Formel E

WM-Showdown an der Themse: Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum London E-Prix 2023

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Jake-Dennis-Car-London-Celebrations

Jake Dennis ist auf dem Gipfel des Elektro-Motorsports angekommen: Zwei Podien bei seinen Heimrennen in London verhalfen dem Briten zu seinem ersten WM-Titel in der Formel E. Zurecht feierte er den Erfolg ausgelassen mit seinem Team Andretti. Doch auch abseits von Dennis' Erfolgen gab es einige hervorragende Leistungen beim Saisonfinale in Großbritannien. Unser Fahrer-Rating.

Nach jedem Lauf der Formel-E-Saison 2023 vergeben unsere Redakteur:innen Punkte auf einer Skala zwischen 1 und 10 für alle Piloten. Anschließend werden sie nach ihrem durchschnittlichen "Rating-Score" sortiert. Die besten zehn Leistungen kommentiert unser Formel-E-Reporter Tobias Bluhm. In die Wertung fließen ausschließlich die individuellen fahrerischen Leistungen ein, nicht das Potenzial des Autos oder äußere Umstände.

Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Hankook London E-Prix 2023

1. Mitch Evans | Jaguar TCS Racing | 9.3 Punkte

Ein weiteres Jahr, an dessen Ende Mitch Evans auf verpasste Gelegenheiten zurückblicken wird, endete in London mit zwei herausragenden fahrerischen Leistungen. Insbesondere samstags leistete sich der Neuseeländer keinen Fehltritt. Da Jake Dennis jedoch aufs Podium fuhr, fiel die Titelentscheidung vorzeitig. Schade für Evans, denn er hätte diesen Titel gleichermaßen verdient gehabt.

FAZIT: Samstags war Evans nach den Fehlern von Envision unschlagbar, sonntags fehlte ihm im Regen das Tempo von Cassidy. Ein gutes Ende seiner hervorragenden Saison!

2. Nick Cassidy | Envision Racing | 9.3 Punkte

Nick Cassidy war nach dem Samstagsrennen ein Mann, den man einfach nur gern umarmt hätte. Inmitten von Verwirrung um eine Envision-Stallorder, bei der Cassidy davon ausging, dass Buemi ihn vorbeilassen würde, ging sein Frontflügel kaputt und fiel unter das Auto - das vorzeitige Aus im Rennen und im Kampf um die WM.

"Ich bin nachts um zwei aufgewacht und dachte, es sei ein Alptraum", sagte Cassidy am Morgen danach. "Aber das war es nicht." Immerhin am zweiten Renntag konnte er das hervorragende Tempo seines Renners ausschöpfen und fuhr souverän dem Sieg entgegen. Ein versöhnliches Jahresende - doch der verpasste Titel schmerzt ihn sehr.

FAZIT: Cassidys WM fiel den teaminternen Koordinationsproblemen zum Opfer. Individuell zeigte er in London aber seine ganze Stärke - fahrerisch wie emotional.

3. Jake Dennis | Avalanche Andretti | 8.8 Punkte

Bei der Aftershow-Party der Formel E drängte Andretti Jake Dennis in ein Moshpit und sang zur Melodie der Beatles: "We All Live In A Red And White Machine". Die Freude über seinen ersten Titel ist grenzenlos - und das vollkommen zurecht. Die konstante Art und Weise, mit der der Brite die Saison und das Finalwochenende bestritt, ist beinahe märchenhaft.  Zumal er als einziger Porsche-Pilot das Qualifying meisterte. Souverän beschloss er die Saison mit einem zweiten und dritten Platz: Was für eine Leistung!

FAZIT: Dennis zeigte in London, weshalb er ein würdiger Weltmeister der Saison 2023 ist. Herzlichen Glückwunsch!

