vortag im Rennen genutztes Rad, das aufgrund seiner Abnutzung jedoch kaum mehr Grip bot. Rast erreichte das Ziel auf einem unscheinbaren 20. Rang.
FAZIT: Rast hätte für seine Leistungen in New York mehr belohnt werden sollen, doch abermals war das Rennglück nicht auf seiner Seite.
Antonio Felix da Costa | 6.8 Punkte
Rennergebnis: Platz 12 / Platz 3
Fahrerwertung: Platz 2
Genau wie sein DS-Techeetah-Teamkollege Jean-Eric Vergne schwankt Antonio Felix da Costas Leistung auch in dieser Saison zwischen den Extremen. Nach einem frühen Kontakt konnte er sich samstags nicht aus dem Mittelfeld befreien und fuhr zwischenzeitlich auf Rang 10, kam am Ende jedoch nicht über einen zwölften Platz hinaus.
Sonntags nutzte er hingegen seine gesamte Erfahrung aus, um mit einem klugen Attack-Mode-Undercut die zwei Porsche-Piloten Wehrlein und Lotterer zu überholen. Er überquerte den Zielstrich auf Platz 3 und übernahm somit den zweiten Platz in der Formel-E-Gesamtwertung.
FAZIT: In Felix da Costas Saison fehlt es zweifelsfrei an Konstanz. Wenn er seine Sonntagsleistung jedoch auch in Großbritannien abrufen kann, ist er in einer guten Position für das Saisonfinale in Berlin - und für den Titelkampf.
Pascal Wehrlein | 6.8 Punkte
Rennergebnis: DNF / Platz 4
Fahrerwertung: Platz 9
In New York lag ein Podium für Pascal Wehrlein an beiden Tagen in Reichweite. Nach einer Super-Pole-Teilnahme am Samstag fiel er frühzeitig aus (Unfall mit Lynn), meldete sich am Rennsonntag jedoch eindrucksvoll mit einem vierten Platz zurück. Der Deutsche verlor im Attack-Mode allerdings zu viel Zeit gegen seinen Teamkollegen Andre Lotterer, sodass Antonio Felix da Costa beide Porsche-Fahrer mit einem "Undercut" überholen konnte.
FAZIT: Wehrlein wird größtenteils zufrieden mit seiner Einzelleistung sein, teamintern dürfte der unnötige Zeitverlust im Positionskampf mit Andre Lotterer jedoch für Krach gesorgt haben.
Mitch Evans | 6.5 Punkte
Rennergebnis: DNF / Platz 13
Fahrerwertung: Platz 8
Selten erlebte man Mitch Evans in der Formel E so zerknirscht wie nach dem Sonntagsrennen in New York. Der Neuseeländer qualifizierte sich aufgrund eines kleinen Fahrfehlers "nur" auf Startplatz 2, exakt 0,001 Sekunden vor Nick Cassidy, verteidigte seinen Rang über weite Strecken des Rennens und gab Sam Bird ideale Rückendeckung.
Drei Runden vor dem Ende des Rennens prallte Evans jedoch in die äußere Streckenbegrenzung von Kurve 2 - derselbe Fehler, der ihm schon in der Qualifikation unterlaufen war. Mit einer gebrochenen Hinterradaufhängung gab er sein Bestes, fiel bis zum Zieleinlauf aber noch bis auf Platz 13 zurück.
FAZIT: Ein selbstverschuldeter Fehler kostete Jaguar den ersten Doppelsieg der Teamhistorie.
Position | Fahrer | Note | Ergebnis (Sa) | Ergebnis (So) |
11. | Andre Lotterer | 6,5 | Platz 8 | Platz 5 |
12. | Alexander Sims | 6,0 | DNF | Platz 6 |
13. | Oliver Rowland | 5,8 | Platz 7 | Platz 19 |
14. | Alex Lynn | 5,5 | Platz 11 | Platz 9 |
15. | Sebastien Buemi | 5,3 | Platz 6 | Platz 15 |
16. | Norman Nato | 5,0 | Platz 15 | Platz 7 |
= | Sergio Sette Camara | 5,0 | Platz 18 | Platz 11 |
18. | Edoardo Mortara | 4,8 | Platz 14 | Platz 17 |
19. | Joel Eriksson | 3,5 | Platz 17 | Platz 22 |
= | Stoffel Vandoorne | 3,5 | DNF | Platz 12 |
21. | Tom Blomqvist | 3,3 | Platz 16 | Platz 21 |
22. | Nyck de Vries | 3,3 | Platz 13 | Platz 18 |
23. | Oliver Turvey | 3,0 | DNF | DNF |
24. | Jake Dennis | 2,8 | DNF | Platz 16 |
Fahrer | Tobias Bluhm | Svenja König | Timo Pape | Andrea Kaiser | Durchschnitt |
01. Nick Cassidy | 10 | 9 | 9 | 10 | 9,50 |
02. Sam Bird | 8 | 9 | 10 | 10 | 9,25 |
03. Maximilian Günther | 8 | 9 | 8 | 8 | 8,25 |
04. Robin Frijns | 7 | 8 | 7 | 8 | 7,50 |
05. Jean-Eric Vergne | 7 | 8 | 8 | 6 | 7,25 |
06. Lucas di Grassi | 7 | 8 | 7 | 6 | 7,00 |
07. Rene Rast | 8 | 5 | 8 | 7 | 7,00 |
08. Antonio Felix da Costa | 8 | 5 | 8 | 7 | 6,75 |
09. Pascal Wehrlein | 7 | 7 | 7 | 6 | 6,75 |
10. Mitch Evans | 8 | 6 | 6 | 6 | 6,50 |
11. Andre Lotterer | 6 | 6 | 7 | 7 | 6,50 |
12. Alexander Sims | 6 | 6 | 6 | 6 | 6,00 |
13. Oliver Rowland | 6 | 7 | 6 | 4 | 5,75 |
14. Alex Lynn | 5 | 6 | 6 | 5 | 5,50 |
15. Sebastien Buemi | 4 | 6 | 6 | 5 | 5,25 |
16. Norman Nato | 5 | 5 | 6 | 4 | 5,00 |
= Sergio Sette Camara | 4 | 5 | 6 | 5 | 5,00 |
18. Edoardo Mortara | 4 | 6 | 4 | 5 | 4,75 |
19. Joel Eriksson | 4 | 3 | 4 | 3 | 3,50 |
= Stoffel Vandoorne | 3 | 3 | 4 | 4 | 3,50 |
21. Tom Blomqvist | 3 | 2 | 4 | 4 | 3,25 |
22. Nyck de Vries | 3 | 3 | 4 | 3 | 3,25 |
23. Oliver Turvey | 3 | 2 | 4 | 3 | 3,00 |
24. Jake Dennis | 4 | 2 | 3 | 2 | 2,75 |
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