Formel E

"Verschwörungstheorie oder nur Zufall?" - Kommentar zur "Spiegelei-Flagge" beim Formel-E-Rennen in London

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Gleich zweimal gab es beim London E-Prix die Situation, dass ein Fahrer eines Teams, das um den Formel-E-Weltmeistertitel kämpfte, mit einem beschädigten Frontflügel fuhr. Während die Rennleitung beim Porsche von Antonio Felix da Costa eingriff und an die Box beorderte, griff sie beim Nissan von Oliver Rowland zur Überraschung vieler nicht ein. Ein Thema, das auch nach drei Saisons mit dem Gen3-Fahrzeug nicht im Griff zu sein scheint. Ein Kommentar.

In der zehnten Runde des Saisonfinales berührte Rowland den vor ihm fahrenden Nyck de Vries und beschädigte sich dabei den Frontflügel. "Der Flügel ist ab. Sagt der FIA, dass der Flügel ab ist und es nicht gefährlich ist", meldete Rowland über Funk zu seinem Team. Die TV-Bilder zeigten hingegen etwas ganz anderes: Der Flügel hing herunter und schliff auf der Gegengerade sogar teilweise am rechten Vorderreifen des Nissan. Seitens der Rennleitung gab es keine Reaktion, Rowland durfte weiterfahren, bis er in Runde 15 mit Nico Müller kollidierte und aus dem Rennen ausschied.

24 Stunden zuvor hatte das noch anders ausgesehen: Porsche-Fahrer Felix da Costa hatte in Runde 28 ebenfalls nach einem Kontakt einen defekten Frontflügel, der am Boden sowie am Vorderreifen schliff.  Hier reagierte die Rennleitung schnell: Man rief den Portugiesen aus Sicherheitsgründen mit der "Spiegelei-Flagge" (schwarz mit orangenem Punkt) an die Box, am Ende von Runde 31 holte er sich einen neuen Frontflügel ab.

Die Formel-E-Fahrer pochen seit einiger Zeit auf mehr Konsistenz, was die Entscheidungen der FIA-Offiziellen angeht. Beim Thema Strafen, die von den Rennkommissaren ausgesprochen werden, war bereits gegen Saisonende festzustellen, dass hier eine einheitlichere Linie durchgezogen wurde. Vorangegangen war nach Informationen der Kolleg:innen von The Race ein Meeting von Fahrervertretern mit Rennleiter Marek Hanaczewski vor dem Rennwochenende in Jakarta, das genau dieses Thema hatte.

Im Falle der schwarzen Flagge mit orangenem Punkt ist eine solche Konsistenz insbesondere nach dem Saisonfinale in London nicht festzustellen. Oder kann mir nach dem London-Wochenende jemand erklären, wie genau ein Frontflügel beschädigt sein und herunterhängen muss, damit ein Fahrer gezwungen wird, diesen aus Sicherheitsgründen an der Box wechseln zu lassen?

Flagge für Rowland hätte Titelkampf entschieden

In speziellen Fällen sträubt sich die FIA offensichtlich, bei der Beurteilung dieser Fälle gleiche Maßstäbe anzusetzen: Dann, wenn es darum geht, möglicherweise in den Titelkampf einzugreifen. Mit dem Zeigen der schwarz-orangenen Flagge für den zu diesem Zeitpunkt auf Platz 2 fahrenden Rowland hätte der Renndirektor de facto beide noch offenen Meisterschaften zu Ungunsten von Nissan entschieden. Nur "gut", dass Rowland das fünf Runden später mit seinem Manöver gegen Müller selbst gemacht hat und der FIA damit Kontroversen, wie sie in der Formel 1 im Jahr 2021 auftraten, ersparte.

Im umgekehrten Fall hingegen tat man sich hingegen anscheinend deutlich leichter: Felix da Costa war zum Zeitpunkt, als er die schwarzen Flagge mit orangenem Punkt erhielt, auf Punktekurs und lag vor den beiden Nissan-Piloten. Wäre er auf dieser Position ins Ziel gefahren, hätte er den Vorsprung von Porsche in der Team- und Herstellerwertung vor dem letzten Rennen noch vergrößert. Dadurch, dass er zum Wechsel des Frontflügels an die Box kommen musste, wurde die Meisterschaft zumindest wieder ein bisschen offener. Oliver Rowland hingegen war, als er den Schaden am Frontflügel erlitt, der bestplatzierte Nissan-Fahrer und die "letzte Hoffnung" im Kampf um die Team- und Herstellermeisterschaft. Verschwörungstheorie oder vielleicht doch nur Zufall?

Fakt ist jedoch: Das Thema ist bei den Gen3-Boliden nicht neu. Bereits vor zwei Jahren gab es - unter anderem auch in London - ähnliche Diskussionen, denen wir auch damals einen Kommentar widmeten. Damals meinte McLaren-Teamchef Ian James, damals gleichzeitig auch Vorsitzender der Team- und Herstellervereinigung der Formel E (FETAMA) bei The Race: "Letztendlich sind die Teams für die Sicherheit ihrer eigenen Autos verantwortlich und müssen dafür sorgen, dass sie sicher unterwegs sind." Manchmal, aber nur manchmal, legen die Offiziellen das wohl anders aus.

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