4. Norman Nato | Nissan | 8.5 Punkte

Abseits der medialen Aufmerksamkeit, die sich wenig überraschend auf den Titelkampf bei den Fahrern und Teams fokussierte, bestritt Norman Nato das wohl "beste Wochenende" seiner Saison, wie er auch selbst meinte. Ein mutiger, harter Angriff auf Sebastien Buemi sorgte samstags dafür, dass seine Chancen an der TecPro-Bande von Kurve 19 zerbrachen und er nach Reparaturen nur Achter wurde. Unverständlicherweise wurde Nato für das Manöver bestraft - nicht der beim Bremsen nach rechts zuckende Buemi.

Erholt von dem Schock trat Nato sonntags abermals souverän auf. Er brachte seinen Nissan-Renner nach starker Qualifying und Rennleistung auf Position 4 ins Ziel und sammelte dabei im Alleingang die entscheidenden Punkte, die die Nissan-Werksmannschaft in der Teamwertung vor das Kundenteam McLaren brachten.

FAZIT: Ein wahnsinnig gutes Wochenende von Nato, der auf der Zielgerade der Saison richtig gut in Form kam!

5. Sebastien Buemi | Nissan | 7.0 Punkte

1.082 Tage lag sein letztes Formel-E-Podium zurück, doch nun ist der Top-3-Fluch von Sebastien Buemi gebrochen. Nach dem - auch vom Envision-Team zu verantwortenden - Teamkollegen-Debakel und Strafen gegen Rivalen am Samstag wurde er auf Position 3 gewertet. Sonntags sammelte er als solider Sechster ebenfalls WM-Punkte, die seinem Rennstall einen entscheidenden Vorteil gegenüber Jaguar in der Teamwertung einbrachten.

FAZIT: Der Altmeister ist zurück, wo er hingehört: Im oberen Bereich der Formel-E-Wertungen. Buemi zeigte in London, was für ein talentierter Fahrer er nach wie vor ist, auch wenn er durchaus ein Protagonist in zwei unglücklichen Szenen war.

6. Sam Bird | Jaguar TCS Racing | 6.8 Punkte

Zum Abschied von Jaguar lief Sam Bird noch mal zur Bestform auf. Zwar wirkte der Brite immer noch nicht so bissig, wie es Teamboss James Barclay von ihm erwartet hätte. Insbesondere im Regen vom Sonntag fehlte ihm die Pace seines Teamkollegen Mitch Evans. Doch so souverän, wie Bird am Samstag fuhr, hatte er es seit dem Berlin E-Prix nicht mehr getan.

In der abgelaufenen Saison war Bird ein wichtiges "Asset" für Jaguar, machte allerdings auch zu viele Fehler. Seine Zukunft mit dem Team war schon vor dem London E-Prix bestimmt - er verlässt die "Raubkatze". Vielleicht war es genau dieser Druck, der nicht mehr auf seinen Schultern lastete, um ihn befreiter fahren zu lassen.

FAZIT: Ein würdiger Abschied von Jaguar!

7. Dan Ticktum | Nio 333 | 6.3 Punkte

Die Erleichterung bei Nio 333 war riesig, als Dan Ticktum im Sonntagsrennen den Zielstrich überquerte. Nach der Disqualifikation von Sergio Sette Camara am Vortag schaffte es der Brite quasi im Alleingang, sein Team in der Gesamtwertung an Mahindra vorbeizubugsieren. Insbesondere sonntags, als es weniger auf die Effizienz ankam, konnte Ticktum mit seinem unbestrittenen Talent überzeugen.

FAZIT: Eines der besten Rennwochenenden von Ticktum endete mit dem großen Erfolg in der Team-Gesamtwertung für Nio 333.

8. Pascal Wehrlein | TAG Heuer Porsche | 6.0 Punkte

Vom Tempo des vormaligen WM-Topkandidaten Pascal Wehrlein war in London nur noch wenig zu sehen. Unauffällig fuhr der Deutsche oft im Mittelfeld mit. Samstags schoss ihn Rene Rast in Kurve 1 ab und raubte ihm ein besseres Ergebnis. Doch auch abgesehen davon schien Wehrlein zu keinem Zeitpunkt das Tempo zu haben, um realistisch mit Dennis oder den Jaguar-Fahrern mithalten zu können. Das ist nicht Wehrleins Anspruch - doch das weiß er selbst. P9 und P10 sind nicht genug für einen WM-Titel.

FAZIT: Ein unrundes Ende einer eigentlich sehr guten Saison. Ähnlich wie Evans wird Wehrlein nun daran knabbern müssen, dass sein Titel wieder nur "vielleicht im nächsten Jahr" kommt.

9. Nico Müller | ABT Cupra | 6.0 Punkte

Jedes Punkteergebnis in der Formel-E-Saison 2023 ist für ABT Cupra ein Riesenerfolg. Nach einem soliden Samstagsrennen konnte Nico Müller sonntags vom Regenwetter profitieren und seine fahrerische Klasse unter Beweis stellen. In Kämpfen mit Bird, Ticktum und Wehrlein behielt er die Nerven und brachte souverän Platz 9 ins Ziel.

FAZIT: Ein weiteres gutes Rennen von Müller, der insbesondere im Qualifying (Startplätze 8 und 12) Stärke bewies. Seinen Teamkollegen Robin Frijns stellte er - wie fast im gesamten Saisonverlauf - in den Schatten.

10. Antonio Felix da Costa | TAG Heuer Porsche | 6.0 Punkte

Zum Ende seines ersten Jahres mit Porsche dürfte Antonio Felix da Costa ein positives Fazit ziehen. Rückblickend sticht selbstverständlich sein zauberhaftes Kapstadt-Überholmanöver gegen Jean-Eric Vergne heraus, das ihm seinen einzigen Sieg brachte. Doch auch in London zeigte der Portugiese, wie richtig sein Wechsel von DS zu Porsche war. Samstags raubte ihm eine kuriose 3-Minuten-Zeitstrafe (!) einen zweiten Platz nach großartiger Aufholjagd. Sonntags fehlten ihm nach einem schwachen Qualifying jedoch die Überholmöglichkeiten im Regen, um ein Punkteergebnis zu erzielen.

FAZIT: Eine allgemein runde Sache, dieses Wochenende von Felix da Costa. Wenngleich er sich für seine Qualifying-Pace kritisieren lassen muss. Mit seinem Saisonabschluss dürfte er dennoch zufrieden sein.

So hat die Redaktion abgestimmt:
Fahrer Tobias Bluhm Timo Pape Svenja König Tobias Wirtz Durchschnitt
01. Mitch Evans 10 10 8 9 9.25
02. Nick Cassidy 10 10 9 8 9.25
03. Jake Dennis 9 9 8 9 8.75
04. Norman Nato 9 8 7 10 8.50
05. Sebastien Buemi 8 7 6 7 7.00
06. Sam Bird 7 6 7 7 6.75
07. Dan Ticktum 7 8 5 5 6.25
08. Pascal Wehrlein 5 6 5 8 6.00
09. Nico Müller 6 7 5 6 6.00
10. Antonio Felix da Costa 6 6 5 7 6.00
11. Edoardo Mortara 5 6 6 6 5.75
12. Sergio Sette Camara 6 6 5 6 5.75
13. Stoffel Vandoorne 6 6 5 5 5.50
14. Maximilian Günther 5 4 7 5 5.25
15. Rene Rast 4 6 5 6 5.25
16. Lucas di Grassi 5 7 2 5 4.75
17. Sacha Fenestraz 5 4 3 4 4.00
18. Jake Hughes 3 4 3 4 3.50
19. Robin Frijns 4 3 2 3 3.00
20. Jean-Eric Vergne 3 4 2 3 3.00
21. Roberto Merhi 5 3 1 2 2.75
22. Andre Lotterer 4 3 1 3 2.75

 
* Tie-Breaker bei Punktegleichstand: höhere Einzelwertung im Fahrer-Rating. Tie-Breaker bei identischen Punkten: besseres Rennergebnis.

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